Journal Dienstag, 17. Dezember 2024 – Hochleistungstag und Annette Hess, Deutsches Haus

Mittwoch, 18. Dezember 2024 um 6:37

Vor Wecker aufgewacht, aus eigentlich gutem Schlaf war ich nachts mehrfach wegen Schmerzen im linken Fuß aufgewacht. Vielleich als Gute-Nacht-Snack doch hin und wieder eine Ibu.

Früher als sonst das Haus verlassen. Das war mir recht, denn gestern war der letzte Großkampftag vor den Weihnachtsferien.

Während ich durch die Gänge und Treppenhäuser peste, rauslief zum Einkaufen, weiter wuselte, schien draußen die Sonne, die Luft wurde mild. Die 15.000-Schritt-Marke riss ich noch vor 12 Uhr. Dann war aber das Heftigste rum, ab jetzt konnte ich verhältnismäßig geordnet weiterarbeiten.

Zu Mittag gab es Mandarine, Apfel sowie Mango mit Sojajoghurt.

Sehr emsiger Nachmittag, vor Feierabend nochmal Hochdruck. Gestern arbeitete ich definitiv wieder für zwei, das will ich doch gar nicht.

Eher spät verließ ich beladen das Büro (Tablett, Obstkorb – gibt es vor Ort halt genauso wenig wie einen Catering-Dienst) – und merkte vorm Haus, dass ich überhaupt keine Lust hatte, so nach Hause zu laufen, zumal mir die Füße vom reichlichen Rumrennen über den Arbeitstag weh taten. Also wollte ich mich vom 62er-Bus gemütlich heimschaukeln lassen.

War dann nicht so gemütlich, weil ich erst ungewöhnlich lange auf den Bus warten musste (eigentlich 7-Minuten-Takt), der dann ziemlich voll war. Egal. Jetzt war mir endlich alles egal (fast).

Völlig durch daheim. Yoga-Gymnastik tat aber gut. Und ich bekam Gutes zu essen:

Aufsicht aus gedeckten Tisch: links eine Schüssel mit lila Kartoffel- und orangen Karottensticks, in der Mitte ein Schüsselchen Kräuterquark, recht ein Teller mit einem gelben Fladen, darauf Käseschnitze

Karotten und lila Süßkartoffeln als Ofen-Fritten (ein paar Frühlingszwiebeln waren auch noch da), dazu Kräuterquark, außerdem eine Farinata aus Maismehl mit Käse. Nachtisch Süßigkeiten.

Fassungslosigkeit, als mir klar wurde, dass erst Dienstagabend war.

Früh ins Bett zum Lesen, Annette Hess, Deutsches Haus ausgelesen.

Die Geschichte aus den 1960ern um den Frankfurter Auschwitzprozess aus der Perspektive einer einheimischen Dolmetscherin (meist, wir bekommen hin und wieder auch die personale Perspektive anderer Figuren) versucht die gesellschaftliche Atmosphäre der Zeit zu vermitteln. Wie es für jemanden aus der Generation meiner Eltern gewesen sein muss, Anfang bis Mitte der 1940er geboren, die Abgründe der Gräuel vom Auschwitz zu entdecken. Und die Rolle, die die eigenen Eltern dabei spielten. Wie unterschiedlich der Umgang mit dieser Entdeckung war, von hartnäckiger Leugnung bis zu tiefem Bedürfnis nach Wiedergutmachung. Auch die Opferseite wird differenziert und vielfältig geschildert, als Zeugen treten Individuen auf und ihr unterschiedlicher Umgang mit unvorstellbaren Erlebnissen.

Gleichzeitig zeigt der Roman anhand der Hauptfigur Eva Bruhns (auch an ihrer Schwester), wie sich die Rolle und die Ansprüche von Frauen in Deutschland in dieser Zeit änderten, gerade in Abgrenzung zu ihrer Mutter. Am Rande tauchen Entwicklungen wie die Einwanderung von Gastarbeitern auf (die soweit ich weiß damals und bis in die späten 70er eher “Fremdarbeiter” genannt wurden, das kannte man aus dem Dritten Reich so für ausländische Arbeitskräfte – die allerdings Zwangsarbeiter*innen gewesen waren), inklusive rassistischer Ablehnung.

Der beste erzählerische Kniff: Missverständnis weil Fremdsprache. An einigen Schlüsselstellen übersetzt die Hauptfigur Eva Bruhns aus dem Polnischen falsch – anfangs weil sie als eigentlich Fachübersetzerin für Technisches die Wörter nicht kennt, später weil sie sich verhört (ich gehe mal davon aus, dass die sprachlichen Ähnlichkeiten sauber recherchiert sind, leider spreche ich nicht das Polnisch dieser meiner Familienseite). Das hätte man ausbauen können.

Sollte die falsche Verbform für die indirekte Rede (taucht noch an einer einzigen weiteren Stelle um die Figur Jürgen auf) in der Absicht verwendet worden sein, eine Lüge zu markieren (bis zum Schluss bleibt die Erzählinstanz abstrakt) – hinkt das Stilmittel auf beiden Beinen. Hätte man schon machen können, aber dann hätten auch alle Lügen der Angeklagten im Gerichtsprozess so geschrieben werden müssen und alle weiteren Lügen – aus denen der Roman ja im Grunde gewoben ist, aus Lügen und Selbstlügen. Wäre halt unlesbar geworden.

die Kaltmamsell

2 Kommentare zu „Journal Dienstag, 17. Dezember 2024 – Hochleistungstag und Annette Hess, Deutsches Haus

  1. Trulla meint:

    Das Buch habe ich – leider – noch nicht gelesen, aber die Verfilmung gesehen und kann sie empfehlen. Die war gut und wichtig und besonders die, wie ich fand, überragende Darstellungskunst von Iris Berben in ihrer Aussage vor Gericht hat mich zu Tränen gerührt.
    Unser Land hat Fritz Bauers Kampf um Aufarbeitung des Grauens und Nichtdavonkommenlassens der Schuldigen viel zu verdanken.

    Ich gehöre der Generation Ihrer Eltern an, werte Frau Kaltmamsell, und habe die dumpfe Kleinbürgerlichkeit der geschilderten Zeit wieder erkannt. Da aber mein Elternhaus dank der Herkunft und Aktivitäten in Kindheit und Jugend meiner 1917 geborenen Mutter (Kinderfreunde, SAJ) sozialdemokratisch geprägt war, ist bei uns zu Hause über die Zeit, um die es im Film ging, nicht geschwiegen worden. Meine Mutter hatte mehrere ältere Halbgeschwister, von denen sich ein Bruder (als Kommunist) auf dem Dachboden des Elternhauses auf der Flucht vor den Nazis erhängte.
    Ihren Beruf erlernte sie in einem Geschäft, das von einem kinderlosen jüdischen Ehepaar betrieben wurde. Diese sind noch rechtzeitig entkommen.
    Die hartnäckige Behauptung “man habe nichts gewusst” hielt sie immer für eine Lüge, wusste doch jeder, von wo in Hamburg die Transporte in die Vernichtung starteten, merkte doch jeder, wenn jüdische Wohnungen geplündert wurden.

    Die Ausbombung, die schweren Nachkriegsjahre hatten bei ihr Spuren hinterlassen. Heute würde man von traumatischen Erfahrungen sprechen, die sich unterschiedlich auswirkten. Aber mein Vater kam körperlich unversehrt zurück aus Russland, und dankbar und bescheiden haben meine Eltern es geschafft, meinem Bruder und mir eine schöne, von Liebe bestimmte Kindheit zu bereiten. Davon zehre ich bis heute.

    Aber angesichts der gegenwärtigen Entwicklung, die so geschichtsvergessen übelste Personen und Gedanken zulässt wird mir angst und bange.

  2. Ina meint:

    Meine Großmutter, ebenfalls Jahrgang 1917, hat in einem für mich bis heute unvergessenen Gespräch weinend gesagt “Wir wussten es als die Juden geholt wurden. Selbst hier auf dem Dorf wussten wir alle was passiert.” Hintergrund des Gesprächs war die Aussage meines Cousins ihr gegenüber einige Zeit vorher (der leider eine gewisse Zeit rechten Kreisen zugewandt war) dass es” Auschwitz nie gegeben hat”.

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