Journal Samstag, 12. April 2025 – Kurze Haare, neue Wanderroute von Herrsching nach Tutzing, Nachdenken über Brotzeitbrettl
Sonntag, 13. April 2025 um 9:57Nicht ganz so gut geschlafen wie erhofft (der Alkohol), vom Wecker geweckt, weil ich ja morgens den ersehnten Friseurtermin hatte.
Gegen das Kater-Kopfweh nahm ich eine Ibu, nach Bloggen und Morgenkaffee spazierte ich zum Haareschneiden durch die Morgensonne.
Ich war die erste Kundin des Tages und bat auf Herrn Haarschneiders “Und was kann ich heute für Sie tun?”1 nach den fehlgeleiteten Sperenzchen mit “Ach, warum nicht mal ein bissen länger?” um einen sehr kurzen Schnitt, hielt ihm als Vorbild ein Berufs-Portrait von vor vier Jahren hin.
So kam ordentlich was runter, wie so oft beim Friseur dachte ich abschließend:
“Jetz kon i wieda nei in’d menschliche Zivilisation” – Generation Gerhard Polt beschreibt mich deutlich treffender als X.
Daheim Packen für die geplante Wanderung mit Herrn Kaltmamsell: Wir wollten nach dem Frühling zwischen Ammersee und Starnberger See schauen, diesmal auf einer zum größten Teil neuen Route. Von Herrsching am Ammersee gingen wir nach Andechs erstmal den See entlang, diesen Weg mag ich besonders. Dann aber anders als sonst von Andechs nach Tutzing über Machtlfing und Traubing. Erwies sich als durchaus schöner Weg, wenn auch mit deutlich höherem Anteil an asphaltierten Wegen (= Radler*innen in allen Tempi) als die vertrautere Route.
Anreise per S-Bahn mit Umsteigen in Pasing, am Wochenende wird an der Stammstrecke gearbeitet. Im sonnigen Herrsching gab es erstmal Mittagscappuccino und Brotzeiteinkauf in einer Filiale der regionalen Bäckerei Kasprowicz, die ich in den vergangenen Jahren sehr zu schätzen gelernt habe. Und dann wanderten wir los, fanden diesmal sogar die Abzweigung nach Andechs mit dem schöneren Weg, die ich sonst immer nur in Gegenrichtung erwische.
Kurz vor der Wallfahrtskirche bogen wir aber schon nach Erling ab, nahmen an dessen Ende die Abzweigung ins Neue. Wir fühlten uns beide körperlich gut, genossen den grünen Schleier über den Bäumen und die vielen Frühlingsblumen in der Sonne – allerdings in einer Wärme, die für April und zum Stand der Botanik nicht wirklich passte. Es war auch sehr trocken: Jedes überholende Auto oder landwirtschaftliche Gefährt hüllte uns in eine Staubwolke.
Es war natürlich viel los auf der Strecke, schon hier am Ammersee.
Beginnn des Kienbachtals unter Andechs.
In Erling eigenwillige Verschriftlichung von Bayerisch:
“Wer eus Freind do eine gehd, der kumd nie z’fria eher z’pad”
Nach zwei Stunden machten wir hinter Erling um halb drei Brotzeitpause, ich aß einen Wanderapfel und eine Rosinenschnecke (sehr gut).
Kurz vor Machtlfing exotische Ziegen – solch einen Anblick hatte ich nicht erwartet, ich habe mich doch gerade erst an die regelmäßigen Alpakas gewöhnt. Außerdem aus dem Tierreich: Wir sahen (neben vielen Schmetterlingen) die ersten Schwalben des Jahrs (Rauch- und Mehl-), überraschend viele Bachstelzen, am Himmel reichlich Greifvögel von Falken über Rot- und Schwarzmilane bis Bussarde (fast ein Dutzend über einem Feld, das gerade gepflügt wurde), Meisen, Amseln, Mönchsgrasmücke, in den Ortschaften Spatzen.
Machtlfing von außen.
Machtlfing von innen (Kirche St. Johannes Baptist aus dem 19. Jahrhundert).
Traubing
Trag dein Kreuz, so trägt es Dich
zur besseren Heimat sicherlich!
Doch murrest Du so drückt es sehr
Und weichet dennoch nimmermehr
Wirfst Du es ab, so glaub es mir,
Ein neues schweres nahet Dir.
Wer heute Wand-Tatoos liebt, malte früher solche Belehrungen.
Magnolienrausch in Tutzing. Auf unserer Wanderung sahen wir sogar DREI Mal Linienbusse, UND es saßen Leute drin! (Wochenende-Ausflügler wahrscheinlich.)
Nach ca. 18 Kilometern in fünf Stunden mit zwei Pausen waren wir am Bahnhof Tutzing. Da es vor Ort immer noch keine wirklich attraktive Wirtschaft gibt, ließen wir uns in einer gesteckt vollen Regionalbahn nach Starnberg fahren und kehrten dort im vertrauten Tutzinger Hof ein.
Ein dunkles Bier für mich (darauf hatte ich mich seit Stunden gefreut und genoss jeden Schluck), ein Pils für Herrn Kaltmamsell. Wir bestellten die Brotzeitplatten, die ich ebenfalls seit Stunden vor meinen inneren Auge und Magen gehabt hatte. Die herzliche Bedienung riet uns, eine zu teilen, denn die meisten, die eine Doppelbestellung wagten, müssten sich die Hälfte einpacken lassen. Ich versicherte ihr, dass wir zum einen wirklich Hunger hatten und außerdem wussten, was auf uns zukam. Als Beweis führte ich das allererste Mal an, dass ich die Brotzeitplatte in diesem Lokal bestellt hatte. Beim Abräumen hatte die Bedienung kommentiert: “Ich sag doch immer, dass man die schaffen kann.”
Der Schweinsbraten darauf war frisch und ausgezeichnet, ebenso das Fleischpflanzerl, das warme Brot schmeckte herrlich, lediglich der Obatzte war nur gut, nicht mehr der beste jemals, als den ich ihn in Erinnerung gehabt hatte. Ich mag ja Brotzeitbrettl besonders gern, vor allem nach dem Wandern – und über die Jahre weiß ich immer besser, dass ich am liebsten die ganz altmodischen mag mit der Basis Pressack (rot und weiß), grobe Leberwurst, Käse, kalter Braten (wenn grad noch einer vom Mittagstisch da ist) – der Rest darf variieren. Doch genau die sind in und um München nahezu ausgestorben, sehr wahrscheinlich dem Mainstream-Kundengeschmack geschuldet (PRESSACK?!).
Mein Körper spielte so gut mit, dass mir die zehn Minuten Marsch zum Bahnhof Starnberg keinerlei Mühe bereiteten. Gemütliche S-Bahn nach München durch goldener werdendes Abendlicht.
Zu Hause keine Süßigkeiten auf sehr vollen Magen, endlich schaffte ich das mal, wo ich doch wusste, dass es mir ohne besser gehen würde.
- Möglicherweise habe ich ihn versehentlich dazu gebracht, mich als einzige seiner Kund*innen zu siezen – meine Default-Einstellung gegenüber unbekannten Erwachsenen ist halt weiterhin “Sie”. [↩]
10 Kommentare zu „Journal Samstag, 12. April 2025 – Kurze Haare, neue Wanderroute von Herrsching nach Tutzing, Nachdenken über Brotzeitbrettl“
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13. April 2025 um 10:02
Da ich grad im Fürstentum verweile, hier wird auch gedutzt was das Zeug hält. Es ist befremdlich.
13. April 2025 um 10:13
Die Brotzeit sieht sehr gut aus, sowas würde ich auch gerne essen, ist aber in NRW leider unüblich und im Urlaub hatte ich bisher erst einmal das Glück.
Kann ich als Fremdsprachlerin eine Übersetzung des Türspruchs bekommen? Ich rätseln noch vergeblich.
13. April 2025 um 11:21
@Anke: Ich tippe mal auf
„Wer aus Freude hier reingeht, der kommt nie zu früh [raus] eher zu spät.“
13. April 2025 um 11:35
Aus meiner Sicht etwas anders:
Wer als Freund da hineingeht, …
Freind=Freund
Freid=Freude
….der kommt nie zu früh [raus] eher zu spät.
“[raus]” eher nicht.
Es entspricht nicht der bayrischen Mentalität sich beim Betreten einer Gastwirtschaft schon mit dem Rausgehen zu beschäftigen.
Der Spruch bezieht sich meiner Meinung nach nur auf das Hineingehen.
13. April 2025 um 11:36
Ich tippe eher auf “Wer als Freund hier hereingeht, kommt nie zu früh, eher zu spät.”
13. April 2025 um 13:45
Für Original Brotzeit Platten nach Deinem Geschmack rate ich dringend, ein verlängertes Wanderwochenende in Franken – gerne Ecke Bamberg Forchheim – zu planen, dort werden deine Gelüste sicherlich gestillt. Wir geben gerne Tipps!
13. April 2025 um 13:52
Wenn Sie jetzt noch das [raus] streichen, ist der Sinn der Inschrift zu 100% getroffen. Gemeint ist, nur der als Freund kommt ist nie zu früh, sondern immer zu spät und alle anderen sollen draußen bleiben.
13. April 2025 um 15:39
Hihii. Hier im Rheinischen Mittelgebirge gibt es eine Bäckereikette, die auch Brotzeit anbietet. Naja, der Geschäftsführer ist Schwabe, er weiß, was ein ordentliches Vesper ist.
Ob allerdings Presssack drauf ist und Obatzda, weiß ich nicht mehr.
Ich muss es mal wieder bestellen.
13. April 2025 um 19:45
Vielen Dank für die Übersetzungshilfen!
Schön wieder was gelernt
14. April 2025 um 9:29
Die exotischen Ziegen sind walliser Schwarzhals Ziegen. Eine uralte Nutztierrasse, die es heute nur noch selten gibt.