Helden: James Bond und Sherlock Holmes

Freitag, 2. November 2012 um 15:01

Nein, ein echter Bezug zwischen den Herren fällt mir nicht ein; es war nur zufällig derselbe Tag, nämlich gestern, an dem ich Skyfall und die ersten beiden Folgen Sherlock im Original gesehen habe.

*praktisch spoilerfrei*

Die Bond-Filme mochte ich schon immer. Während meine Mutter sich vor dem Fernseher regelmäßig echauffierte, weil sie „so a Schmarrn“ seien, „des is doch völlig unrealistisch!“, war ich schon sehr jung begeistert von dieser Kunstwelt mit schönen Menschen, tollen Klamotten, fantastischen Bösewichten, noch fantastischerer Technik, und das alles an den schönsten Schauplätzen der Welt.

Sean Connery wird für mich als Bond (und zwar dem einzig wahren) immer die deutsche Stimme von Gert-Günther Hoffmann haben. Der erste Bond, den ich im Kino sah, war allerdings einer mit Roger Moore (der für mich schon deshalb nie als Bond durchging, weil er derart nach schwammigen Schweißfüßen aussieht): A View to a Kill. Von da an ließ ich keinen aus – bis zu A Quantum of Solace. Daniel Craig war für mich sowas von fehlbesetzt, die Handlungen mittlerweile bis zur Langeweile verquast, dass ich tatsächlich keine Lust darauf hatte.

Nun aber Skyfall, über den ich ausschließlich Postitives gelesen hatte. (Ich empfehle die Rezension von Tobias Kniebe in der Süddeutschen Zeitung vom Dienstag; inzwischen hat er auch gelernt, sich Spoiler zu verkneifen.) Also sah ich ihn mir gestern an und war sehr angetan. Der Plot hat einen schlichten Aufhänger (Liste aller NATO-Agenten geklaut), der Bösewicht ein halbwegs nachvollziehbares Motiv, die Standard-Verfolgungsjagden werden bereits vor der Vortitelsequenz abgefeiert. Danach geht es wie in einem guten Hollywoodfilm weiter: Ohne Hektik wird eine Geschichte erzählt, die interessant und zeitgenössisch ist, ohne verzweifelt originell sein zu wollen.

Erfreuliche Details:
– Erstmals nähert sich ein Mann Bond lüstern (inklusive netter Pointe im Dialog).
– Der Plot ist so geradeaus, dass ich nie den Faden verlor (muss nicht, ist aber entspannend).
– Schöne Settings, unter anderem der Retro-Spielclub in Shanghai inklusive seiner Variante des Haifischaquariums.
– Die wunderschöne Judi Dench, die nicht nur in aller Altersschönheit auftritt, sondern sogar älter aussieht, als sie ist.
– Wirklich beiläufiger Sex mit verschiedenen Frauen.
– Über den Darsteller von Q freute ich mich besonders: Ben Whishaw hatte ich eben erst in Brideshead Revisited kennengelernt.
– Das erste Zusammentreffen zwischen Q und Bond ist ein Highlight.
– Javier Bardem hatte ich vorher nur in Vicki Cristina Barcelona gesehen, wo er schauspielerisch nun wirklich nichts zu tun hatte. Der Mann spielt ja sensationell! (Was ich bereits in anderen Filmen hätte herausfinden können, spielte der Gute nicht bevorzugt ausgerechnet in der Sorte Filmen, die ich als Schisserin nicht sehen kann.)
– Daniel Craig habe ich als Schauspieler mittlerweile sehr zu schätzen gelernt, vor allem durch The Girl with the Dragon Tatoo. James Bond ist er für mich immer noch nicht, dieser weißrussische Automechaniker (die Segelohren! der Entenlippengesichtsausdruck!).

Ein wenig Gemaule:
Langsam sollten sich auch Drehbuchautoren gut genug mit Computern auskennen um zu wissen, dass man vor der Untersuchung der Daten einer Festplatte erst mal eine Kopie von ihnen macht. VOR ALLEM, wenn man wie Q weiß, dass sie mit einem selbstzerstörenden Dechiffrierschutz versehen sind. Und um zu wissen, dass man einen fremden Rechner NIE im eigenen Netz loslässt.
Zumal fachliche Korrektheit in diesem Fall sogar charmante Handlungsdetails ermöglicht hätten.

§

Sherlock hatte ich mir aus der Stadtbücherei ausgeliehen, um ihn nochmal im Original zu sehen; ein Interview mit Hauptdarsteller Benedict Cumberbatch hatte mir gezeigt, dass er eine komplett andere Stimme und Sprechweise hat als sein Synchronsprecher Tommy Morgenstern.

IST das Zeug gut! Mein Genuss wurde sicher dadurch verstärkt, dass ich an meiner Seite einen Sherlockisten habe, der mir immer wieder Anspielungen auf die Doyle-Vorlage erklärte. Aber allein schon Drehbuch, Dialoge, Schauspieler, Kamera sind großartig.

die Kaltmamsell

13 Kommentare zu „Helden: James Bond und Sherlock Holmes“

  1. Usul meint:

    Javier Bardem bisher nur in diesem (mir nicht bekannten) Film gesehen? Bitte sofort “No Country for Old Men” auf die Filmliste setzen, der Mann hat für seine Nebenrolle da einen Oscar bekommen … Und womit? Mit Recht!

    Sherlock ist wirklich ausgezeichnet. Die erste Folge der zweiten Staffel (A Scandal in Belgravia) ist bis jetzt meine Lieblingsfolge, eine unglaublich elegante Story. Auf wie viele verschiedene Arten ein “simpler” Klingelton eine Handlung beeinflussen kann … Wobei man aber sagen muss, dass die deutsche Übersetzung durchaus gut ist. Verloren geht immer etwas. Ich habe zumindest die zweite Staffel sowohl erst im Original, dann übersetzt gesehen, da zumindest mir manches unverständlich bleibt, wenn der gute Sherlock in den Turbo-Modus schaltet :) Sherlock ist einer der wenigen Filme/Serien, die ich mir gern mehrfach ansehe, weil es einfach unheimlich unterhaltsam und elegant umgesetzt ist.

  2. Julia meint:

    100% Zustimmung. “Skyfall” ist für mich – bekennender Bond-Fan und mit ebensolchem verheiratet – einer der besten Filme der Reihe. Auch wenn niemals irgendwer/-was an Sean Connery herankommen kann. Daniel Craig ist sympathisch, aber kein Bond. Diese Schnute! Und er ist viel zu klein. Aber er hat die Reihe wiederbelebt. Chapeau! Q ist gigantisch gut und das Zusammentreffen der beiden hat so viel Spaß gemacht. Auch wenn der bEdW und ich (beide mit IT-Background) bei den Computerszenen immer nur mit dem Kopf schütteln.
    Naja, und Sherlock ist wirklich über jeden Zweifel erhaben. Intelligente Unterhaltung. Ich mag den Transfer ins 21. Jh. Ist wirklich sehr gut gelungen. Wie immer bleibt Watson leider zu sehr Randfigur (Kriegstrauma und Armybackground sorgen hoffentlich noch für mehr Spannung in der 3. Staffel, die ich sehnsüchtig erwarte). Aber ich mochte sogar Guy Richies Sherlock mit Robert Downey jr, der ja auch alles spielen kann (“Chaplin”!!) u. sich zuletzt leider viel zu sehr auf Action-Filme konzentriert hat.
    Hach, das Kino, immer wieder gute Posts wert. Ihre Kritiken zu den o.g. Filmen habe ich jedenfalls sehr genossen. 100 % Zustimmung.

  3. Frische Brise meint:

    Um Javier Bardem zu verfallen, empfehle ich dringendst den Film “Das Meer in mir”.

  4. die Kaltmamsell meint:

    No Country for Old Man ist halt sowas von ein Film, den Filmschisserinnen nicht anschaun können, Usul, den meinte ich vor allen Dingen.

    Den ersten Sherlock-Kinofilm mochte ich auch sehr, Julia, der zweite war meiner Meinung nach trotz Beteiligung des hochverehrten Stephen Fry eher bla.

    Vielen Dank für den Tipp, Frische Brise, Das Meer in mir kann ich auf jeden Fall – vielleicht sogar im Original.

  5. Usul meint:

    Ach ja, die Schisserin-Sache, ich musste mir gleich nochmal die hier gültige Definition raus suchen, für alle anderen hier der Link:

    https://www.vorspeisenplatte.de/speisen/2011/01/schissers-digest.htm

    Wobei ich mir jetzt nicht so sicher bin, ob “No Country for Old Men” (NCfOM) da so in diese bedenkliche Kategorie fällt. Ich bin da zwar etwas härter gesotten und kann mir außer Torture-Porn (Hostel …) und ausführlich zelebrierte Vergewaltigungen so ziemlich alles angucken (ok, Musical-Filme gehen auch nicht), aber mir kam NCfOM eigentlich geradezu beschaulich vor, stellenweise gab es ein paar arge Längen, der Film ist eigentlich eher ruhig, das Töten sehr “zielorientiert”. Gut, es gibt ein paar spannende Stellen, aber hey, die gibt es bei James Bond auch.

    Kann man im Zeitalter von Blueray/DVD nicht eine Atmosphäre schaffen, die der Spannung etwas entgegen wirkt? So Nachmittags beim hellsten Sonnenschein auf der Couch mit einem Stück Apfelkuchen? Spulen geht ja auch …

    Jetzt muss ich doch noch mal fragen: Woher kommt die Vermutung, dass NCfOM gefährlich für eine Schisserin ist? Vom Trailer? Ich habe mir den gerade nochmal bei YouTube gesucht und angeschaut, der wird der Geschwindigkeit und Spannung des Filmes überhaupt nicht gerecht. Der Film ist wesentlich ruhiger als der Trailer suggeriert, die Spannung ist vorhanden, aber von einer anderen Art …

  6. Ela meint:

    sehr zu empfehlen (für alle Nervenkostüme) sind auch die Bardem-Filme Biutiful und Before Night Falls. Oder auch Montags in der Sonne.

  7. kid37 meint:

    “No Country for Old Men” ist tatsächlich eher so eine Ballade, nicht brutaler als ein Irving-Roman. Brutal ist allerdings Bardems Frisur, die auch eine niedrigere FSK-Freigabe verhinderte.

    (Ich bin wohl der einzige, der nicht viel mit den Holmes-Filmen von Ritchie (zu viel Actionfirlefanz) und schon gar nichts mit der BBC-Reihe anfangen kann, die ich empfindlich “kalt” finde.)

  8. Anke meint:

    Nein, Herr kid, Sie sind nicht alleine mit dem Nicht-Mögen von Ritchies Hektik und der BBC-Serie.

  9. padrone meint:

    Mir hat der Bond auch sehr gut gefallen. Die roten Fäden – Musik(!), M, Q, Bösewicht, Auto, Mädels (sorry),… – laufen sicher durch. Werden dabei unaufgeregt neu interpretiert (Q!). Es gelingt der Spagat zwischen Überheld (hier sollen die Dinge nach oben fallen – wenn nicht hier wo dann?) und jedermanns Alltag – ohne herumgegurke geht es ums älter werden. Bond “darf” sogar weinen. Fail: Warum läßt sich Bond auf dem Zugdach nicht einfach fallen und mach das Schussfeld frei? Er ist mit der Kommunikation von Assistentin und M vernetzt und weiß, dass gezielt wird…
    Für “Werbung” recht unempfänglich habe ich einen “Schaden” davongetragen… ich interessiere mich – mehr als mir lieb ist – seit einigen Tagen für die Omega Seamaster. Herrje…

  10. Frau Miest meint:

    Den Bond habe ich noch nicht gesehen, steht aber auf der Liste.

    Und die Sherlock-Reihe, die schaue ich auch gerade, wenn auch auf deutsch und finde sie wundervoll.

  11. Ilse meint:

    Bei “Entenlippengesicht” musste ich laut auflachen – jetzt weiß ich endlich, warum ich den ansonsten tadellosen Daniel Craig als Actionheld nicht ernst nehmen kann! Es schmollt, wenn es hart aussehen will!

  12. sarah St. meint:

    Oh ja, ich stimme zu, mehrfach:
    Sherlock Holmes. großartig!
    Und vor allem Das Meer in mir! Großartiger Film, den auch Filmschisser (hier auch einer) anschauen können.

  13. Uschi meint:

    Ich liiiiebe diese Sherlock-Reihe sehr! Kann mich nicht sattsehen, hoffe auf mehr…

    Und auf Skyfall bin ich jetzt schon sehr neugierig – nicht zuletzt, weil Du so positiv darüber schreibst. Mit Daniel Craig als Bond habe ich auch meine Schwierigkeiten, mag aber, daß seine Darstellung der Figur eine Härte gibt, die ich vorher manchmal vermißt habe.

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