Kultur und Sprache: Vom Religiösen

Mittwoch, 26. Januar 2011 um 13:06

Es war ein Tweet, der mich zu diesem erleuchtenden Artikel im Guardian gebracht hat. Aber wie so oft habe ich den Link geöffnet, den Artikel selbst aber erst zwei Stunden später gelesen – und jetzt weiß ich nicht mehr, wer ihn getweetet hat.

Marie Dhumières schreibt unter “Bad translation makes fundamentalists of us all” über die Vielzahl von Gottesbezügen in arabischen Sprachen. Und welch falschen Eindruck es erweckt, wenn man die wörtlich nimmt.

I remember absurd conversations around the word [“Inshallah”] when I first arrived in Syria 18 months ago:
“Ok, so I’ll see you tomorrow Inshallah”
“Oh you’re not sure, should I call back later?”
“No it’s fine I’ll see you at 6.30.”
“Ok, see you tomorrow then.”
“Inshallah.”
No, no, it’s not about God’s will, I will see you tomorrow.

The same goes with “Praise be to God” (Alhamdulilah), which can mean “I am fine”, “Cool, the electricity is back” or “Ah, you finally managed to pronounce this word”, and so many other things.

When you come back from a trip people say “Praise God for your safety”, and you should answer “May He keep you safe.” But what it really means is “Welcome back” and “Thanks”. At the end of a meal at someone’s house, you should say “May God always provide you with food”, and they would answer “May He give you health.” But again, it means “Thanks, it was delicious” and “Really? Thank you, you’re adorable.”

Ich musste gleich an die blumigen Alltagsmetaphern im Spanischen denken, die zum Beispiel die Übersetzungen von Lorca-Theaterstücken im Deutschen ungeheuer poetisch erscheinen lassen. Oder, am anderen Ende der Sprachskala, die spanischen Flüche. (Ich erwähnte hier schon mal, dass ich vor allem im Straßenverkehr beim Fluchen reflexhaft ins Spanische falle – es liegt mir in dieser Gemütslage einfach näher.) „Ich scheiß auf die Hostie“ ist ja auch religiös. Und kann durchaus auch besonders große Anerkennung ausdrücken – entsprechend dem bayerischen „Ja leck mi am Oasch!“.
(Einordnen unter „,Wie geht’s?’ muss keine ernsthafte Frage nach dem Befinden sein”.)

die Kaltmamsell

12 Kommentare zu „Kultur und Sprache: Vom Religiösen“

  1. Not quite like Beethoven meint:

    Oh, danke für den Hinweis! Ich kommentiere gleich mal, dann weiß ich gleich von wem er war. ;)
    Ich frage mich, wie man solche Alltagsfloskeln und -metaphern überhaupt gut übersetzen kann. Dass buchstäblich in die Hose geht, ist klar. Aber (zB) die religiösen Bezüge, die ja da sind, auch wenn sie oberflächlich sind, einfach zu tilgen, sagt halt auch was aus — ob man will oder nicht. Marie Dhumières erwähnt das ja auch gegen Ende ihres Textes…

  2. Julia meint:

    und jetzt wüsste ich gerne, was “scheiß auf die hostie” auf spanisch heißt. das gehört unbedingt in die kategorie “wichtiges wissen für die nächste reise”. :) und vielen dank für den hinweis auf den text. sehr interessanter aspekt. witzig finde ich oft auch religiöse aspekte in dialekten. meine hessische großmutter griff oft auf den fluch “kelle, tätste doch im maa leie” (ach, würdest du doch im Main liegen) zurück – jemandem tatsächlich den tod zu wünschen, war moralisch verwerflich. also schwächte man das ganze offiziell etwas ab, wobei trotzdem jeder wusste, dass “im main liegen” gleichbedeutend mit tot sein war :)

  3. die Kaltmamsell meint:

    Alles für die Völkerverständigung, Julia: ¡Me cago en la hostia! (mit stummem H). Sprachebene: Vulgär.

    Von Übersetzungsanstrengungen gerade bei solchen bildhaften Flüchen können literarische Übersetzer Lieder singen, Not quite like Beethoven. Zumal das enthaltene Bild in der Literatur gerne noch weitergespielt wird.

  4. Naekubi meint:

    Im Norwegischen (und überhaupt im Skandinavischen) wird auch gerne christlich-religiös geflucht, obwohl Religion dort kaum mehr eine Rolle spielt. (“Faen!” heißt Teufel, “Helvete!” Hölle)

    Die Sprache erhält oft solch alte Konzepte, auch wenn ihre eigentliche Bedeutung in der Alltagssprache stark verblasst…

  5. ilse meint:

    Mir fällt dazu ein “grüss Gott!”!
    “ja, wenn ich ihn sehe”.

  6. croco meint:

    Gilt “Himmel Hergott Sakra ” da auch?
    Oder “Zefixluja”?

  7. walküre meint:

    Als gebürtiger Innviertlerin sind mir Ausdrücke wie “Kruzifixnoamoi”, “Kreizteifleini” und “Himmelherrschaftseitn” auch nicht fremd.
    Eigen habe ich einen Diskurs gefunden, der vor ein paar Jahren dort mittels einer Regionalzeitung vom Zaun gebrochen wurde und in dem es um die übliche Begrüßung “Grüß Gott !” ging – es wurde nämlich behauptet, dieser Gruß sei schlicht unmöglicn, weil er den Befehl, Gott zu grüßen, beinhalte. Davon, dass es sich lediglich um eine Verkürzung dessen, was eigentlich eine Art Segen darstellt, nämlich “Grüß dich/Sie Gott !”, handelt, war vorerst nicht die Rede.

  8. lihabiboun meint:

    Oh ja, sehr interessantes Thema: Religion und fluchen. Was oder wer wird beim Fluchen beleidigt? Gott? “Porco dio” oder die von der Kaltmamsell erwähnte Hostie / die Religion? Zefixhalleluja (etc.) oder aber, ganz anders: das Individuum: DU Idiot/Esel/A…. oder noch anders: die Damen der Familie: Deine Schwester/Mutter/Tante ist eine Hure/Hündin etc… – ich habe persönlich erlebt, daß sowas zu blutigen Schlägereien führt. Sehr nachdenkenswert….

  9. lihabiboun meint:

    Oh ja, sehr interessantes Thema: Religion und fluchen. Was oder wer wird beim Fluchen beleidigt? Gott? “Porco dio” oder die von der Kaltmamsell erwähnte Hostie / die Religion? Zefixhalleluja (etc.) oder aber, ganz anders: das Individuum: DU Idiot/Esel/A…. oder noch anders: die Damen der Familie: Deine Schwester/Mutter/Tante ist eine Hure/Hündin etc… – ich habe persönlich erlebt, daß sowas zu blutigen Schlägereien führt. Sehr nachdenkenswert….

  10. adelhaid meint:

    ja, oder aber fluchen bzw alltagssprache benutzen. ich habe mich als norddeutsche jahrelang unwohl in münchen gefühlt, weil diese menschen so furchtbar derb waren. frauen als weiber zu bezeichnen hat mich zunächst nur befremdet, nach längerem heimatentzug immer mehr geärgert. für meine freunde war das aber überhaupt kein problem.
    ich hingegen nenne kleine kinder, die mir sehr sehr sehr am herzen liegen (und nur diese) schietbüddl; das ist für mich das liebenswerteste wort überhaupt und ich kann mir kaum zärtlicheres für ein kind vorstellen. die bayrischen freunde hingegen behaupten, dass kinder irgendwann aus dem scheißbeutel-alter erwachsen und man sie dann anders nennen könnte.

    übersetzungsschwierigkeiten finden wir aber doch auch an anderen, und ggfs viel näheren stellen. sagt der englischsprachige sprecher you’re welcome und meint einfach nur bitte, und uns deutschsprachigen rutscht vor lauter rührung das herz in die hose. wir sind willkommen. und nur weil wir uns höflich bedankt haben. das ist doch schon was!

  11. Lila meint:

    Im Hebräischen ist es ähnlich wie im Arabischen üblich, die Alltagssprache mit religiös-abergläubischen Floskeln zu schmücken, gewissermaßen Spuren der Angst vor dem bösen Blick.

    “Wie geht es den Kindern?” “Gut, danke, unberufen” oder “Gut, ohne bösen Blick”

    Eine pessimistische Voraussage darf man nicht tun, ohne ein chalila, Gott behüte, hinterherzuschicken. “Falls die Sache, chalila, schiefgeht…” In krassen Fällen sagt man “chas-ve-chalila”, da sei Gott dann wirklich vor. (Wobei natürlich kein Jude den Gottesnamen je ausschreiben würde, das geht gar nicht).

    Wenn ich mit meiner Freundin ein Treffen für den Dienstag verabrede, schicken wir ein “bli neder” hinterher – “ohne Schwur”, denn schwören ist verboten.

    Und wenn mich jemand fragt, wie viele Kinder ich habe, und ich sage “vier”, dann kommt als Antwort sofort “sie mögen gesund bleiben”.

    Man gewöhnt sich an diese Floskeln und Formeln so sehr, daß es einem komisch vorkommt, wenn in Deutschland einfach jemand sagt, “was für ein hübsches Kind”, ohne ein “ohne bösen Blick” draufzusetzen. Wie kann man das Schicksal so herausfordern? Ich kenne mehrere polnische Omas, die niemals ein Kind als hübsch oder gelungen bezeichnen würden. Statt dessen zwinkern sie der Mutter wissend zu, während sie ausrufen: “ach was für ein häßliches Kind!”

    Fluchen – dafür greifen wir auf die bildhafen russischen und arabischen Flüche zurück, denn echte hebräische Flüche außer tatsächlich so gemeinten Fluchformeln, die niemand im Alltag anwenden würde, fällt mir da nicht viel ein. Doch, geh zum Azazel, zum Teufel, das sagt man auf Hebräisch. Aber für ernsthafte Fälle sind Arabisch und Russisch viel ausdrucksvoller.

    “Beim Geschlechtsteil deiner Mutter” (kus emek), wobei man “Mutter” am besten noch verdoppelt (kus im-ima shelcha), ist ein beliebter aus dem Arabischen übersetzter Fluch, “Hurensohn” ebenfalls, aber ich habe das Gefühl, das ist einfach aus dem Englischen übertragen.

    Leider überhaupt nicht übersetzbar sind die Gesten und Handbewegungen, mit denen man die jeweiligen Formeln ausspricht… ich erkenne Israelis auf Kilometer an den Händen, und ich kann auch ablesen, welche Gemütsbewegung sie gerade ausdrücken. Ich sage immer, viele Israelis würden verstummen, wenn man ihnen die Hände fesselte.

  12. ilse meint:

    Lila – das mit den Handbewegungen ist süß! meine spanische Freundin hat mal fast ihren Kinderwagen verloren weil sie unterm Gehen so viel mit den Händen sprechen musste.
    Hurensohn war glaube ich sowieso eine Fehlinterpretation: son of a bitch= Sohn einer Hündin…gab’s nicht schon bei Karl May den Hundesohn?

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