Oktoberfasching
Dienstag, 20. September 2011 um 6:48Noch vor wenigen Jahren schrieb die Traditionalistin Martini verzweifelt dagegen an:
Das Oktoberfest heisst Oktoberfest weil es im September in München stattfindet, und nicht im Februar in Köln oder Düsseldorf. Das ist übrigens auch der Grund, warum die Menschen ‘ein Prosit!’ plärren und nicht etwa ‘Alaaf!’ Ein Dirndl ist kein Clownkostüm sondern eine Tracht und steht für Bayern Berge Brauchtum. Wer davon nichts versteht ziehe sich bitte an wie sonst auch, es ist genug Bier für alle da, versprochen, man muss sich nicht als Bayer verkleiden.
Doch sie hatten schon damals verloren. Auch wenn sie heuer bellt:
Oktifest ist keineswegs „Bayern Berge Brauchtum“, sondern schlichtweg Party. Genauer gesagt Mottoparty, und das Motto lautet Bayern. Entsprechend kostümieren sich die Partyteilnehmer. Sehr wahrscheinlich leiden darunter die langjährigen Dirndlträgerinnen mehr als Oktifest-Hasserinnen wie ich (dank schlechtem Wetter hatte ich allerdings bislang ruhige Nächte). Zum Beispiel meine Schwägerin, die als gebürtige Ettingerin schon von Kindesbeinen an auf dem Oktoberfest durch das Tragen eines Dirndls stolz auf ihre ländliche Herkunft verwies. Heutzutage mag sie den schwarzen Brokat, aus dem in ihrem Heimatdorf die traditionelle Tracht hergestellt wird, nicht mehr in einem Oktoberfestbierzelt tragen: Er ist zu festlich.
Die Süddeutsche Zeitung hat ihre Chronistenpflicht ernst genommen und die Verkleidungstrends dieses Jahres untersucht:
“Das Oktoberfest kommt mir immer ein wenig wie ein Kostümball vor”, sagt Wetterich.
(…)
Modell Gina Daniela kostet (…) nur 19,90, große rote Blumen zieren das äußerst knappe Kleid – dennoch hat man auch bei Steindl so etwas wie eine Ehre. “Pornodirndl kommen mir hier nicht her, so was tragen nur die Aussis”, sagt der Verkäufer mit dem gezwirbelten Schnurrbart. Ansonsten ist fast alles erlaubt: Plastikschmuck, rote Tüllunterröcke, made in China. “Unsere Mädels sind direkt und ehrlich – und wollen auch so aussehen”, erklärt der Verkäufer. “Schließlich verkaufen wir Partydirndl.”
Vielleicht sollte ich mir endlich auch eines kaufen. Für den nächsten echten Faschingsball im Februar.
Nachtrag. Auf dem Weg in die Arbeit fiel mir eine weitere Parallele zum Fasching ein: Während der närrischen Tage im Herbst wird auch in konservativen Münchner Unternehmen die Oktoberfestverkleidung als Alternative zum Anzug akzeptiert.
die Kaltmamsell11 Kommentare zu „Oktoberfasching“
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20. September 2011 um 8:29
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20. September 2011 um 9:00
Mit Verlaub – das, was man mittlerweile in den “Trachten-Outlets” bekommt hat (wie sie schon anmerkten) nichts, aber gar nichts mehr mit Dirndl und Tracht zu tun. Schade nur, dass es die, die solche Verkleidungen tragen absolut nicht begreifen.
Noch peinlicher als in München sind solche Verkleidungen an meinem alten Wohnort Stuttgart, wenn dort Wasen-Zeit ist – da machen sich die Mädels völlig zum Affen.
Und ja – langjährige Dirndlträgerinnen leider da wirklich drunter und neigen dazu, völlig normal gekleidet auf solche Feste zu gehen. Weil – im traditionellen, echten Dirndl wird man blöd angeschaut….
20. September 2011 um 9:25
A propos Stuttgart: es ist ja nicht so, dass es keine schwäbischen oder fränkischen Trachten gäbe, die mensch aus dem Stuttgart Umland tragen könnte… Am Ende gilt aber auch hier: zu festlich für’s Zelt. Das geht nur, wenn man auf’s Hauptfest geht.
20. September 2011 um 9:44
Im Rheinland ist das Oktoberfest längst angekommen. Manche nennen es zwar noch Erntedank, doch haben die Tische blau-weißes Karo und Männer tragen Krachlederne und Gamsbart. Den Busen der Frau Bürgermeister, bzw. dessen obere Teile kann man tagsdrauf in der Lokalzeitung bewundern.
Die örtlichen Discounter bieten günstige Trachten an und ein Bekleidungsgeschäft in der Fußgängerzone macht auf Edelweiß und Karo.
Die Bayern kommen!
Zumindest ist in der Schülerschaft es noch gefährlich, für den dortigen Fußballclub zu sein.
Das geht absolut nicht. Noch nicht.
20. September 2011 um 11:09
Das tollste überhaupt ist ja das Oktoberfest in Shanghai. Muss man gesehen haben! Ich kenne einen, der im Hofbräuhaus als Schuhplattler gearbeitet hat und zur Wiesnzeit immer nach Shanghai zum Plattln geflogen ist.
20. September 2011 um 11:42
Gibt’s denn noch bayerische Ureinwohner, die auf die Wiesn gehen? Wir machen das schon seit x-Jahren nicht mehr. Kleinere Dorffeste sind viel schöner, friedlicher und originaler als dieser Rummel. Dort werden auch noch echte Trachten getragen. Wer das mal sehen will, sollte eher ins oberbayerische Umland ausweichen und die Wiesn meiden.
20. September 2011 um 11:51
Ach, so schlimm ist das alles doch nicht. Sollen die Leute sich halt verkleiden, wenn ihnen nach Verkleiden ist. Jedes Jahr das Gejammere um die ach-so-unechten Dirndl, das gehört schon dazu wie die Pferdeäpfel der Braurösser.
Ich bin mir sicher, dass die allermeisten Mädchen, die die 20-Euro-Fetzen anziehen, sich völlig darüber im klaren sind, dass sie genauso Verkleidung sind wie die lustigen Bierfass-Hüte. Ein anständiges Dirndl kann man ja quasi zu jeder Gelegenheit anziehen. Ich glaube jedoch nicht, dass das Lola-Paltinger-Stück oder das himbeerfarbene Polyesterdirndl aus dem Tal bei der nächsten Kindstaufe zu sehen sein wird.
Schön ist das alles nicht. Aber vier Maß Bier trinken ist auch nicht schön. Und wenigstens sieht man kaum mehr die sackleinene Marketenderinnentracht von vor 15 Jahren.
ABER KRACHLEDERNE UND GAMSBART IM RHEINLAND? Da hört sich nun wirklich alles auf.
20. September 2011 um 12:02
Nach 10 Jahren München (5 davon in Spuckweite (!) zur Wiesn) kann ich das jetzt alles mit ein bisserl mehr Abstand und Schmunzeln betrachten. Wäre doch langweilig, wenn sich nicht alle Jahre wieder über Maß-Preis (sorry, aber NEUN EURO??!!), Dirndl, Hotel-Abzocke aufregen könnte, oder? Aber im Ernst: Was mich viel, viel mehr ärgert, ist dass sich die Tourismuschefin (Gabriele Weißhäupl) z.B. in der Brigitte (Verlag in Hamburg!) hinstellt u. erzählt, sie habe ja sooooo viel für die “sanfte” Familienwiesn getan. Sorry, aber schon am ersten Wochenende gab’s Bierkrugschlägereien, Bierleichen, Komasäufer und so weiter. Was daran sanft und familienfreundlich sein soll, ist mir ein Rätsel. Aber solange sich die Stadt selber in die Tasche lügt, um auch weiterhin die Cashcow Wiesn zu melken, wird der ganze Hype auch weitergehen. Ach, wäre das schön, wenn man als Münchner einfach mal auf die Wiesn gehen und eine Maß zu einem vernünftigen Preis trinken könnte. Aber das bleibt eine Illusion…
20. September 2011 um 17:40
http://dortmunder-wiesn.de/
Glück auf…
20. September 2011 um 18:19
Wie ich gestern aus 1.Hand erfuhr, trägt man jetzt innerhalb der Hamburger High Society Dirndl und Krachlederne während der Münchner Wiesnzeit. Es seien auch schon Leute im Theater und in Oper so gekleidet gesehen worden, ebenfalls in kulinarischen Luxusschuppen: na wenn das keine Anbiederung der Preussen an Bayern ist…..
21. September 2011 um 22:04
Ich würde zwar nie, nie, nie eines von den giftgrünen Minidirndln mit Tüllärmelchen anziehen, finde aber, dass die am richtigen Typ Frau (Jung, schlank und sorglos) eigentlich sehr nett aussehen. Also sollen sie doch! Das stresst mich überhaupt nicht.
Was mich aber immer verwundert, ist, warum die Leute mit grimmigem Gesichtsausdruck der Wies’n zustreben, sie mit grimmigem Gesichtsausdruck verlassen, und dort auch nicht wirklich freudig erregt wirken. Da bleib ich doch lieber gleich zuhaus!