Journal Sonntag, 5. Januar 2025 – #WMDEDGT
Montag, 6. Januar 2025 um 7:13Freier Tag, ich kann die Nachwelt wieder bereichern durch meine Teilnahme an Frau Brüllens #wmdedgt – “Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?”. (Weil das später mal eine einzigartige Materialsammlung für Kultur- und Gesellschaftsgeschichte ist.)
Das nächtliche Wetter verlief erstaunlich präzise wie vorhergesagt: Beim Klogang wenig nach Mitternacht schneite es dick, es lagen bereits einige Zentimeter (die zweimal lärmend geräumt wurden), bei Aufstehen am dunklen Morgen regnete es, das Tageslicht machte Tropfen an dem Bäumen sichtbar. Ich hörte die Räumfahrzeuge zum dritten Mal durchlärmen. Nächste Lärmrunde: Der im Regen schmelzende Schnee auf den Wegen des Parks gegenüber wurde geräumt.
Ich hatte einen Laufrunde geplant und freute mich sehr auf diese Draußenbewegung. Doch der Regenradar war eindeutig: Auf Stunden keine Regenpause absehbar, zudem waren matschige Wege wahrscheinlich. Vielleicht illustriert das meinen Bewegungsdrang, der die Grundlage meiner “Sportlichkeit” ist, die von Dritten gern und irrtümlich als “Disziplin” bezeichnet wird: Ich holte mir meine Laufrunde, wenn auch unter einigen Mühen.
Wieder bekam die neue Laufregenjacke ihren Einsatz, ich fuhr damit und mit Schirmmütze (Brillenschutz) zum Odeonsplatz und lief um den Hofgarten in den Englischen Garten. Schon nach wenigen Metern zeigte sich, dass die Herausforderung nicht in der Nässe von oben bestand: Die Wege waren in verschiedenem Maß rutschig, überall stand tief Wasser oder Schneematsch.
Es bestätigte sich wieder: Nur die erste Pfütze ist unangenehm. Wenn die Füße eh nass sind, machen die nächsten fast nichts mehr aus. Und das gute Mesh-Gewebe der Laufschuhe sorgt dafür, dass das Wasser nicht in den Schuhen steht, sondern abfließt.
Immer wieder musste ich mich an tieferes Atmen erinnern, bei dieser Glitschigkeit hielt ich verkrampft die Luft an. Meine Vernunft reichte sogar, auf den Aufstieg zum Monopteros und die Aussicht von dort zu verzichten, er würde zu gefährlich glatt sein.
An der Isar testete ich meine vertraute Strecke, doch nachdem ich mehrmals beim Ausrutschen fast gefallen wäre, kehrte ich um. Und verlegte mich auf geräumte gepflasterte oder asphaltierte Wege, Hauptsache griffig. So lernte ich mal wieder eine neue Strecke kennen.
Schöne Kunst am Bau in der Liebergesellstraße entdeckt – aber nicht herausgefunden, welcher Astronom hier dargestellt ist und warum (hat jemand eine Spur?).
Den Mittleren Ring entlang werde ich aber sehr wahrscheinlich unter normalen Umständen nicht nochmal laufen. Genau dieselbe Strecke nahm ich dann zurück. Und überlegte mal wieder Wohnungseinrichtungskonstellationen, die ein ästhetisch möglichst wenig störendes Aufstellen eines Crosstrainers einschließen, der bei einem Wetter wie dem gestrigen die deutlich lieber Variante Bewegungsdrangausleben gewesen wäre.
Goose crossing. Selbst die Gänse schritten im Gänsemarsch vorsichtig.
Das letzte Rutsch- und Wasserstück im Englischen Garten ersetzte ich allerdings durch den Gehweg die Ludwigstraße entlang zum Odeonsplatz.
Fazit: Die neue Regenjacke tut ihren Job super, hilft aber nicht gegen Matsch von unten. Daheim versuchte ich so wenig Nässe wie möglich in der Wohnung zu verteilen, bis ich es in die Dusche schaffte.
Vor Frühstück brühte ich mir noch eine große Tasse Filterkaffee auf, der mir gesüßt und mit Milch ausgezeichnet schmeckte. Kurz vor zwei gab es dann Äpfel, zwei verschiedene Sorten – und ich war mal wieder geflasht, wie unterschiedlich sie schmeckten und sich kauten; inzwischen erscheint es mir als immer größerer Frevel, Obst zu Smoothies zu vereinheitlichen anstatt seinen Eigengeschmack zu genießen. Außerdem frühstückte ich Roggenvollkornbrot mit Butter und Zwetschgenmus.
Ich nutzte das Tageslicht für Bügeln mit Musik.
Dann fasste ich mir ein Herz und sah in den beruflichen E-Mail-Eingang (am montäglichen Feiertag würde ich nicht dazu kommen) – was dann unerwartet wenig schlimm war! Über die Weihnachtsferien hatte tatsächlich fast niemand gearbeitet, ich wusste jetzt aber über zwei Dinge Bescheid, und sah neben den bereits bekannten nur zwei kleine neue Jobs für den Dienstagmorgen. Erleichterung.
Eine Einheit Yoga-Gymnastik (derzeit habe ich den Eindruck, bei jeder Einheit Rückschritte zu machen, egal ob in Kraft, Stabilität oder Gelenkigkeit), Vorbereitungen Heilig-Dreikönig-Essen bei Schwiegers. Zum einen erstellte ich eine Tomatensauce wie hier, zum anderen eine italienische Riesenroulade Farsumagru wie hier – nur dass ich beim Fleischkauf an einen wenig geschickten Metzger geraten war: Die Riesenroulade war ungehobelt geschnitten, sehr unregelmäßig dick und mit Löchern, das konnte ich mit dem Fleischklopfer nicht ausgleichen. Im Endergebnis war der Braten derart geflickt mit Zahnstochern, dass er an einen Heiligen Sebastian erinnerte. Kühlgestellt bis zum nächsten Tag.
Fürs Nachtmahl sorgte wieder Herr Kaltmamsell:
Hummus, spannend gewürztes Dhal, Ernteanteil-Kartöffelchen aus dem Speisefön mit Lime Chutney – das zufällig vegane Gegenprogramm zum Vorabend im Haxengrill.
Schreck beim Essen: Der Strom in der gesamten Wohnung fiel aus. Das Treppenhaus war nicht betroffen, Klingeln bei der Nachbarin ergab, dass auch sie keine Probleme hatte. Wir gruben uns durch Bücher zum Sicherungskasten durch: Die Hauptsicherung war rausgeflogen, ließ sich auch nicht zurückschalten. Das musste an einem Elektrogerät liegen, Herrn Kaltmamsell fiel ein, welches wir gestern unüblicherweise genutzt hatten: den Airfryer, unseren Speisefön. Sobald der ausgesteckt war, konnte ich die Sicherung wieder aktivieren. Die Recherche, ob der Vorfall vom Gerät selbst oder von der (sonst nie genutzten) Steckdose ausgelöst wurde, verschoben wir.
Nachtisch Viallini (Weihnachtsgeschenk, köstlich!) und Pralinen. Früh ins Bett zum Lesen.
§
“Housing first” hat sich als wirkungsvolles Mittel gegen Obdachlosigkeit erwiesen – das wusste ich. Woher der Grundgedanke kommt und dass das Konzept bereits in den 1980ern entwickelt wurde, war mir nicht klar. Wie so vieles andere darüber, das Manuela Heim für die taz recherchiert hat:
“Eine moralische Verletzung”.
Housing First sollte den Umgang mit Obdachlosen revolutionieren. Nun gilt das Konzept in seiner Heimat als gescheitert.
die Kaltmamsell
9 Kommentare zu „Journal Sonntag, 5. Januar 2025 – #WMDEDGT“
Beifall spenden: (Unterlassen Sie bitte Gesundheitstipps. Ich werde sonst sehr böse.)
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6. Januar 2025 um 8:32
Ihre Deutung von “Disziplin” als “Drang” gefällt mir und lässt sich bestimmt auf andere Bereiche übertragen. Mich irritiert es auch immer, wenn ich für eine Sache gelobt werde, bei der ich nur meinem inneren Drang gefolgt bin.
Umgekehrte Beobachtung: Für die Dinge, die einen echte Überwindung und Schweiß gekostet haben, um sie halbwegs gut hinzubekommen, auf die man also wirklich und zu Recht stolz ist, wird man NIE gelobt.
6. Januar 2025 um 10:15
Dass die Obdachlosigkeit vor allem psychische kranke Menschen betrifft, ist beschämend für uns als Gesellschaft. Wenn wir uns nicht mehr um die Ärmsten der Armen kümmern aus reiner Mitmenschlichkeit, was sind wir dann?
(Danke für den Artikel)
6. Januar 2025 um 10:41
Vielleicht ist dieser Astronom gemeint?
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Johann_von_Lamont
Schöne Grüße
Simone
6. Januar 2025 um 17:35
In meinem Kartoffelkombinatshaushalt gibt es jetzt auch einen Speiseföhn! Würden Sie mir daher verraten: hat Herr Kaltmamsell die Kartöffelchen vorgekocht oder roh geföhnt?
6. Januar 2025 um 19:08
Danke für den Link zu taz. Wir ziehen demnächst mit dem Büro um und eines der neuen Gebäude wird eine Unterkunft für Housing First sein.
Ich habe mich ja mal eine zeitlang in der Obdachlosenarbeit ehrenamtlich engagiert und bin sehr gespannt auf die neue Nachbarschaft einer Obdachlosentagesstätte (eben jene, in der ich selber ehrenamtlich tätig war) und dem Housing First Projekt.
6. Januar 2025 um 20:17
Er hatte sie nicht vorgekocht, Anette.
6. Januar 2025 um 22:23
Ich schnalle mir dann immer Spikes unter die Laufschuhe, damit kann man selbst auf blankem Eis laufen.
So Gummiteile mit kleinen Spikes unter dem Vorderfuß reichen fürs Laufen völlig aus.
Beim Gehen braucht man dann eher auch welche unter der Ferse. Eine für mich neue Erkenntnis dank Hund, sonst bin ich nie spazieren gegangen.
7. Januar 2025 um 6:55
Dankeschön!
7. Januar 2025 um 9:21
Falls Sie eine ästehtisch wenig störende Aufstellung für einen Crosstrainer gefunden haben und sich auf die Suche nach einem machen wollen: ich habe einen in Sendling übrig und könnte Ihnen den gerne abgeben.