Rainald Grebe auf dem Tollwood-Festival
Donnerstag, 19. Juli 2012 um 8:11Nun hat mir Rainald Grebe also zum zweiten Mal „Der Präsident“ persönlich vorgesungen. Das erste Mal war sein unvergesslicher Auftritt in Neues aus der Anstalt, und gestern Abend nochmal als Zugabe. Da spielte er nämlich mit seinem Orchester der Versöhnung auf dem Sommer-Tollwood – das dieses Jahr weder, wie eigentlich Tradition, unter Wasser steht (es soll eine eigene Tollwood-Gummistiefeledition geben), noch sengend heiß ist. Ein schöner Abend. Ich plädiere doch sehr dafür, öfter Streichquartette in Konzerten auf die Bühne zu nehmen und spielen zu lassen. Oder überhaupt alte Menschen – Grebe hatte ein Streichquartett aus alten Herren dabei („Wohnt ihr eigentlich noch zu Hause? Oder schon in der Residenz?“)1.
Gut drei Stunden Rainald Grebe, mit wirrer, kabarettistischer Bühnenshow, richtig guter Musik (siehe Streichquartett) und den Grebe-typischen grusligen Themen. Im Grunde schildert Grebe ja nur – lästert also nicht hämisch über „die da“, sondern stellt sich selbst mitten in eigentlich bizarren Umständen dar, als Teil davon: So isses halt – gruslig, oder? Und er tut den Teufel, irgendwelche Gegenmaßnahmen vorzuschlagen. Mit den immer krasseren Widersprüchen unseres Lebens müssen wir, die Schicht der Rainald-Grebe-Hörer und reflektierten Biosupermarktkundinnen, schön selbst fertig werden.
Interessant fand ich die Distanz von Grebe, der ganzen Show, zum Publikum. Keine Verbrüderung über Bezüge zum Konzertort (nun, gegen Ende bemerkte Grebe, es könne ja alles schlimmer sein, man könne zum Beispiel in Ingolstadt landen – woher weiß er?), mit einer Ausnahme keine Aufforderung zur Beteiligung. Ich mag diese klare Rollenverteilung: Wir hier oben machen die Show, ihr guckt und hört zu.
Sehr gut gefiel mir auch „Angeln“, hier eine Aufnahme von der öffentlichen Probe 2010 (mit Extra-Einlage Streichquartett).
- Nein, Bands, die mittlerweile selbst aus Musikern im fortgeschrittenen Rentneralter bestehen, zählen nicht. [↩]
3 Kommentare zu „Rainald Grebe auf dem Tollwood-Festival“
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19. Juli 2012 um 9:41
Juten Tach, ich bedanke mich für die schöne Zusammenfassung des gestrigen Abends. Übrigens habe ich Sie gestern im Publikum erkannt, was schon ein komisches Gefühl ist, einen Blogger in “Fleisch und Blut” zu sehen.
Bis die Tage…
19. Juli 2012 um 10:24
Oh Sie lesen den “Liebhaber” …. eines meiner Lieblingsbücher und eigentlich muß man dann gleich wieder nach Venedig fahren! Wie finden Sie ihn?
19. Juli 2012 um 13:05
Das hatten Sie mir doch empfohlen, lihabiboun! Bin erst in den ersten Seiten – und muss gestehen, dass ich über die ausführlichen und klischeeverseuchten Personenbeschreibungen ein wenig augenrollen musste; die Autoren greifen sogar zum billigen Erzählmittel der Spiegelschau
https://www.vorspeisenplatte.de/speisen/2007/08/eine-ganz-personliche-bitte-nie-wieder-spiegelschau.htm
Aber noch kann der Rest des Buches das wettmachen.