Journal Sonntag, 15. September 2024 – Familien-Filmshow

Montag, 16. September 2024 um 7:41

Eher unruhige Nacht, diese mit einem Loch um zwei Uhr. Nicht ganz munter aufgestanden.

Der Morgen war durchgeplant, denn ich würde vormittags mit Herrn Kaltmamsell nach Ingolstadt fahren: Einladung zum Mittagessen bei meinen Eltern, und für den Nachmittag hatte Neffe 1 einen Raum besorgt, um den Film zu zeigen, den er über die Kastilienreise mit seinen Geschwistern im August gemacht hatte. (Zu Erinnerung: Die drei Nifften, Kinder meines Bruders, um die 20 Jahre alt, waren im Auto zur spanischen Familie gefahren, die wir 2023 zu neunt besucht hatten.) Davor hatte ich eine Laufrunde eingeplant.

Sonnenbeschienenes Baumlaub aus der Perspektive eines oberen Stockwerks, angeschnitten ein ebenso beschienenes modernes Gebäude

Der Regen hatte aufgehört (wie sich herausstellte vorübergehend), zwar war es mit 7 Grad weiterhin kalt, doch ich freute mich auf einen Isarlauf in schönem Licht. Nach kurzer Hose vor einer Woche also gefütterte lange Laufhose unter Überspringen der Caprihosenlänge.

Nur dass mir bis dahin eine Stunde verloren ging: Als ich mich von Herrn Kaltmamsell verabschiedete, sah er kurz auf sein Handy – und mir wurde klar, dass es eine Stunde später war, als ich angenommen hatte.

Ich war zur berechneten Zeit aufgestanden, hatte Wäsche aufgehängt, Morgenkaffee getrunken und gebloggt, ein Blick auf die Uhr hatte mich gefreut, weil ich noch über eine halbe Stunde bis zur berechneten Zeit fürs Fertigmachen zum Loslaufen hatte. Das muss der Moment des Irrtums gewesen sein. Jetzt stand ich ein paar Augenblicke ratlos in voller Laufkleidung herum – dann zog ich mich halt wieder aus und ging ich gleich unter die Dusche, bedauerte den verlorenen Isarlauf.

Auch auf dem Weg zum Bahnhof war es ganz schön frisch. Da ich nicht beurteilen konnte, wie heizbar und beheizt der Filmvorführraum in einem historischen Gemäuer sein würde, hatte ich reichlich Zusatzpullis und Wollsocken dabei.

Regengraue Landschaft mit einem leeren und einem bewachsenen Hopfengarten

Unterwegs Hopfencheck: Der meiste war bereits abgeerntet, doch einige Hopfengärten noch nicht (diesjährige Ernte gut, aber Nachfrage sinkend).

Aber erstmal gab es bei meinen Eltern Mittagessen mit dem Großteil der Bruderfamilie, meine Mutter hatte eine Zarzuela de mariscos gekocht:

Große Pfanne mit Fischstücken, roten Garnelen, Miesmuscheln

Unter Fisch und Meerestieren Gemüse inklusive Kartoffeln: Köstlich. Dazu erzählte die Nichte von ihrem Einstieg ins Jahr Bundesfreiwilligendienst (Bufdi genannt, hihi).

Nächster Programmpunkt: Filmvorführung in der Harderbastei, einem Teil der Ingolstädter Festungsanlagen. Ich finde ja weiterhin, dass Ingolstadt viel zu wenig aus dieser einzigartigen Stadtstruktur macht, die durch die omnipräsenten und oft architektonisch interessanten Militärbauten aus vielen Jahrhunderten erzeugt wird.

Frau von hinten, die in den dunklen Torbogen eines alten, weißen Gebäudes geht, über dem EIngang die Schrift "Städtische Galerie Harderbastei"

Unter einem Gewölbebogen aus rohen, gelblichen flachen Steinen bunte Pappmache-Köpfe, das Modell einer alten Kirche

Gewölbe aus dem 16. Jahrhundert, offensichtlich Jurasteine.

Der vorführende Neffe hatte für spanische Speisen (Tortilla, Papatitas, Pimientos de padrón, Oliven, Pipas, Maíz) und Getränke gesorgt, einen Hinterraum der Harderbastei bestuhlt und mit Leinwand ausgestattet – und muckelig warm geheizt. Hier kam auch der Rest der Bruderfamilie dazu, außerdem zahlreiche Freunde der Nifften oder eh der Familie.

Reichlich Gespräche, auch Kennenlernen, einige der Anwesenden hatten die Reise der Nifften durch Berichte und Fotos in einer eigens dafür eingerichteten WhatsApp-Gruppe mitverfolgt. Anderthalb Stunden liebevollst geschnitteter, vertonter und beschrifteter Film: Ich freute mich arg, die vertrauten Orte und die spanische Familie zu sehen.

Auf der Zugfahrt zurück nach München regnete es immer heftiger, wie schon in den Tagen zuvor prognostiziert trafen jetzt immer schlimmere Meldungen über Hochwasser und Überschwemmungen aus Niederösterreich, Polen, Tschechien, Rumänien ein.

Daheim schnippelte ich mir ein Abendessen aus oberbayerischen Pfirsichen (ein Freund meiner Eltern hat dieses Jahr reiche Ernte, wir hatten ein Kistlein mitbekommen) und Joghurt, danach aß ich viel Schokolade. Dazu holte ich die 20-Uhr-Tagesschau nach mit bedrückenden Überschwemmungsbildern. “Klimawandel” wird schon gar nicht mehr dazugesagt, ich weiß nicht, ob das nützt.

Im Zug zurück nach München hatte ich Jenny Erpenbecks Kairos ausgelesen, darüber werde ich noch schreiben (meiner Ansicht nach hervorragend, aber wirklich kein Lesevergnügen – Literatur darf auch Zumutung sein). Jetzt stellte ich Urlaubslektüre auf meinem E-Book-Reader zusammen, davon begann ich im Bett (unbedingt mit Wärmflasche) die Geschichtensammlung von Ted Chiang: Exhalation.

§

Maximilian Buddenbohm war an der See und beobachtete andere Urlaubende:
“Zusammengefegte Reste”.

Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass es ihm ums Festhalten zeittypischer Erscheinungen geht – und wer das nicht als stimmungserzeugende Kolumne an Zeitungen verkaufen muss, kann sich dabei sogar Neutralität leisten, denn

Es gibt keinen Grund, darüber zu spotten, ich schreibe es nur so mit. Es verwirrt etwas durch das Unweigerliche – wie gleich und ungemein berechenbar wir alle sind.

die Kaltmamsell

1 Kommentar zu „Journal Sonntag, 15. September 2024 – Familien-Filmshow“

  1. Croco meint:

    Vor vielen Jahren habe ich mal in der Festung in Ingolstadt übernachtet, mit einer Schulklasse in der Jugendherberge. Das war sehr beeindruckend.
    Als Privatkino war sie sicher noch beeindruckender.

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