Archiv für Februar 2025

Lieblings-Breviloquia* Februar 2025

Freitag, 28. Februar 2025

Auf Mastodon:

Auf Bluesky:

*”Breviloquia” erscheint mir ein deutlich praktischerer Begriff als Microblogging-Posts, siehe entsprechenden von gestern.

Journal Donnerstag, 27. Februar 2025 – Von Alltag bis Hupfkastl

Freitag, 28. Februar 2025

Gut geschlafen, kurz vor Weckerklingeln aufgewacht.

Zu meiner Überraschung tagte es wolkenlos, wundervolles erstes Sonnenlicht auf meinem Weg in die Arbeit bei deutlichem Frost.

Das angekündigte ungemütliche Wetter kam mit Verspätung: Der Himmel zog komplett zu, mittags begann Regen. Da war ich zum Glück bereits von meinem Mittagscappuccino im Westend zurück.

Zu Mittag gab es eingeweichtes Muesli mit Joghurt; untergemischt hatte ich auch ein wenig Zitronat- und Orangeatreste von der Weihnachtsbäckerei: Eine ausgezeichnete Idee, das Muesli schmeckt sehr fruchtig.

Ein seltsamer Arbeitstag war das gestern, auch weil ich nicht allein im Büro saß.

Heimweg im Trockenen aber in winterlicher Kälte über ausführliche Lebensmitteleinkäufe, unter anderem für den Freitagabend vor langem Faschingswochenende, den ich allein feiere.

Zu Hause war noch Zeit für eine längere Folge Yoga-Gymnastik vor ersten Handgriffen fürs wochenendliche Brotbacken. Dann servierte Herr Kaltmamsell denn viel befreuten Spinat aus Ernteanteil (Frischzeug!) als spanisches Gericht mit Kichererbsen (aus Immer schon vegan von Katha Seiser).

In einem weißen tiefen Teller eine Suppe aus Spinatblättern und Kichererbsen in roter Brühe

Ganz wunderbar. Nachtisch Schokolade.

Früh ins Bett zum Lesen.

§

Nicht mehr taufrische News, rechtzeitiges Veröffentlichen vergessen:
Unser Kartoffelkombinat ist eine der beiden ersten Slow Food Farms in Deutschland!

§

Interessante Details, warum viele Auslandsdeutsche zu spät ihre Briefwahlunterlagen bekamen – es scheint wohl hauptsächlich am individuellen Vorgehen der Kommunen gelegen zu haben:
“Schlechte Vorbereitung und Schneckenpost”.

§

Hupfkastl gehörte zu meinen Lieblinsspielen in der (eher späteren) Kindheit – auch wenn meine Spielkamerad*innen und ich nie rausfanden, worin das Spiel außer dem Hüpfen bestand und warum Ziffern auf den Feldern standen. Über Letzteres waren wir uns einig, in dieser Reihenfolge war ein Steinderl aufs Feld zu werfen, das beim Zurückhüpfen aufgehoben werden musste – aber uns fiel keine Regel ein, die das irgendwie in Punkte umsetzen würde (Kinderspiele bestanden bei uns vielen Kindern im Wohnblock meiner Erinnerung nach zu einem großen Teil im Aushandeln von Regeln). Egal, hier ein wundervolles Beispiel – ob das vor unserem Haus in der Innenstadt funktionieren würde?
(Zudem ein schönes Beispiel, wie unterschiedlich arabische Ziffern in westlichen Kulturen geschrieben werden.)

Journal Mittwoch, 26. Februar 2025 – Zsuzsa Bánk, Der Schwimmer

Donnerstag, 27. Februar 2025

Zsuzsa Bánk, Der Schwimmer ist ein seltsames Buch (ich konnte mich nicht mehr erinnern, wie ich draufgekommen war). Eine Mutter geht weg von ihre Familie mit zwei Kindern auf dem Dorf, beide noch recht klein. Die Geschichte wird aus der Perspektive des älteren Kinds erzählt, fast ohne Filter der späteren Erwachsenenperspektive, lediglich mit erwachsener Sprache. Sie hat einen kleinen Bruder, Isti. Schnell ist klar, dass wir uns in Ungarn befinden, doch ich brauchte eine ganze Weile, bis ich die Geschichte zeitlich einordnen konnte (mag an meinem mangelnden Wissen über Ungarn und seine Nachkriegsgeschichte liegen – oder daran, dass ich keine Klappentexte von Büchern lese). Die Mutter ist wohl vor nach der Niederschlagung des ungarischen Volksaufstands 1956 in den Westen geflohen, mit nichts als was sie am Leib trug.

Die Erzählstimme bleibt ganz nah an der Erzählgegenwart, in der der Vater der beiden mit seinen Kindern das Dorf verlässt, erst zu Verwandten nach Budapest geht, dann zur Großmutter der Kinder in einem anderen Dorf, dann wieder zu entfernteren Verwandten an einem sehr großen unbenannten See. Er kümmert sich kaum um die beiden. Der kleine Isti lernt im See schwimmen, ist begeistert davon, wird zum Schwimmer des Romantitels. Einmal kommt die Großmutter zu Besuch, sie erzählt anhand von Briefen der Mutter aus dem Westen, wie sie mit einer Freundin fortgegangen ist, was sie erlebt hat, wo sie arbeitet.

Die Perspektive des Kindes bedeutet auch, dass nichts erklärt wird, keine Zusammenhänge, ob historisch, technisch, geografisch oder gesellschaftlich – außer eine der Figuren sagt sie explizit, doch diesen Kindern wird fast nie etwas erklärt. Das ist erzähltechnisch konsequent, macht die Atmosphäre fast märchenhaft, löste aber bei mir den Wunsch nach einem Begleitheft mit weiterführenden Informationen aus – und sei es über den Weinanbau am Balaton. Es gibt keinen Spannungsbogen, nur eine Aneinanderreihung von Erlebnissen, aus denen das Leben der Erzählerin besteht; die Kapitel sind mit Namen der Personen überschrieben, die darin im Mittelpunkt stehen. Wir erfahren viel darüber, wie der kleine Isti all das verarbeitet, aber kaum etwas über die Gefühle seiner großen Schwester Kata. Von Schulbesuchen ist nie die Rede. Der Roman hinterlässt mich recht ratlos.

Kleine orthografische Eigentümlichkeit: Es wird immer kk statt ck geschrieben.

§

Eigentlich eine gute Nacht, doch nach dem Klogang um fünf schlief ich nicht mehr ein, obwohl noch sehr müde.

Beim Marsch in die Arbeit unter gemischtem Himmel merkte ich erst an der zweiten Ampel, dass es recht frisch geworden war und setze mein Stirnband auf.

Am Schreibtisch erstmal Dinge weggeschafft, dann gab es eine interne Info-Veranstaltung aushäusig im Backstage, zu der ich marschieren konnte, hin und zurück in kühler, aber angenehmer Luft.

Mittags zurück im Büro schaufelte ich das zwischenzeitlich Reingekommene weg, mehrsprachig (in meiner Arbeitswelt die große Ausnahme).

Als Mittagessen gab es selbstgebackenes Brot und die vorerst letzte Orange – die sauerste der gesamten süßen Lieferung.

Emsiger Nachmittag. Einmal hörte ich
*popp* *popp-popp* *popp* *popp* *popp* *popp-popp*
Ich schaue aus dem Fenster und sah einen jugendlichen Burschen vorbeigehen: Selbstverständlich kann man einen Basketball nicht anders transportieren, weiß ich doch.

Heimweg nach Feierabend ohne Umwege. Nach meiner Yoga-Gymnastik servierte Herr Kaltmamsell Sauerkraut und Kartoffeln aus Ernteanteil so:

Gedeckter Tisch  mit grünen Sets, darauf Glasteller mit Bratwurst, Kartoffelpü und Sauerkraut, dazwischen zwei Gläser Senf

Gut! Nachtisch Schokolade.

Wieder war ein bestelltes Buch genau zum richtigen Zeitpunkt in der Münchner Stadtbibliothek verfügbar: Im Bett begann ich die Lektüre von Rebecca F. Kuang, Yellowface, gleichmal sehr süffig.

§

Diesmal ist es nicht Trump in den fernen USA, sondern die eben am meisten gewählte Partei in meiner Bundesrepublik Deutschland. Und ich überlegte durchaus erstmal, ob der Protest dagegen eine Überreaktion ist (ich bin des Protestreflexes so müde!). Ergebnis: Nein, ist es nicht. In meinem Sichtfeld war es der damalige CSU-Generalsekretär und heutige Bayerische Staatsminister für Wissenschaft und Kunst Markus Blume, der 2018 erstmals das Trump-Playbook in Reinform nachspielte, nämlich einfach das Gegenteil der Tatsachen als Realität zu behaupten: Als er die Demo gegen Hass und Hetze kurzerhand zu einer Hass-Aktion umdefinierte (entsprechende Plakate auf Kleinlastern entlang der Demo-Strecke, mir blieb kurzzeitig die Luft weg).

Davon haben seine Partei-Kollegen gelernt, das zeigten die Wahlkampf-Behauptungen von Friedrich Merz. Und so stellt die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag eine Kleine Anfrage “Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen”. Der deutsche Journalistenverband nennt sie “551 Messerstiche ins Herz der Demokratie”. Nicht nur dieses seriöse Medium beleuchtete die Tatsachen zu Förderprogramme und Gemeinnützigkeit, hier die Erklärungen auf tagesschau.de (“Müssen NGOs politisch neutral sein?”) und beim Bayerischen Rundfunk (“‘Retourkutsche’ nach Demos? CDU/CSU und die NGO-Finanzfrage”).

Nachtrag: Es gibt eine offizielle Bundestags-Petition “Sicherstellung einer langfristigen ausreichenden Finanzierung für zivilgesellschaftliche Initiativen”. Sie wurde bereits am 19. Januar 2025 gestartet, wohl aus tiefer Kenntnis der Lage. Die Mitzeichnungsfrist läuft noch bis zum 1. April, ich habe gleich mal mitgezeichnet.

Journal Dienstag, 25. Februar 2025 – Ein Feuerwerk der Belanglosigkeiten

Mittwoch, 26. Februar 2025

Leicht unruhige Nacht.

Marsch in die Arbeit wieder in milder Luft, diesmal aber unter bedecktem Himmel.

Emsiges Abarbeiten von Dingen, bevor mich Besprechungen belegten (darunter eine, in der aus Gründen das Ergebnis der Bundestagswahl aus einer bestimmten Fachsicht eingeordnet wurde – das tat in seiner geballten Sachlichkeit ohne Prognosen, Bewertung oder Spekulation ungeheuer gut).

Spät schoss ich auf einen Mittagscappuccino ins Westend, jetzt zeigte sich sogar die Sonne. Wegen Arbeitsdrucks schoss ich auch zurück. Verspätetes Mittagessen: Sellerielinsen vom Vorabend, Orangen.

Auf Mastodon heiterer Austausch unter Wahlhelfenden zu Wahlabläufen in Berlin, Hamburg, Erlangen, München. Interessant natürlich die Unterschiede, so werden in Hamburg und Erlangen die Wahlbenachrichtigungen einbehalten und zum Gegenrechnen gezählt (in München geben wir die den Leuten wieder mit: Sie sind im Wählerverzeichnis abgehakt, wer abgehakt ist, darf nicht mehr wählen). Unterschiede natürlich nur in der Organisation des Ablaufs, Gesetzesbasis ist ja überall gleich.

Als ich nach Feierabend das Bürohaus verließ, sah ich nassen Boden – den Regen hatte ich nicht mitbekommen. Diesmal ein größerer Einkaufsumweg: Ich nahm eine U-Bahn zum Ostbahnhof, um bei Mittemeer Spanisches zu besorgen.

Fotoautomat vor rot gefliester Wand

Im Ostbahnhof-Durchgang unter den Gleisen Stopp mit quietschenden Sohlen: Ein Fotoautomat! Endlich hatte ich die Gelegenheit, mein Fotoprojekt weiterzuführen (seit fast 20 Jahren Fotoautomataufnahmen – geplant monatlich, tatsächlich alle paar Monate, Ziel ist Alterungsdokumentation mit festen Parametern). Das hier war eine neue Technik-Generation mit Bezahlmöglichkeit ohne Bargeld (der Kampf mit dem Einlesen meiner Mastercard setzte die Tradition der Probleme mit Münzen fort, ich schaffte es letztendlich mit Handybezahlung), vier verschiedenen Aufnahmen (die alten Automaten hatten zwar vier Aufnahmen erstellt, doch ich musste mich für eine davon entscheiden, die viermal gedruckt wurde) und für 5 Euro statt vorher 3,50 Euro – was ich als erste Preiserhöhung in 20 Jahren wirklich in Ordnung finde.

Vier verschiedene Automatenfotos einer Frau mit kurzen weißen Haaren und Brille

Hurra!

Bei Mittemeer bekam ich nicht nur die geplanten Lebensmittel, sondern auch das Peperoncino-Öl, das ich in den vergangenen Wochen vergeblich gesucht hatte.

Daheim nahm ich mir noch die Zeit für Häuslichkeiten und Yoga-Gymnastik, dann servierte Herr Kaltmamsell Kartoffeln und Petersilienwurzeln aus Ernteanteil mit Schälerbsen und Räuchertofu (Alnatura-Eigenmarke – nicht gut, weil muffig) als Eintopf – gutes Abendessen! Nachtisch Schokoladen-haltige Süßigkeiten.

Nicht nur nachts müffle ich, derzeit habe ich wieder eine (wahrscheinlich hormonell bedingte) Stinkphase: Selbst mit allerstärkstem Deo und in allerfrischestem Oberteil bemerke ich innerhalb von Minuten stechenden Schweißgeruch. Wenn Sie als unangenehm empfinden, mit einer anderen schweißelnden Person die Atemluft zu teilen (tue ich zum Beispiel) – dann stellen Sie sich mal vor, wie es ist, selbst die Quelle zu sein. Nicht schön. Ich werde ganze Stapel Oberteile 24 Stunden in Wäschedesinfektion einweichen müssen.

Journal Montag, 24. Februar 2025 – Milde Luft und Wahlfolgen

Dienstag, 25. Februar 2025

Unruhige Nacht: War zu erwarten nach der Aufregung am Vorabend, zusätzlich hatte eine Männergruppe große Gaudi um die Parkbank, die meinem Schlafzimmerfenster am nächsten liegt – ich musste das Fenster schließen.

Blick über eine große freie Fläcge auf ein historisches Säulengebäude in Morgensonne, im Vordergrund ein Straßenschild "Bavariaring"

Marsch in die Arbeit durch angenehme milde Luft.

Im Büro ergoss sich gleich mal ein Schwall Aufwändiges aus meinem elektronischen Postfach, jemand hatte das Wochenende durchgearbeitet. Außerdem bin ich die kommenden beiden Wochen wieder dran mit einem wechselnden Jour-Dienst, vor dem ich mich besonders fürchte. Die ersten Stunden am Schreibtisch war ich also in Panik-Modus, unangenehm. Neben dem Panik-Modus Müdigkeit und Kreuzweh, keine gute Kombination; ich nahm jede Gelegenheit wahr aufzustehen, rumzulaufen, irgendwas körperlich zu tun.

Die meiste Zeit hatte ich mein Bürofenster gekippt, um mir Frühlingsluft einbilden zu können (ist definitiv noch nicht so weit). Und meinen Mittagscappuccino holte ich mir zwar nur in der Nachbarcafeteria, marschierte anschließend aber noch eine Runde um den Block mit offenem Ledermantel.

Als Mittagessen gab’s später einen Kanten Brot und zwei Orangen. Der Arbeitsnachmittag verlief geordneter.

Heimweg über ein paar Edeka-Einkäufe, es war noch milder geworden.

Zu Hause Wäschewaschen, Yoga-Gymnastik, Brotzeitvorbereitung. Zum Nachtmahl hatte Herr Kaltmamsell den restlichen Ernteanteil-Sellerie mit Linsen und Tomaten zu einem Auflauf verarbeitet, durchaus schmackhaft. Ich reichte dazu eine Schüssel Endiviensalat mit Himbeeressig-Dressing. Nachtisch Schokolade.

Endlich die Anfrage für meine diesjährige Oktoberfestflucht abgeschickt, ich möchte in den englischen South Downs wandern und anschließend eine Woche in Brighton verbringen. Laut meinen Recherchen sollten diesmal An- und Abreise per Zug supereinfach sein, doch noch war ich auf keiner tatsächlichen Buchungs-Webpage.

Früh ins Bett zum Lesen.

§

Wahlergebnis München (ich näherte mich vormittags dem Schlimmen von der Seite des wahrscheinlich weniger Schlimmen):
– Bei der Erststimme haben die Grünen sogar ein Plus, aber Zweitstimmenzuwachs für AfD sogar hier bei 4,8 Prozentpunkten (ebenso wie bei der Linken).
– FDP minus 5,5 Prozentpunkte bei Erststimme, minus 7,6 bei Zweitstimme (praktisch nachträglich aus dem Bundestag gekickt)

Jetzt traute ich mich, auf die bundesweiten Ergebnisse zu schielen: Die befürchtete Verdoppelung der destruktiven Anwesenheit von Rechtsextremisten im Bundestag war eingetreten, doch die Mehrheitsverhältnisse sahen zu meiner Erleichterung nach einer baldigen Regierungsfähigkeit aus, noch ein Glück (und wir wissen, was die Tante Jolesch über noch ein Glück gesagt hat). Inniger Wunsch, dass die Medien für welche Regierungskoalition auch immer sich jetzt ergibt nicht wieder bescheuerte Bilder wie “Ampel” verwenden.

Und so fühlte ich mich gut über den Wahlausgang informiert, vermisste keines der Informationsangebote ab erster Hochrechnung (Interviews/Talkrunden mit Politiker*innen sind ja eher Emotionsangebote, wenn ich die Reaktionen in meinem Internet so ansehe).

§

Auch eine Wahlhilfe-Erfahrung:

Was mir klar wurde: sobald diese Leute an der Macht sein werden, machen sie Ernst. Und sie gingen davon aus, dass wir so handeln wie sie handeln würden. Dass wir die Wahl manipulieren. Dass wir Stimmen nach dem Zählen austauschen, so wie sie es machen würden – denn sonst würden sie ja nicht annehmen, dass wir es täten.

Der ganze Text:
“Von sich auf andere”.

Deshalb ist es wichtig, noch so absurde Unterstellungen von Rechtsextremen ernst zu nehmen: Das sind in Wirklichkeit ihre eigenen Pläne.

Auch das Briefwahlauszählen war natürlich öffentlich, wir wurden in der Schulung auf Wahlbeobachter vorbereitet – zumindest an meinen Tisch/Raum kam niemand.

Journal Sonntag, 23. Februar 2025 – Zum ersten Mal briefwahlgeholfen

Montag, 24. Februar 2025

Eine Ursache des Speed-Müffelns meines Bettzeugs ist wahrscheinlich, dass ich derzeit viel schlafschwitze (als lebenslange Schlafschwitzerin kenne ich den Unterschied zum quälenden Wechseljahr-Schwitzen), selbst unter der neu entdeckten Schurwoll-Decke.

Früh aufgewacht. Seltsames Gefühl, an einem Wahlsonntag nicht kurz vor sieben das Haus zu verlassen zum Aufbauen im Wahllokal: Mein Dienst bei der Briefwahlhilfe begann erst um 14:45 Uhr. Deshalb hatte ich das Durcharbeiten der Schulungsunterlagen auch auf Sonntag verschoben.

Und ich hatte Zeit für einen Isarlauf, trat ihn allerdings früher als sonst an: Tram zum Tivoli, Lauf nach Norden isarabwärts.

Der Himmel trüb, die Luft eher mild, aber nicht erschreckend mild. Mein Körper spielte gut mit – bis auf die letzten 15 Minuten von 100, jetzt schmerzten Hüfte, linkes hinteres Bein.

Blick über eine Absperrung auf einen Bach, der über Steine in einen Fluss läuft, über dem Fluss auf Betonpfeiler eine Brücke

Fluss mit großen Steinen, am gegenüberliegenden Ufer kahle Bäume und ein Kirchturm

Tram zurück ans Sendlinger Tor, von dort spazierte ich weiter ins Wahllokal. Die Abläufe sind mittlerweile wohl wirklich über Schulungen standardisiert – ich hatte als Schriftführerin die alten Hasen zu fürchten gelernt, die als Vorsitzende ihre “Tricks, wie’s schneller geht” durchsetzten und damit alles durcheinander brachten.

Nach dem Duschen war Zeit für die Wahlhilfe-Unterlagen, ich fühlte mich als Schriftführerin halbwegs sicher, sogar dreiviertelwegs. Als Frühstück gab es ein mächtiges Käsebrot aus selbstgebackenem und zwei Orangen.

Frau mit weißen kurzen Haaren und Brille fotografiert sich im Dielenspiegel, trägt schwarzen Mantel, Jeans, blau-braune Lederschnürschuhe, eine halbrunde Tasche quer über den Körper aus hellem Leder und blauem Kunststoff

Ready for Briefwahlhelfen. Passender Anlass für den ersten Einsatz meiner neuen Tasche (von Zirkeltraining, aus alten Turnhallenmaterialien, ich wollte unbedingt ein Modell mit Turnmatte neben Bockspringleder, Circular Economy or what?). Ich nahm eine U-Bahn zum Georg-Brauchle-Ring, mein Einsatzort war das Berufsschulzentrum an der Riesstraße – und der von vielen, vielen anderen Wahlhelfenden auch, die weitläufige Anlage (Haus 1 bis 5) wurde emsig genutzt.

Ausschnitt aus einem Schulzimmer, im Vordergrund auf einem Tisch ein aufgeklappter Laptopn in einer Halterung, im Hinergrund weitere Tische und Stühle, an der gegenüberliegenden Wand eine Reihe Computerbildschirme

Mein Einsatzplatz als Schriftführerin.

Und dann tat ich, wofür ich geschult worden war, genoss die “Tischbetreuung” (IT- und sonstiger Service direkt vor Ort), lernte sieben Frauen verschiedenen Alters kennen, kam insgesamt mit allem gut zurecht. Kurz nach sieben gab es wie angekündigt die Nachlieferung an Briefwahlbriefen, auch für diese Handgriffe gab es eine Anleitung. (Einige Erlebnisse und erzählwürdige Anekdoten, vor allem menschlich, die hier halt nichts zu suchen haben. Aber auch deshalb empfehle ich Wahlhelfen von Herzen.)

Blick aus Fenster auf einen Basketballplatz in Abenddämmerung, dessen Boden hügelig ist, im Hintergrund Bürogebäude

Pause kurz vor sechs (Start Öffnung der Stimmzettel, davor hatte wir die Wahlbriefe auf Gültigkeit geprüft, die geschlossenen Stimmzettel-Umschläge der gültigen Wahlbriefe in die versiegelte Wahlurne geworfen), Gelegenheit für einen Blick nach draußen – hat man Basketballplätze jetzt so?

Wir kamen flott und professionell durch, 20:15 Uhr verabschiedeten wir uns bereits voneinander. Und nach ein wenig Warten auf die nächste U-Bahn kam ich noch vor neun nach Hause – wo Herr Kaltmamsell, gestern im Briefwahlhilfe-Einsatz an der Münchner Messe, schon seit einigen Minuten wartete, auch sein Team war gut durchgekommen.

Ich hatte ein wenig Brotzeit eingepackt gehabt, doch wie erwartet brachte ich in der Anspannung keinen Appetit auf. Jetzt aber hatte ich Hunger und aß einen Teller Orangenschwein vom Vorabend, dann noch Schokolade.

Von den Wahlergebnissen hielt ich mich gezielt erstmal fern, die würden mich am nächsten Morgen noch früh genug erwischen. Aufgekratzt ins Bett.

Journal Samstag, 22. Februar 2025 – Das Wochenende der Orange

Sonntag, 23. Februar 2025

Früh aufgewacht – Beschluss, das für meine Morgenpläne zu nutzen.

Nämlich:
1. Bettwäschewaschen inklusive Matratzenschoner, mittlerweile müffelte mein Bett bereits wenige Tage nach Frischüberziehen. Ich bin Bettmüfflerin, das liegt bei uns in der Familie, väterlicherseits. Ein weiteres Hindernis auf dem Weg zur glaubwürdigen Diva.
2. Brotbacken – und zwar ein so altes Rezept, dass es noch aus meiner allerersten Brotbackphase in den 1980ern stammte (die endete, als mein Vater vorsichtig fragte, wann es mal wieder richtiges Brot gebe): Ein Kartoffelbrot mit Roggenschrot. Aus Erfahrung weiß ich heute, dass grober Roggenschrot über Nacht kalt gewässert (oder in Sauerteig) wie im Rezept angegeben nicht weich genug wird; ich hatte ihn Freitagmorgen mit kochenden Wasser übergossen und so zwölf Stunden stehen lassen. Weitere Änderung auf Basis meiner Erfahrung: Hefezugabe deutlich reduziert, Verlängerung Stock- und Stückgare.

Auf einem runden Kuchengitter, das auf einer schwarzen Kochfläche steht: ein runder Laib Brot

Ging schön auf. (Meine Brote sehen alle gleich aus, ich muss den Schluss mal bei Stückgare oben lassen und einschneiden oder so.)

Schwimmpläne: Bis kurz vorher war ich unschlüssig, ob mir der Sonnenschein für eine (winterteure) Schwimmrunde im Dantebad reichte. Letztendlich entschied ich mich für drinnen und Olympiabad, genoss die milde Luft beim Hinradeln.

Blick durch eine offene Tür auf die gepflasterte Ebene über der Schwimmhalle, darin zwei Menschen an Stehtischen

Es war so mild, dass die Außentür zum Café über der Schwimmhalle offenstand.

Guter Schwumm, praktisch keine Geräteschwimmer*innen auf meiner Bahn, der Körper signalisierte allerdings, dass die Oberkörper-betonte Yoga-Einheit vom Vorabend (eagle arms zum Saufuttern) nicht die ideale Vorbereitung auf 3.000 Meter Kraul war.

Beim Eincremen und Anziehen hörte ich aus Nebenkabinen Gespräche auf Japanisch (zwei Männerstimmen) und Türkisch (zwei junge Frauenstimmen), freute mich an diesem München, hätte allerdings zu gerne verstanden, worum es ging – sicher ganz alltägliche Dinge, aber ebenso sicher aus einem anderen Alltag als meinem.

Mildes Heimradeln, an einer der vielen roten Ampeln an der Schleißheimer Straße nahm ich sogar das Stirnband ab.

Nahaufnahme aungeschnittener Laib Brot

Frühstück kurz vor zwei war restlicher Waldorfsalat vom Vorabend und Brot (Butter, Marmelade) – es schmeckte ok, der Roggenschrot innen war weich genug, aber halt an der Oberfläche wieder hart gebacken. Ich notierte auf dem historischen Rezept, dass es keinen weiteren Versuch wert ist, dazu habe ich zu viele erprobte und bessere Alternativen.

Nachmittag mit Lesen im meist sonnigen Wohnzimmer, darunter die Wochenend-Süddeutsche. Unter anderem wird ein Mann portraitiert, der seit 30 Jahren wahlhilft: “Ehrenamtliche Wahlhelfer gibt es kaum noch, die meisten sind im öffentlichen Dienst und bekommen die Arbeitsstunden gutgeschrieben.” Kaum noch? Stecke ich wieder in einer Wahrnehmungs-verzerrenden Blase, in meinem Sichtfeld werden es nämlich immer mehr? Und bei den jüngsten Einsätzen als Wahlhilfe bestanden die Teams immer zu mindestens der Hälfte aus Ehrenamtlichen.

Eintrag meiner Blogposts 2024 bei der VG Wort abgeschlossen.

Die schön mürben Ernteanteil-Äpfel verarbeitete ich zu Nachtisch, nämlich Apple Cumble mit gemahlenen Mandeln in den Streuseln. Während des Backens turnte ich Yoga-Gymnastik.

An diesem Wochenende sollten möglichste viele Orangen aufgebraucht werden, wir müssen sie täglich prüfen und entdecken immer welche mit Matschstellen. In den Drinks am Freitagabend waren sechs Stück verschwunden, die gestrigen Drinks Green Monkey beseitigten eine weitere, und für das Abendessen hatte ich Herrn Kaltmamsell schon im Januar ein Rezept aus dem SZ-Magazin angereicht: Ragout vom Schwein mit Orangen.

Aufsicht auf große tiefe Pfanne mit Sauce, darin Fleischstücke, halbe Orangenscheiben,Estragonbündel

Schmeckte wirklich gut! Keine Beilagen, im Glas den Kochwein, den Herr Kaltmamsell verwendet hatte (er hatte halb Brühe, halb Wein verwendet), ein italienischer Chardonnay, überraschend frisch. Nachtisch Apple Crumble.

Noch früher ins Bett zum Lesen.

§

Dank an @charmingLiisa für den Hinweis auf diesen Text der immer anregenden Mely Kiyak:
“Freiheit aus dem Tante-Emma-Laden”.

Dabei wäre gegen eine vertiefte politische Auseinander­setzung mit Migration, Flucht, Asyl überhaupt nichts einzuwenden, im Gegenteil, ist sie doch seit Jahrzehnten überfällig.

Meine Rede seit langem.

Wenn fremde Staaten in Deutschland das Gerücht verbreiten, dass eine vermeintlich ungezügelte Migration die Deutschen bedroht, dann wirkt diese Desinformation auf die demokratische Stabilität ähnlich verheerend wie eine Streubombe. Diktaturen und autokratische Führer haben das schon lange begriffen, sie sind Spezialisten darin, die Sicherheits­architektur ausländischer Staaten mit dem sehr simplen Mittel der Rhetorik zu lenken, indem sie in den sozialen Netzwerken Volkszorn simulieren – bis tatsächlich welcher entsteht. Man kann den Faschisten alles Mögliche vorwerfen, aber ganz sicher nicht, dass sie die menschliche Psychologie nicht begriffen hätten.

Gleichzeitig schreibt sie auch viele Ideen, auf die ich nie gekommen wäre, die ich aber sehr spannend finde, zum Beispiel eine digitale Wehrpflicht.

§

Ashifa Kassam hat sich für den Guardian die spanische Wirtschaftsentwicklung und Politik angesehen und identifiziert als Ursache für derzeit steigendes Bruttoinlandprodukt und niedrigste Arbeitslosenquote seit 2008 – TUSCH! – Offenheit für Einwanderung.
“How Spain’s radically different approach to migration helped its economy soar”.

Other factors are also at play. Spain’s abundance of wind and solar renewables has helped to keep energy relatively cheap while EU Covid recovery funds bolstered the economy and the socialist-led government ran a deficit to fund initiatives such as raising pensions and public sector hiring.

(…)

After years of watching the far right’s hardline views on migration become mainstream, analysts were swift to highlight how Spain was different. “One remarkable facet of Spain’s recent performance has been the role of immigration,” economists at JPMorgan noted in a recent research report. “2022 saw the highest net migration in 10 years, at close to three-quarters of a million individuals.”

§

“Deutschland verbraucht 17 % weniger Wasser nach AKW-Abschaltung”.
Inklusive schöner (und halt anstrengender) Aufschlüsselung, wie man sowas berechnet.