BoBs – Hintergründe
Mittwoch, 15. November 2006 um 14:11Der größte Gewinn, den ich aus den BoBs-Awards der Deutschen Welle gezogen habe, war der Einblick ins Weltbloggertum. Damit wir alle bei der Auszeichnung nationaler Weblogs mitreden konnten, mussten die Jurymitglieder natürlich recht ausführlich erklären und präsentieren. Und schon da war es ein Fest, die verschiedenen Blogkulturen der Sprachen kennen zu lernen.
In blogaktiveren Ländern als Deutschland haben sich zum Beispiel offensichtlich viel mehr Genres etabliert. Wenn Michael über die spätere chinesische Award-Gewinnerin sagt: „First I though it was just another hospital blog“, wird klar, dass Bloggen aus dem Krankenhaus, das bloggende Verarbeiten schwerer Krankheiten, bereits ein Blog-Genre geworden ist.
In Spanien wiederum ist das Bloggen stark journalistisch und akademisch geprägt; wundert mich nicht, auch hinter der zeitgenössischen spanischen Literatur stehen auffallend viele Journalisten / Dozenten / Ex-Journalisten.
Von Anfang an wurde in den Diskussionen der Jury klar, dass es bei den BoBs in erster Linie um den Inhalt der Blogs gehen würde – inklusive Gesamtidee –, um die Einzigartigkeit (ist das eine unique voice?) und um die Qualität der sprachlichen und fachlichen Präsentation. Wir waren uns einig, dass darin die Errungenschaft des Internet-Publizierens besteht: Jeder hat eine Stimme.
Sehr ermutigend fand ich die Reaktion der anderen Jurymitglieder auf meine Präsentation der deutschen Nominierungen: Sie waren sichtlich beeindruckt, je tiefer ich ihnen die Inhalte und das Profil der Kandidaten erklärte. Auch in der deutschen Bloggerei gibt es Qualität, die sich auf internationalem Parkett sehen lassen kann. (Und ich plaudere sicher keine Interna aus, wenn ich verrate, wie sehr die Jury über Lisa Neuns Zeichnungen lachte – das hier war ein echter Renner – und dass sie immer noch mehr sehen wollte. Die holländische Kollegin Marie-José hat eine gleich in ihrem Blog zitiert.)
Der französische Blogaward ging an einen außergewöhnlichen Öko-Aktivisten, nämlich an ein Blog, das die Auswilderung von Bären und Wölfen in den Pyrennäen behandelt. Anscheinend kloppen sich Befürworter und Gegner dieser Aktion in Frankreich aufs Fürchterlichste und sammeln sich hier online. Lustig an der Präsentation durch Gilles war, dass er das Englische bear hartnäckig wie beer aussprach und wir zunächst von einem Partyblog ausgingen.
Nebendiskussion immer wieder: Wie sehr sollte ins Gewicht fallen, ob ein Blogger fürs Bloggen bezahlt wird oder nicht. Da dieses Thema wohl bereits in den vergangenen beiden Jahren zu Problemen geführt hatte, wollte die Deutsche Welle diesmal mit einer eigenen Kategorie „Corporate Blog“ die bezahlten Blogger einsammeln. Doch zum einen wurde das beim Nominieren nicht so verstanden, zum anderen tauchten Berufsblogger trotzdem in den anderen Kategorien auf. Knackpunkt der Diskussion: Ist die Unabhägigkeit der gesuchten unique voice gewährleistet, wenn jemand fürs Bloggen bezahlt wird (weil das zum Beispiel Teil ihres Redakteursjobs bei einem Printmedium oder beim Fernsehen ist)? Wir sind zu keiner endgültigen Antwort gekommen, die Organisatoren von der Deutschen Welle haben sich aber als Hausaufgaben mitgenommen, dies in der nächsten Wettbewerbsrunde zu thematisieren.
Eine wundervolle Entdeckung war für mich der Gewinner aus Brasilien: Ein Radler, der in Wort und Bild gegen die Dominanz der Autos in brasilianischen Großstädten anschreibt, einfach herrlich.
Die Vorstellung der Nominierungen für den Blogwurst Award verlief erwartungsgemäß heiter: So kam Michael beim Vorübersetzen der Fotostories von „Unusual Real Man“ aus dem Kichern gar nicht mehr heraus.
Oder das „Manifestómetro“, das die Spanier vorschlugen: Drei Journalisten haben eine verlässliche Methode entwickelt, die tatsächliche Beteiligung an Demonstrationen herauszufinden, und zwar mit Hilfe von Google Earth und Fotos der Veranstaltung. José Luis und Ignacio versicherten, dass inzwischen praktisch alle Medien auf die Daten des Manifestómetro zurückgreifen.
An der Runde zum Best Corporate Blog blieb mir sehr die Aktion „Story Corps“ des amerikanischen National Public Radio NPR hängen: Ein Aufnahmestudio fährt durchs Land und lässt die Leute ihre Geschichte erzählen. Das Ergebnis kann man sich über die Website anhören (böte sich doch eigentlich auch für den Bayerischen Rundfunk an, nein?). Da schaue / höre ich sicher künftig öfter rein. Das Blog dazu ist allerdings nichts Herausragendes.
Unter den deutschen Blogs, die ich erst durch die Vorschläge kennen gelernt habe, sind ein paar sofort auf meiner Leseliste gelandet, unter anderem das Psychologieblog: Sachkundige und gut aufbereitete Häppchen zu allen möglichen Psychologie-Themen mit Links zum Weiterlesen. Zum Beispiel eine Systematik innerer Konflikte und worin sie eigentlich bestehen (gefällt mir besonders, weil es mir Munition gegen die meiner Meinung nach nicht existente Unterscheidung Kopf- / Bauchentscheidung liefert. Was die Leute dafür halten, sind einfach nur verschiedene Reflexionsgrade innerer Konflikte.)
Insgesamt, und um die Relationen zu bewahren:
„Die Mehrheit der Internet-User nimmt am Blog-Leben ohnehin nicht teil“, schrieb Gero von Radow im März dieses Jahres, und in Deutschland hat sich das seither ganz sicher nicht geändert. Nicht sicher bin ich mir allerdings, ob das so schlimm ist. Was ist gegen eine deutsche Blogwelt einzuwenden, die vom subjektiven story telling als vielschichtiger Wissensvermittlung geprägt ist? Über die menschliche und emotionale Schiene fahren wir dem gegenseitigen Verständnis und damit dem Weltfrieden leichter entgegen als mit reinem Faktensammeln übereinander.
7 Kommentare zu „BoBs – Hintergründe“
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15. November 2006 um 20:02
Nachdem ich streng in Reihe alle von Ihnen empfohlenen blogs angeguckt habe, habe ich mich in das Foto vertieft. Saft gab es, und Wasser, Kaffee natürlich. Sind das Pralinen da hinten auf dem dreistöckigen Dingens da? Alles scheint vorhanden .Nur finde ich keine Rechner. Haben Sie alle blogs ausgedruckt durchgelesen? Das kann doch nicht sein, die Bildschirme sind bestimmt in den Tisch eingelassen, oder an der Wand, oder??
15. November 2006 um 20:11
Scharfstäugig, liebe croco: Computer, Beamer und Leinwand stehen rechts neben dem Bild im abgedunkelten Bereich. Die meisten hatten aber ihren Klapprechner auf dem Tisch, allerdings meist zugeklappt.
15. November 2006 um 21:15
Nun bin ich beruhigt.
Klapprechner ist übrigens ein sehr schönes Wort. Nach Speicherstäbchen für den Stick suche ich jetzt nur noch nach einem deutschen Wort für Beamer. Werfer klingt mir aber doch zu brachial.
15. November 2006 um 21:49
Der Fachmann an meiner Seite weist darauf hin, dass Beamer auf Englisch eh projector heißt. Wie wäre es also mit Projektor?
16. November 2006 um 18:06
Hihiii, beamer heißt projector, das handy ist ein mobile phone.Tjjjtsss. Projektor gefällt mir.
17. November 2006 um 1:03
Da meine Beurteilungsfähigkeit sich eingleisig auf Bücher beschränkt, überfordern mich BoBs. Aber Ihre Reportage-Fenster hier gefallen mir einfach, egal worüber.
17. November 2006 um 20:49
Klapprechner und Speicherstäbchen – ein Traum.
Früher gabs mal einen PolyLux, einen Tageslichtprojektor auch Overheadprojektor genannt. Auch meine ich mich zu erinnern, das es früher Filmprojektoren gab oder Diaprojektoren……”Projektor” ist alles andere als neu…was an die Wan dgeworfen wird….stehende oder zappelnde Bilder ist dabei gleich….
Ich hab mir sagen lassen, in Italien nennt man das Handy liebevoll: Telefonino – nett, gell?
Nur versteh das in Dland keiner :(