Archiv für Dezember 2024

Journal Freitag, 13. Dezember 2024 – Die Geschichte meines Nudelholzes

Samstag, 14. Dezember 2024

Einen eigenen Haushalt führe ich, seit ich gerade 19 geworden war. Zu meinen ersten Anschaffungen dafür gehörte ein Handrührgerät (KRUPPSCH – besitze ich noch heute, riecht bei Einsatz manchmal ein wenig nach verbranntem Gummi, tut aber eisern seinen Dienst) sowie ein Bügeleisen samt Bügelbrett (ich komme aus einer Bügelfamilie, it’s cultural). Zu den am längsten genutzten Gegenständen in meinem Haushalt gehört fast 40 Jahre später auch dieses Nudelholz.

Auf einer hellen Arbeitsfläche in Kunstlich ein Nudelholz mit roten Griffen, das Holz der Rolle hat an einem Ende einen dunklen Einschluss

Erst neulich fiel mir seine Geschichte ein, nämlich als ich es zum Stollenbacken benutzte (meiner wird gefaltet und nicht etwas in einer Form gebacken): Es ist das Geschenk meines damaligen Freundes, als ich 20/21 war. Wir hatten uns als Volontär/Volontärin derselben Regionalzeitung kennengelernt, und der Herr war sensationell unpünktlich. Als er mal wieder Stunden später als vereinbart bei mir klingelte, öffnete ich die Tür, und er hielt mir vorsichtig ein eigens dafür gekauftes Nudelholz hin: Damit ich bei der nächsten solchen Gelegenheit dieses drohend erhoben hinter der Tür stehen konnte. Ich musste sehr lachen, es hatte seinen Zweck erfüllt.

Auch fiel mir ein, dass man diesen Scherz vermutlich heute nicht mehr machen könnte, weil die Witzbildchen von der Ehefrau, die hinter der Wohnungstür mit erhobenem Nudelholz auf ihren (betrunkenen?) Ehemann wartet, ausgestorben sind. Hurra.

Den Fehler im Holz enteckte ich erst beim Abstreifen der Papp-Umhüllung – ich finde ihn sehr schön.

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Mittelguter Schlaf, bei Weckerklingeln wäre ich gerne noch liegen geblieben.

Der Morgen hielt sich nicht lang mit Hellwerden auf: Auf halber Strecke blieb es bei düsterem Grau. So neblig-hochneblig blieb es, in dieser Woche ein weiterer Düsterkeitsrekord.

Ich war den Vormittag über fleißig – wie viel mehr sich das so anfühlt, wenn ich geordnet Dinge abarbeiten kann, als wenn ich Querschüssen hinterher hechte.

Schöne Nachrichten aus dem Freundeskreis, ein Wiedersehen wurde in die Wege geleitet.

Mittagscappuccino beim Nachbarn.

Wieder spätes Mittagessen – aber diesmal, weil ich einen Job vorher abschließen wollte (und eh keinen Appetit hatte): Apfel aus Ernteanteil (köstlich), Pumpernickel mit Butter.

Emsiger Nachmittag. Da ich es nicht zu spät werden lassen wollte, nahm ich mich zusammen und machte Tempo. Als ich gerade guten Mut gewann, erwischte mich noch ein Auftrag – zwar mit Deadline erst in ein paar Wochen, doch zufällig in genau der Woche, die ich mir eigentlich frei nehmen wollte (einfach so mal für reines Nichtstun), und mit beträchtlichem Arbeitsumfang, den ich leider sofort absehen konnte. Andere gewinnen aus Berufserfahrung Gelassenheit, bei mir führt sie zu einem reflexartigen Blick für die involvierten Tasks und Unter-Tasks, die eine Aufgabe für mich bedeutet; und die fast immer deutlich mehr sind, als die Auftraggebenden denken. Nein: Ich kann nicht delegieren, ich bin bereits das letzte Glied der Delegier-Kette.

Es trat der Dementoren-Effekt meines Arbeitslebens ein, ohne Lebenswillen machte ich mich auf den Heimweg. Vorm Bürohaus wieder der Amslerich mit Revier-Koloraturgesang – der spinnt. Kurze Drogerie-Einkäufe.

Daheim bellte ich Herrn Kaltmamsell nur kurz an, der mir dann erstmal auswich. Plätzchenbacken (die Schneeflocken), zum Glück machte ich nichts richtig kaputt in meiner Laune. Aber der Teig war zu weich und klebte (ich wusste, dass er direkt aus dem Kühlschrank zu hart sein würde und hatte ihn bereits morgens rausgestellt, das war falsch), die Plätzchen wurden zu flach.

Yoga-Gymnastik brachte zwar keine innere Entspannung, stoppte aber zumindest das Rutschen in immer düstereres Befinden. Nächstes Mittel: Alkohol.

Auf einer vollgestellten Küchenarbeitsfläche vier Flaschen - Noilly Prat, Canadian Club, Angostura, Martini rosso - davor zwei Süßweingläser mit Bernstein-farbener Flüssigkeit und einer Cocktail-Kirsche mit Stiel

Dieser Manhattan perfect hatte eine große Verantwortung: Er musste eine Dementoren-Woche in der Arbeit gutmachen. Funktionierte ein wenig.

Das Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell zweigängig: Zunächst Jalapeños mit Frischkäse-Füllung aus dem Ofen (super und gerade nicht zu scharf), dann Ernteanteil-Spinat mit Entrecôte.

Dazu öffnete ich einen Würtemberger Lemberger/Merlot Weinkonvent Dürrenzimmern, schmeckte mir immer noch so gut, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Nachtisch Schokolade.

Schließlich machten wir die Küche ein bisschen kaputt: Der schwere Bräter, der auf dem Abtropfgitter neben der Spüle lag (unterschiedliche Auffassungen: für manche – Herrn Kaltmamsell – ist das ein Abtrockengitter, für mich ein Abtropfgitter), rutschte lärmend auf den Boden. Sprung im Bräter, Schramme im Boden. Vielleicht ist noch ein Slot im Brief ans Christkindl frei.

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Diese Woche kam mal wieder die Idee eines Altersheims für Blogschaffende auf, in diesem Fall eine Villa Buddenbohm nach dem Vorbild der Villa Verdi. Auf Mastodon wurde die Idee weitergesponnen: Die einen beantragten Aufnahme, die anderen träumten von guter Gesellschaft, Leseabenden, gemeinsamen Essen.

Oh ja, die Vorstellung eines Bloghauses gefällt mir. Ich wiederum beantrage einen eigenen Flügel für die vielen Menschenscheuen unter uns, der nur mit expliziter Einladung betreten werden darf, und von dessen Einwohnerschaft Abwesenheit bei Geselligkeiten vorausgesetzt wird (manchmal schaffen sie es ja doch).

Journal Donnerstag, 12. Dezember 2024 – Gemüserätsel

Freitag, 13. Dezember 2024

Früh wie immer aufgestanden, aber später das Haus verlassen: Ich nahm mir noch Zeit für Theaterbloggen.

Das Draußen lohnte sich auch 15 Minuten weiter in den Morgen als sonst nicht: Das müde Tageslicht erhellte lediglich ein weiteres Dunkelgrau. Sehr müde fühlte auch ich mich, ich konnte nur hoffen, dass der Arbeitstag nicht zu fordernd würde. (Noch 7 Arbeitstage bis Weihnachtsferien.)

Tatsächlich arbeitete ich geordnet los, nach meinem frühen Feierabend am Mittwoch war nichts Panik-auslösendes reingekommen. (Aber immer wieder erstaunlich: Hochrangige externe Anfragen, die sich durch schlichtestes Googlen – oder wie auch immer man heutzutage Internet-Recherche nennt – beantworten lassen. Was ich weiß, weil ich die allerallermeisten Antworten ja auch nicht im Kopf habe, sondern eben googlen muss.)

Unter lähmender Hochnebel-Decke auf einen Mittagscappuccino ins Westend, daran war alles schön.

Zurück am Schreibtisch Turbulenzen, dazwischen Menschliches, für das ich mir gern mehr Zeit genommen hätte. Erst kurz vor zwei kam ich zu meinem Mittagessen: Pumpernickel mit Butter, einige Mandarinen (an denen ich am meisten den Duft mag, mit dem ihre Schalen im Mülleimer mein Büro aromatisieren).

Den Nachmittag halt auch rumgekriegt, alles weist darauf hin, dass der Druck und die Taktung bis mindestens nächsten Donnerstagabend hoch bleiben, also bis zum vorletzten Arbeitstag vor den Weihnachtsferien.

Schon beim Aufwachen und jetzt wieder spielten meine Atemwege (Schluckweh, Bitzeln in den Nebenhöhlen, gewaltige Nieser) “vielleicht werde ich krank”. Doch da das regelmäßig vorkommt, baue ich weiter auf die Abwehrkräfte, die mir solche Attacken fast immer vom, haha, Hals halten.

Auf dem Heimweg Lebensmitteleinkäufe im Edeka und Vollcorner. Zu Hause Häuslichkeiten, eine schöne Folge Yoga-Gymnastik, Teigzubereitung für die eine Sorte Plätzchen, zu denen ich mich aufraffe: Schneeflocken von Frau Mutti.

Gestern war Tag der Ernteanteilrätsel: Nachdem Frau Brüllen über diesen Trumm in ihrem rätselte, standen wir vor diesen… Stangerln.

Auf heller Fläche verbogene dunkelbraune Wurzeln, rechts daneben eine Avocado

Avocado zum Größenvergleich.

Nach ebenfalls Befragung von Mastodon kreisten wir Süßkartoffeln ein: Das passte zur Liste auf dem Kartoffeldruck – auch wenn zwei große, dicke und eindeutig als Süßkartoffeln zu identifizierende dabei waren. Verifizierung durch Verarbeitung am Wochenende.

Als Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell frisch geholten Ernteanteil-Schwarzkohl mit -Karotte als Eintopf – Kartoffeln musste er allerdings zukaufen.

Weißer Teller auf grünem Set, im Teller Eintopf aus Schwarzkohl, Kartoffeln, Karotte, weißen Bohnen, Wurst

Ganz besonders schmackhaft diesmal.

Journal Mittwoch, 11. Dezember 2024 – Amerika / Der Verschollene an den Kammerspielen

Donnerstag, 12. Dezember 2024

Eigentlich gute Nacht, aber einmal weckte mich das Bauchzwicken, das mich bereits am Vortag im Büro geplagt hatte – vermutlich also nicht durch eine konkrete Speise ausgelöst.

Auf einem dunklen, gepflasterten Platz stehen einige geschlossene, aber Lichter-verzierte Christkindlmarkt-Buden, im Hintergrund die Gebäude des Verkehrsmuseums

Der Dezember behielt sein Dunkelgrau gleich an, was ich aber erst im Büro richtig sah, denn erst dort wurde es hell genug für Wettereinblick.

Arbeit gut machbar, Mittagscappuccino in der Nachbar-Cafeteria, Mittagessen Pumpernickel mit Butter sowie ein paar Mandarinen.

Ich machte gestern besonders früh Feierabend, denn ich hatte abends einen Theatertermin: Da ich den ersten meines Abos Anfang Oktober wegen zu viel Arbeit verfallen hatte lassen, stieg ich erst gestern in die aktuelle Saison ein.

Ich verließ das Büro also noch vor vier, draußen hatte der Tag alle Bemühungen um Tageslicht fahren lassen und sich bereits der Abenddämmerung ergeben. Die zusätzliche freie Zeit verwendete ich für Weihnachtsgeschenkeinkäufe, zunächst im Einkaufszentrum Schwanthalerhöhe (wo es die angesteuerten Läden bereits nicht mehr gab, der ständige Wechsel dort ist kein gutes Zeichen), dann in der Sendlinger Straße (Erfolg 1), Kaufhof am Marienplatz, in umliegenden Läden (Erfolg 2).

Daheim hatte ich sogar noch Zeit für etwas Yoga-Gymnastik, bevor Herr Kaltmamsell das vorgezogene Nachtmahl servierte: Krautwickel aus eingefrorenen Ernteanteil-Kohlblättern, Nachtisch Milchreis.

Marsch zu den Kammerspielen unter Umgehung der dichtesten Christinklmarkt-Menschenansammlungen. Gespielt wurde gestern Amerika / Der Verschollene “nach dem Romanfragment von Franz Kafka in einer Fassung von Charlotte Sprenger und Olivia Ebert”, 2 Stunden 40 Minuten mit einer Pause, ich wappnete mich für Durchhalten.

Auf einer dinklen Theaterbühne steht in einem Lichtkegel ein schwarzer Fügel, links daneben ein Schauspieler im Kostüm der Freiheitsstatue

Leider konnte ich mit dem Bühnengeschehen nichts anfangen. Ein wenig wurde die Geschichte von Karl Roßmann erzählt, das halt fragmentarisch expressionistisch, jaja: fremde Umgebung, amerikanischer Erfolgsgedanke, ausbeuterische Arbeitsverhältnisse. Doch was war daran Kafka? Inhalte werden schon seit Jahren nicht-realistisch auf die Bühne gebracht, sondern mit grotesken, absurden Erzählmitteln, in grellbunten Schlaglichtern. Kafkas literarische Weltsicht ist längst die Basis aller Inszenierungen.

Wie immer sehenswert: Die Schauspielerinnen und Schauspieler, allen voran Katharina Marie Schubert in der Hauptrolle, die sensationell wandelbare Jelena Kuljić, Philipp Plessmann als Freiheitsstatue und am Piano, Maren Solty und Johanna Kappauf sehe ich immer gern. Lustige, kreative Kostüme und Perücken gab es auch (Aleksandra Pavlović), aber das reicht nicht für einen so langen Theaterabend. Abschließend trat Maren Solty an die Bühne und las einen Appell gegen die Streichungen im Münchner Kultur-Etat vor, forderte zum Unterzeichnen eines offenen Briefs auf.

Der Zuschauerraum war anfangs nicht mal zur Hälfte gefüllt, nach der Pause nur noch zu einem Drittel – was mir immer ungemein für die Truppe auf der Bühne leid tut (weswegen es sehr viel mehr braucht als eine Inszenierung, die an mir vorbeigeht, um mich zum Aufgeben zu bringen).

Zackiger Marsch durch die dunkle Innenstadt mit überraschend viel Unterwegs-Volk, damit ich nicht allzu spät ins Bett kam.

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“Umwelthilfe geht wegen Straßenlärm gegen 21 Städte vor”.
Wollen wir raten, wie die Boulevard-Schlagzeilen dazu aussehen? Ich fange an:
MAULKORB FÜR PKW
SCHLUSS MIT ‘JETZT RÖHR I’
MOTORVERBOT FÜR MÜNCHEN

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Kirsten Fuchs slamt über Hitzewallungen, und es sollte viel mehr wütend über diesen Scheiß geslamt werden.

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https://youtu.be/EB-6ZDVcqq4?si=-wUkQuHGc9DsjrYr

via @maske_katja

Journal Dienstag, 10. Dezember 2024 – Dezemberdunkel

Mittwoch, 11. Dezember 2024

Tief und gut geschlafen, das war schön.

In dunkler Nacht aufgestanden, in dunkler Nacht in die Arbeit marschiert. Auf den Dächern lag ein Hauch Schnee, doch der Boden war nass und ungefrostet.

Beim ersten Blick ins Arbeitspostfach wurde mir diesmal nicht sofort schlecht – ein guter Tagesanfang! Ich werkelte den Vormittag emsig durch, genehmigte mir einen Marsch (unter düsterem Dezemberhimmel) zu Mittagscappuccino ins Westend. Wohltuende Bewegung an der Draußenluft.

Mittagessen: Halber Apfel (und zwar die äußere Hälfte, die innere war verfault), Mango mit Sojajoghurt. Was mir eigenartigerweise erstmals schmerzhaftes Bauchkneifen in den Stunden danach bereitete.

Nachmittagsarbeit ein wenig durcheinander, aber ohne Panik machbar. Außerdem mal wieder Anlass fürs Hadern mit dem Duzen/Siezen im Berufsleben. Hell wurde es draußen gar nicht, wir stecken in den dunkelsten Tagen/Wochen des Jahres. Der Arbeitstag endete wieder eher später.

Auf dem Heimweg kurze Einkäufe, eigentlich nur, um den Weg zu verlängern. Zu Hause eine Runde Yoga-Gymnastik mit Mady, eine kurze Einheit mit sportlichen Flows. Als nächstes turne ich die eingemerkten Yoga-Videos von Jessica Richberg ab, und dann mal sehen, ob es auch für Anfang 2025 ein neues 30-Tage-Programm von Adriene gibt.

Wieder sorgte Herr Kaltmamsell fürs Nachtmahl, er baute es um die Guacamole herum, die er aus den ersten nachgereiften Crowdfarming-Avocados rührte.

Aufsicht auf einen gedeckten Tisch mit Glastellern und Schälchen voll von den Dingen, die drunter stehen

Quesadillas, Hackfleisch, Weizentortillas, Tomätchen, Jalapeños, Kimchi, Sauerrahm. Das war sehr gut.

Zum Nachtisch servierte Herr Kaltmamsell zum Test kleine Christmas Puddings mit Sahne: Er hat eine ganze Reihe hergestellt, jetzt wissen wir, dass sie definitiv gut genug zum Verschenken sind (so fruchtig!).

Erste Restaurantreservierung für den Berlin-Urlaub am Jahresende.

Im Bett las ich weiter in Annette Hess, Deutsches Haus: Die Geschichte aus den 1960ern um den Frankfurter Auschwitzprozess aus der Perspektive einer einheimischen Dolmetscherin gewann an Fahrt.

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Schöner Überblick über die aktuellen Anwendungen von Algorithmen, die derzeit “KI” heißen, vom WDR in der ARD-Mediathek:
“Unser Leben mit KI: Wie künstliche Intelligenz unsere Arbeit revolutioniert”.

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There’s one thing right with our world, and it’s Dick Van Dyke.

Sie kennen ihn aus Mary Poppins auf den Dächern Londons, ich auch davon, dass Herr Kaltmamsell immer auf ihn hinweist, wenn er in irgendeinem Film oder einer Fernsehserie auftaucht.
“99-Year-Old Dick Van Dyke Sings & Dances in a Touching New Coldplay Video, Directed by Spike Jonze”.

Journal Montag, 9. Dezember 2024 – Frische Arbeitshölle

Dienstag, 10. Dezember 2024

Bloggen über Morgenkaffee untermalt von vielerlei Krähen-Geräuschen: Die mächtigen kahlen Bäume um den Balkon fungieren derzeit als Schlafbäume, und am Morgen gibt es wohl viel zu erzählen.

Vor einem hellen, städtischen Nachthimmel kahle Bäume voller Krähen

Marsch in die Arbeit in dunkelgrauem, kalten Wetter knapp über Null, aber zumindest regnete es nicht. Nicht nur vor unserem Balkon gab es viele Krähen, über Ludwigsvorstadt und Theresienwiese murmurierten riesige Schwärme.

Nach Hochfahren des Rechners und Öffnen des Postfachs die inzwischem Montagmorgen-übliche Hektik, bis ich die Entwicklungen des Wochenendes nachvollzogen und die sich daraus ergebenden Aufgaben umgesetzt hatte. Noch zwei volle Arbeitswochen bis Weihnachten, es ist noch sehr, sehr weit bis zur erleichternden Aussicht auf Ferien.

Über den Vormittag schlugen wieder die Wellen unvorhergesehener Jobs über mir zusammen. Eine Aufgabe, die ich mir auf diesen Montag verhältnismäßig knapp vor Deadline geschoben hatte inklusive auch nur Nachdenken darüber, einfach weil ich vorher keinerlei Kapazitäten dafür hatte – stellte sich in dieser Zeitknappheit als gar nicht erledigbar heraus, ich hatte die falsche Rolle dafür. Das und die damit einhergehende Panik hinderten mich am Mittagscappuccino, doch Koffein wäre bei meiner Grund-Zittrigkeit ohnehin verheerend gewesen. Und in dem dunkelgrauen Regen hätte ich nicht mal aus dem Marsch an frischer Luft Genuss gezogen.

Montag 12 Uhr, und ich war eigentlich bereits durch mit der Woche, hatte bereits Denkaussetzer, bei denen ich vor dem Bildschirm sitzend nicht mehr wusste, was ich auf dem Dokument vor mir eigentlich tun wollte.

Querschüsse, Abrufbereitschaft für Einspringen – es wurde zwei, bis ich wenigstens etwas essen konnte: Apfel, Mango mit Sojajoghurt.

Nachmittags bekam ich ein wenig Luft durch die Absage eines Termins von jemandem, der noch mehr um die Ohren hatte als ich.

Nicht allzu später Feierabend, Heimweg in Nieselregen über Lebensmitteleinkäufe und erste Weihnachtsgeschenkkaufversuche (wie können Menschen ihre Weihnachtsgeschenke schon vor Advent beisammen haben, wenn man doch erst im Advent die Briefe ans Christkind schreibt?).

Nach stundenlangem Zusammenreißen im Büro zeigte sich meine wahre Laune, als ich daheim beim Öffnen des Wintermantels kurz davor war, den sich sperrenden Knopf durch brutales Reißen zu öffnen. Häuslichkeiten, dann eine Runde sportliche Yoga-Gymnastik.

Als Nachtmahl bereitete Herr Kaltmamsell die Ernteanteil-Pastinaken nach einem englischen Rezept zu: Eine Kasserole mit Chorizo und Lauch (und Sherry und Petersilie und Zitronenschale), ganz überraschend gut. Nachtisch Panettone UND Schokolade. Herr Kaltmamsell merkte an, dass er sich auch an anderen als dem Freitagabend nach ersten Alkohol ganz gerne mit mir unterhalten würde, ich war mal wieder zu keinem Gespräch fähig.

Beim Fernseherlaufenlassen stolperte ich in die WDR-Doku “Hape Kerkeling: Total normal” und blieb hängen. Zwar hatte ich live von dem Komiker gerade mal in den 1980ern die Hannilein-Figur mitbekommen, doch er ist ja Kanon und so wusste ich von seinen Shows, dem Outing, den Liedern, der Wanderung, den Filmen, den größten Sensationen (“Hurz!”) – der Mann und sein Werk sind (west-)deutsches Kulturgut. Der Junge muss an die frische Luft hatte ich sogar im Kino gesehen und gemocht. Und so sah ich seine Biografie wirklich interessiert – dass jemand bereits zu seinem 60. Geburtstag so viel und laut geehrt wird, macht allein schon seine Bedeutung klar.

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Eine schöne Folge “Sachverstand” in den Übermedien: Bestatterin Sarah Benz kritisiert die Darstellung von Tod, Abschied und Trauer in Medien:
“‘Im Film ist Trauer immer etwas, das gemanagt werden muss”‘.

Journal Sonntag, 8. Dezember 2024 – 2. Regenadvent auf Bahngleisen

Montag, 9. Dezember 2024

Verschlafen! Ich hatte mir den Wecker gestellt, um noch ein wenig Zeit mit den Freunden in bei Basel über Morgenkaffee verbringen zu können. Gestellt ja, erwies sich, aber nicht eingeschaltet. Und so standen wir deutlich später auf als geplant.

Für Morgenkaffee mit Freunden reichte es trotzdem noch, das war sehr schön.

Im greislich niesligen Wetter gingen wir zum Bahnhof und starteten unsere Rückreise. Am Basler Bahnhof war beim Umsteigen noch Zeit für Brotzeitbesorgung im edlen Buffet: Ich steuerte es gezielt an, nachdem @cuorecomarmo so davon geschwärmt hatte, und sah mich mit Herrn Kaltmamsell ausführlich um.

ICE nach Mannheim. Dort waren nur fünf Minuten für den Umstieg eingeplant; ich ging davon aus, dass wir eh Verspätung haben und einen anderen Anschlusszug nehmen würden, dass uns das also Zeit für einen Mittagscappuccino lassen würde. Hatten wir dann auch, aber nicht weil der ICE nach Mannheim verspätet war (pünktlich auf die Minute!), sondern weil der anschließenden ICE nach München fast eine halbe Stunde nach Fahrplan fuhr. Egal: Mittagscappuccino mit Baustoff-festem Milchschaum in einer Bäckereifiliale im Bahnhof, deren Backwaren deutlich besser aussahen, als der Cappuccino schmeckte (geht mir weg mit “die Kaffeebohne ist eine Beere und soll sauer schmecken”).

Im Vordergrund auf einem Holztischchen zwei Tassen Cappuccino, dazwischen ein Deko-Weihnachtsbäumchen mit Kugeln, im Hintergrund eine Bahnhofshalle mit Passagieren und Läden

Von Mannheim nach München saßen wir dann in einem ICE 3neo mit ganz neuem Schnickschnack. Der Bildschirm im Großraumabteil erklärte sie netterweise (und dass das “ICE 3neo” war): U.a. Tablet-Halterung am Vordersitz (mit verstellbarer Klammer drüber zum Festhalten), Mobilfunk-durchlässige Fenster, Reservierungsanzeige mit rotem Licht für “jetzt reserviert” oder gelbem für “serviert ab Anzeige”, Rollstuhl-Hublift, Fahrradstellplätze.

Vernünftige Brotzeit um zwei ohne Appetit: Apfel, Maissemmel (weicher als erwartet) mit Tomate, Mozzarella, Frischkäse.

Auf dem Weg nach München las ich Matt Haig, The Midnight Library aus (mit sehr wackliger Internetverbindung; da ich das Buch in der Bücherei ausgeliehen hatte und im Browser las, musste ich immer wieder Zwangspausen einlegen, bis das nächste Stück lud). Es war schon nett. Mir gefiel der nicht-realistische Erzählansatz: Die Britin Nora findet sich nach ihrem depressiven Suizid an der Schwelle zum Tod in einer endlosen Bibliothek wieder, die verschieden grünen Bände in den Regalen bringen sie in Varianten ihres Lebens – wie es verlaufen wäre, hätte sie andere Entscheidungen getroffen, große oder kleine. Diese Grundidee mochte ich, wenn ich auch bereits diese viel zu breit ausgewalzt und erklärt fand. Dieses Übererklären zieht sich durch den gesamten Roman, beim x-ten Auswalzen der Grunderkenntnis, dass es kein ideales Leben und Lebensziel gibt, sondern immer nur einen solchen und solchen Umgang mit der aktuellen Situation, rollte ich nur noch mit den Augen. Gleichzeitig fand ich mich durch die vielen Lebensgeschichten derselben Person mit ähnlichen Nebenpersonen durchaus unterhalten auf einer langen Bahnfahrt. Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass das Buch mit seiner Besinnungsnote ein Bestseller ist.

Ankunft im nachtdunklen, regnerischen, kalten München mit 20 Minuten Verspätung, das ist bei geplanten sechs Stunden Fahrtzeit mittlerweile im akzeptablen Rahmen.

Daheim viel Kruschen und Räumen, Vorbereitung der nächsten Arbeitswoche, aber auch Telefonat mit Vater auf Reha (alles gut). Yoga-Gymnastik mit Kräftigung, tat gut.

Als Nachtmahl hatte Herr Kaltmamsell den kleinen Kopf Weißkraut aus Ernteanteil in Absprache mit mir in eine Art spanische Krautfleckerl verwandelt: Spanisch war die Zubereitung des Weißkrauts in Streifen gebraten in der Pfanne mit Knoblauch und Pimentón de la vera (mild und scharf), nicht vorgesehen ist in Spanien dann aber das Untermischen von gekochten Nudeln. Die Kombi erwies sich als gut.

Nachtisch Plätzchen von Frau Schwieger, Schokolade.

Früh ins Bett zum Lesen, nächste Lektüre: Annette Hess, Deutsches Haus.

Journal Samstag, 7. Dezember 2024 – Geburtstag gefeiert in der Schweiz

Sonntag, 8. Dezember 2024

Dieses Wochenende gehört einer Geburtstagsfeier in der Schweiz. Diesmal aber echt ehrlich wirklich: 2023 hätten Herr Kaltmamsell und ich diesen Geburtstag auch sehr gerne gefeiert, wurden aber durch Schnee an der Reise gehindert. (Wie sehr mich dieses Erlebnis geprägt hat, merkte ich dieses Jahr im Sommer, als ich jemandem beibringen musste, dass die Überschwemmungen jede Art von Bahnreise nach und von München unmöglich machten: Ich bemerkte dasselbe langsame Begreifen gegen die Widerstände “aber vielleicht so?” und “ach komm, irgendwas wird doch gehen!”.)

Ich wachte noch vor Wecker auf, also kein zusätzlicher Schlaf, auf den ich mich gefreut hatte.

Vor einem flammend pinken Morgenhimmel: Ein moderner Kirchturm

Dafür ein Bomben-Sonnenaufgang.

Wir spazierten in angenehmer Luft zu unserem spätmorgentlichen Zug. Bis auf die Schweizer Seite hatten wir nur sieben Minuten Verspätung eigefahren, doch dann ging es bergab: Statt uns bis nach Zürich zu transportieren, warf uns dieser Zug (wegen Baustelle) schon in Winthertur raus, die letzte halbe Stunde dorthin zuckelten wir sehr langsam (allerdings Bonus: sehr viele Greifvögel in der Luft vorm Fenster und auf dem Boden, ein Reiher am Bach). Zu nichts davon übrigens eine Handy-Nachricht von der SBB, die mich am Freitag noch an meine Abfahrt am Samstagmorgen erinnert hatte und agekündigt, sie werde mich über allfällige Änderungen auf dem Laufenden halten. Nachdem ich sichergestellt hatte, dass wir von Zürich aus problemlos weiterkommen würden, machten wir nach Fahrt in anderer Bahn dorthin Kaffeepause.

Hölzernes Café-Tischchen mit zwei Tassen Cappuccino, dahinter Glasfront in eine moderne Bahnhofshalle

Mittagscappuccino in einem Mövenpick-Café. Die Thekenfrau freute sich sehr über mich: „Lange nicht gesehen!“ Eine Verwechslung, und schon war ich befangen, wollte die eigentlich gemeinte Frau nicht in Verruf bringen.

Weiter nach Rheinfelden. Ich hatte mir vernünftig Brotzeit eingesteckt, obwohl ich meine Appetitlosigkeit vorhergesehen hatte (mal sehen, ob ich auf Bahnreisen je wieder die ordnungsgemäße innere Vollverklebung mit Keksen, Schokolade und vor allem Gummibärchen erleben werde). Vernünftig aß ich auch ohne Appetit um halb zwei einen Apfel und Hüttenkäse.

Mittlerweile regnete es kräftig, letzter Umstieg in Rheinfelden. Wir trafen mit einer Stunde Verspätung in unserer Unterkunft ein, wahrscheinlich wollte die SBB uns Deutsche-Bahn-Opfer nicht zu neidisch machen. (Morgens hatte ich mich bei Herrn Kaltmamsell noch für die frühe Abfahrt entschuldigt, die ich wohl ohne viel nachzudenken gebucht hatte. Doch es braucht auf Langstrecken einfach einen Puffer.)

Werbeplakat mit Bild eines flachen Burgers mit viel Käse und Schrift „Look who‘s back. Der McRaclette“

Hallo Schweiz!

Das Wetter war ausgesprochen unwirtlich, wir heizten also unser Zimmer warm und lasen dort.

Abends spazierten wir zur Gastgeberin ins bereits bekannte Haus, netterweise hatte der Regen aufgehört. Und dort bekamen nicht nur erfreutes Wiedersehen, sondern auch Salat mit Ernteanteil-Karotten und -Rote-Bete, Selleriesuppe, Flammkuchen zum Selbstbelegen und dreierlei selbstgemachtes Eis, dazu elsässer Crémant und Riesling aus Washington State – ein großes Schlemmen. Mit Gesprächen, Geplänkel, Geschichten, es war ein wunderbarer Abend. Zurück in unser Pensionszimmer kamen wir wieder trocken.

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Berlins Oberbürgermeister meint, Kassiererinnen würden eh nicht Opern besuchen und begründet so Einsparungen im Kulturbereich. Katja Kollmann hat für die taz Berliner Kassiererinnen gefragt (wenn auch nicht repräsentativ), ob das stimmt.
“Gehen Kassiererinnen in die Oper?”

(Spoiler: Immer mal lieber vorsichtig mit den Stereotypen.)