Journal Donnerstag, 10. Oktober 2024 – München herbstbunt

Freitag, 11. Oktober 2024 um 6:30

Aufgestanden zu Sternengefunkel, doch als ich mich auf den Arbeitsweg machte, dräuten dunkle Wolken in die blaue Stunde.

Straße zwischen modernen Gebäuden mit bunten Bäumen, darüber düsterer Himmel, im Vordergrund ein Radler

Noch war es mild, doch kaum erreichte ich das Bürogebäude, setzte Regen ein.

Im Büro mittelhohe Schlagzahl, ich hatte mich zudem für die jährliche Arbeitsschutzunterweisung eingetragen (seit Corona standardmäßig als Video-Schulung – es ist bereits schwer sich vorzustellen, dass wir uns dazu früher live in einem großen Konferenzraum zusammenpferchten). Erstmals war das Arbeiten von daheim ganz selbstverständlich integriert (inklusive hochdetaillierter Fragen zu Einzelfällen).

Für meinen Mittagscappuccino zog es mich raus, es regnete gerade nicht.

Im Vordergrund eine Tasse Cappuccino auf einem Fensterbrett, durchs Fenster Straßenszene mit nassem Boden und herbstbunten Bäumen

Herbst im Westend.

Zu Mittag gab es später einen Apfel und eingeweichtes Muesli mit Joghurt.

Nachmittags etwas weniger geordnet gearbeitet, aber doch einiges weggeschafft. Das Wetter wurde immer düsterer und regnerischer.

Größte Seltsamkeit des Tages: Die Raumtemperatur in meinem Büro war angenehm. Zeitweilig saß ich sogar in Bluse da, sonst plus Blazer, wie ich das halt früher bei Büroarbeit gewohnt war und seit ein paar Jahren nicht mehr.

Für den Heimweg passte ich eine Regenpause ab (Regenradar FTW) und rollkofferte die Kolleginnen-Quitten nach Hause.

Vorm Haus stutzte ich: Da saß ein Falke aus unserem Küchenbalkon.

Blick von unten auf Wohnblockbalkone, auf einem Sims sitzt ein Falke

Und er saß da gemütlich. Ich guckte ihm ein paar Minuten beim Gucken zu, beim Wippen, Kopfstrecken, schickte dem daheim arbeitenden Herrn Kaltmamsell eine Nachricht, dass er da saß. Dann ging ich hoch in der Hoffnung, den Falken noch von innen zu sehen. Doch jetzt war er weggeflogen (Herr Kaltmamsell hatte ihn noch gesehen).

Nach Yoga-Gymnastik machte ich auf Basis des gestrigen Ernteanteils Abendessen: Radicchio (ein hellgrüner) mit Balsamico-Thymian-Walnussöl-Dressing, gebratenen Pilzen (zugekauft) und Gorgonzola. Wurde sehr gut, Salat kann ich verlässlich (wieder ein Kandidat für Grabaufschrift). Nachtisch Karamellwaffeln, Schokolade.

Vom Familienmitglied im Krankenhaus leider nicht so gute Nachrichten, ich sorgte mich.

Im Bett die nächste Lektüre begonnen: Colm Tóibín, Long Island.

Gestern wurde die Vergabe des Literatur-Nobelpreises an Han Kang bekanntgegeben worden – endlich mal wieder jemand, von der ich schon etwas gelesen habe. The Vegetarian empfehle ich hier – ziemlich verstörend und sicher nicht was für jede*n.

§

Auf der Rückreise von Mallorca gelesen, weil ich dachte, das Original sei türkisch in Übersetzung.

Elif Shafak, Michaela Grabinger (Übers. aus dem Englischen), Ehre, 2015 veröffentlicht, erzählt eine Geschichte aus der kurdisch-türkischen Einwanderung nach England, mit Vorgeschichte in der Heimat, im Zentrum eine konkrete Familie. Den Rahmen bildet eine Gewalttat: Die Ich-Erzählerin bereitet sich auf das Abholen des Mörders ihrer Mutter nach Ende seiner Haftstrafe aus dem Gefängnis vor, die Erzähl-Gegenwart sind die 1990er. Er ist ein Verwandter, doch noch wissen wir nicht einmal, in welchem Verhältnis er zu ihr steht. Dann verschwindet diese Erzählstimme, wird neutral, Zeitsprung in die Vergangenheit und das kurdische Dorf, aus dem die Familie stammt. Von dort wechselt die Geschichte immer wieder zwischen dieser dörflichen, in vieler Hinsicht archaischen Vergangenheit und den 1970er Jahren in London. Der rote Faden ist das Leben der Zwillingsschwestern Pembe und Jamila: Pembe zieht mit ihrem Istanbuler Ehemann und Kindern nach London, Jamila bleibt im Dorf. Erst im Schlusskapitel taucht die Erzählerin vom Anfang wieder auf: Der Tag des Abholens, den sie sich anfangs detailliert ausmalte, geschieht wirklich, sie reflektiert ihr Aufschreiben der Familiengeschichte.

Ich las diese Geschichte gern, hatte lebhafte Bilder vor allem von London vor Augen, sie interessierte mich. Etwas gemischt kamen bei mir die orientalistischen Elemente an: Magie und Aberglauben im kurdischen Dorf, eindimensionale Männerfiguren mit (schlussendlich tödlichem) zementiertem Ehrbegriff, betörend schöne junge Frauen. Noch kenne ich zu wenig türkische Literatur, um beurteilen zu können, ob hier westliche Erwartungen erfüllt werden oder das halt Teil der türkischen Erzähltradition ist.

die Kaltmamsell

3 Kommentare zu „Journal Donnerstag, 10. Oktober 2024 – München herbstbunt“

  1. Kathrin meint:

    Ich habe bisher erst ein Buch der Autorin Elif Shafak gelesen. Es heißt: Das Flüstern der Feigenbäume und spielt sowohl auf Zypern und in England. Ich fand es sehr interessant, vor allem auch die zypriotische Geschichte.

  2. Angelika Trahms meint:

    Mir kamen die Männer in „Ehre“ schon glaubwürdig vor, zumal wir heute noch von „Ehrenmorden“ -auch in Deutschland- hören. Ich habe beide Romane sehr gern gelesen.

  3. Croco meint:

    Hiiihhiii. Habe bei der Verleihung gleich zu Herrn croco gesagt, als er fragte, ob ich die Preisträgerin kennen: die kaltmamsell hat das Buch schon gelesen und besprochen.

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