Oma-Beerdigung – 3: Die Babylonier hätten sich bloß ein bisschen anstrengen müssen
Samstag, 21. Januar 2006 um 16:20Zur Beerdingung meiner Oma war auch ihre jüngere Tochter, also meine Tante Barbara, mit ihren beiden erwachsenen Töchtern angereist. Zur Erinnerung:
Verkehrssprache in unserer wild migrierten Familie ist Deutsch. Diese Tante Barbara hat in fast 40 Jahren Italien ihres ziemlich verlernt und spricht die Reste in Intonation und begleitender Gestik ohnehin wie Italienisch. Ihre ältere Tochter hatte mal ein paar Jahre Deutschunterricht Auf dieser Basis habe ich mit ihr einen eleganten Modus der Verständigung gefunden: Sie spricht langsam und einfach Italienisch, ich antworte langsam und einfach Deutsch. Das funktioniert. Meine jüngere italienische Kusine kann gar kein Deutsch. Sie lässt sich von ihrer Schwester die interessantesten Passagen der Konversation – da, wo am meisten gelacht wird – dolmetschen. Sie lacht dann halt zeitversetzt.
Mein spanischer Vater bildet sich nach wie vor ein, er müsse seine Muttersprache lediglich italienisch intonieren sowie hin und wieder eine italienisch klingende Endung anhängen – dann spreche er Italienisch. Die Wörter “mangare” und “parlare” kann er tatsächlich, deshalb verwendet er sie so oft wie möglich. Meine ältere italienische Kusine wendet diesen Trick mittlerweile auch umgekehrt an, um aus ihrem Italienisch Spanisch zu machen. Ich erfinde nichts.
Gestern eskalierte das Sprachtheater am Mittagstisch nach der Beerdigung.
Ich hatte mir nach einer Halben Schwarzbier in den Kopf gesetzt, mich mit meiner jüngeren Kusine, die gar kein Deutsch spricht, direkt zu unterhalten. Nun wir wissen ja alle, dass die Verständlichkeit einer Sprache steigt, wenn man sie besonders langsam, begleitet von expressiver Gestik / Mimik und vor allem besonders laut äußert. Nicht dass irgend ein Familienmitglied bei uns sonst leise spräche. Also erzählte ich der verdutzten Kusine langsam und lautstark von den Unterschieden zwischen deutscher und spanischer Gastfreundschaft (die Frau hat Hotelfach gelernt, also beschloss ich, das müsse sie interessieren). Gleichzeitig tauschten meine ältere Kusine und mein Vater sich mühsam und immer lauter darüber aus, welche Route die Kusine bei ihrer ersten Tour durch Spanien genommen hatte. Dazwischen sah sich ältere Kusine in der Pflicht, ihrer Schwester Brocken meiner deutschen Ausführungen ins Italienische zu übersetzen. Wogegen jüngere Kusine bald lautstark protestierte: Sie verstehe mich bestens. (Sag ich ja: Hauptsache laut. Jüngere Kusine lachte sogar an den richtigen Stellen.) Zwischen meiner Tante und meiner Mutter gab es eigentlich keine Sprachbarriere, doch zum einen kennt meine Tante nur fortissimo; zum andern hätten sie sich über dem Geschrei von uns anderen ohne eigenes Schreien nicht verstanden.
Es war herrlich. So mag ich Familie.
die Kaltmamsell3 Kommentare zu „Oma-Beerdigung – 3: Die Babylonier hätten sich bloß ein bisschen anstrengen müssen“
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21. Januar 2006 um 17:55
Was für eine wilde Geschichte!
Ich kenne das auch, bei uns wird auch gebrüllt, am besten durcheinander. Und man lacht laut. Manchmal auch auf Beerdigungen, aber dann ganz zum Schluß.
So kommt es, dass mich viele Leute für eine Südländerin halten, wahlweise alles rund um das Mittelmeer inclusive Sinti, Roma und Isrealitin. Korea war das weiteste.Was allerdings zu dieser Vermutung geführt hat, weiß ich nicht mehr.
Dabei ist meine Familie mütterlicherseits extrem seßhaft, sie wohnen alle im Umkreis von 3 km um ein Dorf. Die Verwandtschaft meines Vaters ist so,dass sie sich alle nicht leiden können, weit weg ziehen, und keinem sagen wohin. Es interessiert auch niemanden. So weiß ich nicht, ob sie international ist. Ein mail habe ich mal von einem Affenforscher aus USA bekommen, der seiner Meinung nach mit mir verwandt ist. Das könnte gut sein, der Ton des mails war so unfreundlich und schroff, dass die Stimme des Blutes hier auch durchschlug.
Ich sag es ja, die Tage im Genpool sind die härtesten.
Jetzt habe ich Ihr blog zugeschwatzt, sorry.
21. Januar 2006 um 18:15
Gar nicht zugeschwatzt, liebe croco, ich liebe Familiengeschichten.
22. Januar 2006 um 12:48
Gestern abend waren beide Großelternpaare bei uns zu Hause. Und es ging auch laut und wild zu. Wir sind schließlich Bauern. Und damit sicherlich keine reichen Leute.
Mein Opa erzählte daher das er schon die Jacken von seinem Schwiegervater nach dessen Tod auftragen musste. Darauf meinte meine Oma sie hätte schon bergeweise Sachen verbrannt weil sie keine Lust mehr hätte die Sachen zu tragen “die andere Leute auch nicht mehr anziehen würden”.