Journal Samstag, 4. Januar 2025 – Wohnen, Lesen, Fleischessen
Sonntag, 5. Januar 2025 um 8:29Gut geschlafen (trotz echter Cola am Abend zuvor!), ich ließ mich aber wieder eher früh vom Wecker wecken, um langsam zurück in den Rhythmus der Arbeitswoche zu kommen.
Vorteil des dann doch bedeckten Himmels beim Schneewandern am Vortag: Keine entzündete Augen. Ich hatte erst abends gemerkt, dass ich die eingesteckte Sonnenbrille gar nicht getragen hatte, der Schnee hatte also nicht geblendet.
Tagesplanung: Lebensmitteleinkäufe, Schwimmen, Frühstück, Lesen, Yoga-Gymnastik, Abendessen mit Freunden im Haxengrill. Doch schon bei Morgentoilette vor Einkäufen merkte ich, dass ich eigentlich keine Lust auf Schwimmen hatte. Die endgültige Entscheidung verschob ich auf nach Einkäufe und zog los zum Viktualienmarkt. Dort beim Metzger Eisenreich erfolgreiche Besorgungen für Heilig-Drei-König bei Schwiegers (wir kochen). Das Thermometer am Juwelier Fridrich in der Sendlinger Straße zeigte -4 Grad an.
Frostige Sonne über Metzgerzeile, Rückseite von St. Peter und Altem Rathaus.
Da ich ohnehin in die Lebensmittelabteilung des Kaufhauses am Marienplatz wollte, sah ich mich auch dort im Obergeschoß nach der verflixten schwarzen Cordhose um, für die noch vor drei Monaten zuvor so viel Werbung in alle Online-Kanäle geschossen worden war.
Und weil ich auch dort nichts dergleichen sah, recherchierte ich daheim halt online – aber meine Kombination von Kriterien ist wohl aus: Meine Größe, keine reine Kunstfaser, Breitcord, schwarz, weites Bein (von mir aus mit Bundfalten), Bund mit Knopf/Reißverschluss/Gürtelschlaufen (also kein Gummibund oder wie ich lernte: “Jump-In-Modell”). Dass ich die vor Kauf gerne anprobiert hätte, strich ich halt von der Wunschliste. Schließlich fand ich sogar eine wie aus der Werbung vor drei Monaten in meiner Größe, jetzt bin ich gespannt, ob sie passt.
Weiterhin stellte sich keine Schwimmlust ein. Statt ins Olympiabad zu fahren, machte ich also Herrn Kaltmamsell und mir einen weiteren Milchkaffee und las im Wohnzimmer, das von fahler, schräger Wintersonne beleuchtet wurde. Das bereitete mir Freude, das Umplanen war eine gute Entscheidung gewesen.
Frühstück um halb zwei: Äpfel, (geschmacksneutrale) gelbe Kiwi, Roggenvollkornbrot mit Butter und Zwetschgenmus.
Lesenachmittag, mal am Tisch vorm Rechner, mal mit Kindle auf dem Sofa. Unter anderem Orbital von Samantha Harvey ausgelesen. Hm. Es muss enorm Spaß gemacht haben, für diesen Roman um eine sechsköpfige Besatzung der ISS und ihren Alltag zu recherchieren und ihn zu schreiben. 24 minutiös beschriebene Stunden, in denen wir in personal erzählten Abschnitten die einzelnen Menschen auch ein wenig kennenlernen, in denen die Erzählinstanz lyrische Gedanken über DIE ERDE ausbreitet.
Zu lesen fand ich den Roman aber nicht so interessant, es passiert halt nichts – auch wenn ein Tornado, den die Astronaut*innen beobachten, sowas wie einen Spannungsbogen reinbringen soll.
Wegen des ausgefallenen Schwimmens fühlte ich mich nicht genug gereinigt: Nach einer Einheit Yoga-Gymnastik ließ ich mir ein rares Vollbad ein – und erinnerte mich an eine Vitamin-C-Gesichtsmaske, die ich mal im BodyShop geschenkt bekam. Für die Zeit im heißen Wasser der Wanne legte ich mir also ein nasses Papier mit Augen- und Mundlöchern aufs Gesicht (eine andere Gelegenheit als Vollbad kann ich mir für sowas nicht vorstellen).
Mit Herrn Kaltmamsell marschierte ich durch weiterhin frostige Luft zum Haxengrill hinterm Alten Rathaus, wo unsere Freunde schon auf uns warteten. Den Tisch zu bekommen, muss ein echter Kampf gewesen sein, das Lokal ist durchgebucht. So aber freuten wir uns auf das Wiedersehen seit viel zu lange und auf einen Fleisch-Abend.
Der Service hatte unser Herz, noch bevor wir uns setzten: Der begleitende Hund bekam ohne Bestellung als Allererstes einen Wassernapf serviert. Diese Aufmerksamkeit zog sich durch den ganzen Abend. (Ein wenig anstrengend war allerdings der sehr laute Raum, wir konnten uns nur mit erhobener Stimme unterhalten.)
Herr Kaltmamsell und ich fingen mit dem Kopfsalat-Kopf für zwei an: Gut!
Da ich Schweinshaxe hin und wieder im Biergarten esse, bestellte ich eine Portion Kalbshaxe: Exzellentes Fleisch, großartige Sauce, guter Wirsing mit Biss, nur der Semmelknödel war für meinen Geschmack zu kompakt (die Schweinshaxe sieht man gegenüber, sie wurde als “die beste seit Jahren” gelobt mit Schwerpunkt auf wirklich röscher Kruste). Dazu trank ich ein wenig ins Augustiner-Sortiment hinein: Je eine Halbe Dunkles, Edelstoff, Alkoholfreies, für dieses Abend genau richtig.
Ich hatte sogar noch Kapazität für Nachtisch (als einzige am Tisch).
Apfelstrudel, an dem mich vor allem die offensichtlich selbstbereitete Vanillesauce (also mit Ei, nicht aus dem Packerl) begeisterte. Ein schöner Abend.
§
Wahrscheinlich wirklich nur interessant für Menschen, die zum Jahreswechsel 1999/2000 (dem ersten, den ich in München erlebte) breits Nachrichten verfolgten: Der Guardian analysiert die Panik vor dem Y2K-Chaos vor 25 Jahren.
“‘All people could do was hope the nerds would fix it’: the global panic over the millennium bug, 25 years on”.
After 25 years, it might be hard to recall just how big a deal the bug – now more commonly called Y2K – felt then. But for the last few years of the 90s, the idea that computers would fail catastrophically as the clock ticked over into the year 2000 was near the top of the political agenda in the UK and the US. Here was a hi-tech threat people feared might topple social order, underlining humanity’s new dependence on technological systems most of us did not understand. Though there are no precise figures, it’s estimated that the cost of the global effort to prevent Y2K exceeded £300bn (£633bn today, accounting for inflation).
(…)
Curiously enough, to this day experts disagree over why nothing happened: did the world’s IT professionals unite to successfully avert an impending disaster? Or was it all a pointless panic and a colossal waste of money? And given that we live today in a society more reliant on complex technology than ever before, could something like this happen again?
Unter anderem mag das Thema ein frühes Beispiel dafür sein, dass populistisch gedrehte Medienthemen das Vertrauen in Wissenschaft beschädigen, deren Fakten zur Heraufbeschwörung von Horroszenarien missbraucht werden. Denn auch wenn Expert*innen wussten, dass das Risiko gering war und Sicherheitsmaßnahmen ergriffen wurden, fragten Medienschaffenden sie halt typischerweise: “Was ist das Schlimmste, das passieren kann?” Und die Fachleute antworteten fachgerecht.1 Ihre Antwort auf die Frage: “Wie groß ist denn die Gefahr?” (“Klein.”) wäre zu wenig schlagzeilenträchtig gewesen.
The problem is, it’s impossible to prove why something didn’t happen.
(…)
Still, when asked whether we learned our lessons from Y2K, every person interviewed for this piece gave the same answer: no. While our IT systems may be more robust today (and even this is a point of contention), we have not learned how to communicate more judiciously about technology. “Every new thing is hailed as if it’s going to either save the world or destroy it,” Loeb says. “What gets lost is the complexity of what’s happening in between.”
§
Aufschlussreiches Interview mit Piotr Cywiński, dem Direktor der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau (€):
“80 Jahre Befreiung des KZs:
‘Auschwitz ist viel näher, als es scheint'”.
Worum geht es in Ihrer Arbeit hauptsächlich? Um die Vermittlung des Holocaust oder eher um das Gedenken an die Opfer?
Um beides. Unsere Gedenkveranstaltungen erwecken weniger Aufmerksamkeit, je mehr Zeit vergeht. Dem wirken wir entgegen. Das Ziel ist es, bei unseren Besuchern das Bewusstsein zu wecken für das, was passiert ist. Denn nichts ist für immer gewonnen. Wenn ich an Tagungen teilnehme, geht es mir um das Gefühl der Verantwortung, um die moralische Besorgnis über die eigenen Entscheidungen. Wenn Sie diese moralische Angst bei Ihren eigenen Handlungen nicht spüren, dann hat die Erinnerung an Auschwitz nichts gebracht.
(…)
Die letzten Überlebenden von Auschwitz sind wichtige Zeugen, die bestätigen können, dass es Auschwitz tatsächlich gegeben hat. Wie bereiten Sie sich auf die nahe Zukunft vor, wenn es keine Zeugen mehr geben wird?
Die Überlebenden haben ihren Job gemacht. Sie haben Tausende Bücher publiziert und Zeugnis abgelegt. Sie haben mit jenen Menschen gesprochen, die über Auschwitz reden wollten, sie haben ihr ganzes Leben der Erinnerung gedient. Es ist Zeit, dass wir erwachsen werden und uns selbst um diese Geschichte kümmern. Auch wenn das nicht einfach wird. Es ist unsere Geschichte, unsere Verantwortung. Wir können nicht mehr nur den Überlebenden zuhören.
§
Malte Welding fasst einige seiner Beobachtungen als Vater zusammen:
“Vier Kinder”.
via @texasjim
- Gestand das nicht mal ein Wissenschaftsjournalist? Dass er in Interviews oder auf Pressekonferenzen, deren Themen er nicht wirklich begriff, einfach frage: “Was ist die schlimmstmögliche Folge?” – um Stoff für Berichterstattung zu bekommen? [↩]
4 Kommentare zu „Journal Samstag, 4. Januar 2025 – Wohnen, Lesen, Fleischessen“
Beifall spenden: (Unterlassen Sie bitte Gesundheitstipps. Ich werde sonst sehr böse.)
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5. Januar 2025 um 14:37
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Gerne gelesen
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5. Januar 2025 um 19:12
Lustig, der Millenniumsbug war mir vor einigen Tagen auch wieder eingefallen. Ich wäre in dem Zusammenhang aber nie auf “Populismus” als Erklärung gekommen, fand die unklare Lage mangels Präzedenzfall damals logisch. Die Bezeichnung “Y2K” war komplett aus meiner Erinnerung verschwunden.
5. Januar 2025 um 23:37
Ich bewunderte grad diese enorme Menge an Soße unter den Haxen. Viele Restaurants sind da ja eher geizig was die Soßenmenge angeht, von den griechischen vielleicht mal abgesehen. Für mich gibt es aber niemals zu viel Soße.
6. Januar 2025 um 9:35
Damals bin ich über den Datumswechsel geflogen und musste ernsthaft vielen Menschen glaubhaft versichern, dass wir um Mitternacht nicht einfach vom Himmel fallen werden.