Brauthormone
Samstag, 13. Dezember 2003 um 16:06Lyssas Geschichte hat mich wieder daran erinnert: Es gibt da draußen noch einen Nobelpreis für Medizin zu gewinnen – für den wissenschaftlichen Nachweis von speziellen “Brauthormonen”. Anders lassen sich eine ganze Reihe von Erscheinungen in der Frauenwelt nicht erklären.
Zum Beispiel der Umstand, dass auch noch so realitätsverwurzelte Frauen von “Traumhochzeit” sprechen. Gerne in der Kollokation “seit ich ein kleines Mädchen war”. Lange dachte ich ja, das wollten uns lediglich blöde amerikanische Fernsehserien einreden, doch mittlerweile habe das ein oder zwei Mal zu oft selbst gehört. In echt.
Dazu gehört anscheinend ein Heiratsantrag. Es reicht diesen Damen keineswegs, mit dem Partner ihrer Wahl die Eheschließung zu vereinbaren. Nein, es muss ein “Heiratsantrag” her. Im schlimmsten Fall heißt das dann auch noch “Verlobung” und wird mit einer Anzeige in der Lokalzeitung sowie einem Familienfest gefeiert.
Zuständig für diesen “Heiratsantrag” ist in einer heterosexuellen Beziehung offenbar unbedingt der Mann. Der Ärmste ist möglicherweise bis in diese Phase der Liebschaft von einer gleichberechtigten Partnerschaft ausgegangen und weiß nicht einmal, was von ihm erwartet wird: Inszenierung einer romantischen Situation, Oscar-reifer Text, überraschende Details, gerne auch Kniefall, Ring im Wert eines dreiwöchigen Urlaubs nicht vergessen. Es scheint komplett ausgeschlossen, dass eine Frau die ersehnte “Traumhochzeit” selbst herbeiführt.
Oder die Tatsache, dass ein relevanter Anteil der weiblichen Bevölkerung jedes Stilgefühl oder auch nur Modebewusstsein verliert, wenn es um die Auswahl eines Hochzeitskleides geht. In den größten Fettnapf bin ich dazu auf einem Polterabend getappt. Die Braut kannte ich als leidenschaftliche Motorradfahrerin, was sich in ihrem praktisch-eleganten bis sportlichen Kleidungsstil spiegelte. Ich saß also gerade mit dieser Braut über dem vieldutzendsten Glas Sekt zusammen, als ich mich prustend über Frauen lustig machte, die sich an ihrem Hochzeitstag in Sahnebaiser verwandelten. Das Gesicht der Braut erstarrte, ihre Lippen wurde schmal: “Ich habe mein ganzes Leben von einem Sisi-Kleid geträumt.”
Es gibt meiner Meinung nach nur eine Erklärung für die absonderliche Verwandlung, die in diesen Frauen vorgeht: ein eigenes Brauthormon. Es ist möglicherweise gekoppelt an den Fortpflanzungstrieb, denn die Damen, an denen ich es diagnostiziert habe, wurde binnen Jahresfrist nach der Hochzeit schwanger.
Sollte also ein mitlesender Mediziner nach einer Möglichkeit zur Erlangung von Ruhm und Ehre suchen: bitteschön.
die Kaltmamsell4 Kommentare zu „Brauthormone“
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13. Dezember 2003 um 18:43
Klarer Fall, lieber Keule auf den Kopf und an den Haaren aus der Höhle und hinter den Busch gezogen werden. Weiterer Vorteil dabei: Man kann auf die Familienfeierlichkeiten verzichten.
14. Dezember 2003 um 12:18
Liebe Inés,
das Hochzeitshormon, gelegentlich auch als Paarungshormon bezeichnet, wurde bereits im Oktober 2000 von Jörg Kräuter auf einer Tagung im kleinen Kreis postuliert. Dem Hormon werden nicht nur die bereits beschriebenen Effekte sondern auch weitere Phänomene im Bereich der Wahrnehmungsstörungen "Hochzeit als schönster Tag im Leben" zugeschrieben.
Bei einem weiteren Meeting am 27. September 2001 in Neckarbischofsheim wurde das Postulat einer grösseren Hörerschaft dargelegt. Derzeit wird eine internationale Studie zum Nachweis vorbereitet. Dabei geht es um die Entwicklung und Validierung einer indirekten Nachweismethode durch Inhibierung des Hormons mittels massiver Gabe von Tütensuppen im Rahmen einer Doppelblindstudie.
Das abschliessende Studiendesign und die Form der Darreichung steht derzeit noch nicht fest, erste Vorgespräche mit der Ethikkommission wurden von allen Beteiligten als eher ernüchternd beschrieben.
15. Dezember 2003 um 9:24
Ahhh! Gerhard, dass stimmt mich hoffnungsvoll. Es sollte aber in Betracht gezogen werden, dass das Brauthormon möglicherweise erblich ist (also: Mütter befragen). Auch ein Stadt-Land-Gefälle halte ich für möglich.
Das Hochzeitshormon ist eine eigene Untersuchung wert, meine ich. Denn von diesem scheinen auch Männer betroffen zu sein.
15. Dezember 2003 um 15:00
Hör Dir hierzu "Passepartout zum Paradies" von Michael von der Heide an. Ist zwar Schweizerdeutsch, aber ich denke, das wichtigste verstehst Du.
Entweder direkt auf
rtsp://g2.bmg.de:554//bmg/PARI/KAT/SOUND0/REALAUDIO3/T/82876557152-10.rm
oder falls der Link nicht funktioniert, über die Schweizer Seite von bmg:
http://www.bmg.ch/bmg/productdetails.do?Kuenstler_Nr=154000