Journal Samstag, 25. Januar 2025 – Frühlingsversprechen und Abschluss der Gänse-Saison
Sonntag, 26. Januar 2025 um 8:08Ausgeschlafen mittelfrüh aufgewacht, putzmunter.
Seit fast vier Jahren wohnen wir jetzt hier oben – und die Aussicht ist mir immer noch nicht fad geworden. Eher muss ich mir vor Augen führen, dass ich sie sicher noch ein paar Jahre genießen kann. Dass wir uns die Miete mit ihren vorhersehbaren Erhöhungen bis dahin in der Rente nicht mehr werden leisten können, ist klar – und ich neige dazu, schon jetzt, viele Jahre vorher, Abschied zu nehmen, statt mich aufs Genießen zu konzentrieren (vorauseilender Abschied – gibt’s dafür einen Namen?). Und Sie lasse ich mietfrei mitgenießen.
Die zweigeschoßige Wohnung ganz oben bei uns im Haus wird derzeit ausgeräumt, ein Zettel an der Haustür kündigt Generalsanierung an. Herr Kaltmamsell war mal bei der bisherigen Bewohnerin eingeladen und berichtete Interessantes vom Grundriss – jetzt spekuliere ich darauf, dass die Bauarbeiten mir die Möglichkeit bieten, mal reinzuschauen.
Ich freute mich auf meine Schwimmrunde im Olympiabad, hatte auch Lust, das Fahrrad dorthin zu nehmen (in den Kurven schön vorsichtig weil Rollsplit). Radeln zum Schwimmen statt U-Bahn bedeutete aber auch: Begegnung mit so! vielen! Wahlplakaten. Wahlkampf ist ein schlimmes politisches Parallel-Universum. (Noch schlimmer: Dass manche ihn auf die gesamte Legislaturperiode ausdehnen.)
Das eigentliche Schwimmen war ok, die vielen anderen und zur Hälfte bewaffneten Schwimmer*innen machten viele Pausen am Beckenrand, da waren sie mir lieber als auf der Bahn. Wie angekündigt lichtete sich der Himmel, schon meine Heimfahrt wurde mild.
Zu Hause Wäsche aufgehängt. Frühstück um zwei: Apfel, Avocado, Balkanbrot mit Käse, Roggenvollkornbrot mit Nocilla.
Ich reaktivierte den seit Monaten vernachlässigten Sauerteig: Die erste Februarwoche habe ich Urlaub genommen, einfach so, spätestens dann möchte ich wieder Brot backen. Klar war der Sauerteig schon ziemlich gammlig, aber in dieser Hinsicht bin ich eine Wildsau: Man konnte sogar Sauerteigreste aus ägyptischen Pyramiden reaktivieren, da lasse ich mich doch nicht von ein bisschen Gammligkeit abschrecken. (Verwendet habe ich natürlich nur den rosig und ungammlig aussehenden Teil.)
Über den Nachmittag Miete abgewohnt (im Winter sehe ich die Wohnung ja nur am Wochenende bei Tageslicht) u.a. bei Zeitungslektüre. Die Balkontür durfte eine Stunde lang frierfrei offenstehen.
Mit leisem “Plopp” wuchsen allen Münchnerinnen Sonnenbrillen ins Haar.
Die Wohnung wurde bereits von köstlichen Düften erfüllt: Vereinbarungsgemäß machte Herr Kaltmamsell zum Nachtmahl eine letzte Gans der Saison. Sie geriet ihm wieder sehr gut, er bereitete sogar aus Ernteanteil-Kartöffelchen ein paar Knödel dazu.
Ein Festmahl. Im Glas restlicher Weißwein vom Vorabend (passte auch dazu nicht wirklich) und vom Vorwochenende. Nachtisch Schokolade.
§
Gerburg Jahnke lernte ich Anfang des Jahrtauends über die Empfehlung einer Kollegin (danke, Angelika) als Hälfte des Kabarett-Duos Misfits kennen – und kam dadurch zum ersten Mal ins Gebäude des Zirkus Krone. Zu dieser Zeit hatte ich wegen Überarbeitung den Anschluss an Kabarett eh verloren, ihn durch die Misfits zurückzubekommen, das war geradezu epiphanisch. Jetzt wurde Jahnke 70, in der ARD-Mediathek gibt es eine Doku über sie (die, da muss ich sie gleich warnend enttäuschen, nicht auf ihren völlig abgefahrenen Vornamen eingeht – die größte Annäherung, die mir einfällt, wäre Walburga):
“Gerburg Jahnke: ‘Wenne Mittwoch überlebs, is Donnerstach'”.
Einerseits nicht meine Art von Feminismus, meiner strebt nach Differenzierung und Inklusion und akzeptiert Verallgemeinerungen “Frauen sind” nicht mal mehr als Basis von Witzen (und fühlt sich “als Frau” weder bei Wellness mit Maske im Gesicht gemeint noch bei der angeblichen Attraktivität gefühlsbehinderter Männer). Andererseits dann doch meine Art von Feminismus, der volle Kanne andere Frauen fördert.
Unter anderem unterhält sich Gerburg Jahnke mit der zweiten Hälfte der Misfits, Stephanie Überall, und erinnert sich an ihre gemeinsame Zeit bis zur Trennung 2005. Mein liebster Satz darin:
“Weißt du, was die Männer nicht gewusst haben? Dass man mit Feminismus so viel Geld verdienen kann.”
Und dann lachte sie sich scheckig.
12 Kommentare zu „Journal Samstag, 25. Januar 2025 – Frühlingsversprechen und Abschluss der Gänse-Saison“
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26. Januar 2025 um 9:02
So seltsam finde ich den Namen “Gerburg” eigentlich nicht, weil ich jede Menge Frauennamen mit “Ger…” höre: “Gerlinde”, “Gertrud”… Aber vielleicht ist das auch wieder so ein Nordsüdostwest Unterschied, dass die Namen hier halt einfach häufiger sind als anderswo in Deutschland.
~
Ich bin eine sehr bewusste Abschiednehmerin und ein schöner, bewusster Abscheid macht für mich die Zeit nach dem Abschied einfacher. Wenn man mir ein bewusstes letztes Mal raubt, dann kann ich Abschiede nicht so gut verarbeiten. (-> Im Urlaub das letzte Mal zum Strand und wissen, dass es das letzte Mal ist.)
26. Januar 2025 um 10:29
Meistens weiß man ja erst hinterher, nach Tagen, Wochen, Monaten, gar Jahren, dass es das letzte Mal war… Erste Male sind da viel eindeutiger.
26. Januar 2025 um 11:35
Die Misfits – fehlen. Danke für den Hinweis auf die Doku.
26. Januar 2025 um 11:37
Gerburg stammt aus dem Althochdeutschen, wie so viele Namen, die früheren Generationen gern verpasst wurden. Ich war einst befreundet mit einem Ortwin und wir fanden es lustig, die Bedeutungen einiger solcher Namen herauszufinden.
Interessant wäre, die Intention der Eltern bei der Namenswahl zu hinterfragen. Einen 1945 geborenen Adolf z.B. hätte ich, anders als eine meiner Freundinnen, nur unter Bedingungen der Distanzierung und Namensänderung heiraten können. Eine gute Beziehung zu den Schwiegereltern kaum vorstellbar.
Sehr komisch berührt war ich, als im Jahre 1977 ein gleichaltriges Kind zu meinem Zweitgeborenen mit “Erdmute” gerufen wurde.
Allerdings, wenn man sich die Namensentleisungen (sh. Musk u.a.), die manchen Kindern heutzutage auferlegt werden, ansieht, scheint mir das eher harmlos.
26. Januar 2025 um 11:48
“Mit leisem Plopp…” werd noch den ganzen Tag über diesen Satz grinsen.
26. Januar 2025 um 12:43
Herzlichen Dank für den Satz mit den Sonnenbrillen, Ihnen einen angenehmen Sonntag.
26. Januar 2025 um 13:03
Hallo Trulla, der eigentlich vom Klang her, wie ich finde schöne Name Adolf ist verständlicherweise für alle Zeiten verbrannt. Mein Vater Jahrgang 36 heißt auch Adolf, sein Vater Gustav Adolf und dessen Vater wiederum Adolf. Er hat natürlich immer unter seinem Namen gelitten und wurde verurteilt, obwohl in seinem Fall keine Nazisympathie dahinter stand. Für meine Kinder ist er der Opa Ade.
26. Januar 2025 um 13:10
Nachtrag: 1890 war Adolf übrigens einer der beliebtesten Vornamen. Der Name kann nichts dafür.
26. Januar 2025 um 14:57
Nichts für ungut, Bobbie und auch nichts gegen den Opa Ade!
Ich habe deshalb natürlich auch 1945 dazu geschrieben, mein eigener und der Jahrgang des Ehemanns meiner Jugendfreundin. Sein Kind nach Ende der Nazibarbarei noch nach dessen Führer zu benennen hatte für mich auch schon als junger Mensch mehr als nur ein Geschmäckle, es war in meinen Augen ein Statement. Was natürlich nicht dem unschuldigen Kind anzulasten war, sondern dessen Eltern.
26. Januar 2025 um 15:19
Vielen Dank für den Doku-Tipp! Das war genau richtig für meinem faulen Sonntagnachmittag. Auch mir fehlen die Misfits und es war schön, die beiden Damen in Erinnerungen schwelgen zu sehen.
“Mit leisem Plopp…” – Herrlich!
26. Januar 2025 um 21:47
Dann einfach mal einen Kommentar für Sie zum Mitgenießen.
26. Januar 2025 um 22:58
Ein Mal hab ich sie gesehen. Sie saß mit elegant verknoteten Beinen an einem Bistrotisch vor ihrem Theater in Oberhausen.
Es ist übrigens ein umgebautes Hallenbad.
Am Dienstag ist große Feier
https://www.lms-ticket.de/ebertbad/ajax.aspx/Veranstaltungen/d56e8c3c-3f21-4cc5-a645-1d39164e3136/d56e8c3c-3f21-4cc5-a645-1d39164e3136/Frau_Jahnke_feiert_