Plumps, Klo!
Montag, 14. Mai 2007 um 11:31So gern ich sonst viel trinke – gestern unterdrückte ich den Trinkimpuls mit Macht. Ich verbrachte nämlich den Nachmittag an einer Stätte meiner Kindheit, die ich zwar seit mehr als 20 Jahren nicht mehr besucht hatte, an der mir aber ein Detail besonders lebhaft im Gedächtnis hing: das Plumpsklo. Und ich grause mich ganz furchtbar vor Plumpsklos.
Dieses Grausen gehört zu der Seite an mir, die mich eine Woche in einem angenehmen Hotel drei Wochen Rucksackurlaub vorziehen lässt, die mich zu einer gefesselten Zuhörerin macht, wenn die eine von ihrer Bootstour im Okavango-Delta erzählt, die andere von Wanderungen im Himalaya, mich selbst aber energisch jeden Ortswechsel verweigern lässt, der mehr als zwei Schritte zurück in der zivilisatorischen Entwicklung erfordert. (Letzterer Reisebericht wurde seinerzeit bezeichnenderweise eingeleitet durch die Erklärung: „Das war kurz nach meinen Diplomprüfungen, und ich hatte genug Geld gespart, um mir entweder endlich eine eigene Waschmaschine zu kaufen oder mit einer Freundin zwei Wochen durch den Himalaya zu wandern. War ja klar, wofür ich mich entschied.“ „Waschmaschine!“ rief ich begeistert. „Himalaya!“ rief gleichzeitig die Erzählerin.)
Zurück zum gestrigen Nachmittag. Ich fuhr mit meinen Eltern zum Grillen in „den Garten“. Das ist ein Baugrundstück in einem langweiligen Dorf weit vor meiner Geburtsstadt (so langweilig und weit, dass nicht mal die zugewanderten Manager des örtlichen Großunternehmens ihre Eigenheime dorthin bauen mögen), das Freunde meiner Eltern vor etwa 35 Jahren kauften, um daraus einen Schrebergarten zu machen. Mein Vater half, ein wunderhübsches altes Holzhäuschen aus einer aufgelösten Schrebergartensiedlung hierher zu versetzen, und als Gegenleistung durften wir auf einem Teil des Grundstücks Gemüse anbauen sowie Häuschen und Rasen für Aufenthalte nutzen (dieses Bild wurde übrigens in besagtem Garten aufgenommen). Meiner Erinnerung nach fand ich das alles als Kind doof. Ich war schon zu alt, um mich an der Schaukel zu freuen, es waren selten andere Kinder zum Spielen da (daheim vor dem Wohnblock gab es immer genug davon), Lesen wäre in meinem eigenen Zimmer ebenfalls bequemer gewesen.
Außerdem ließ man mich auch hier selten in Ruhe lesen, ich sollte ja bei der Gartenarbeit helfen. Pädagogisch gezielt wies man uns Kindern (die grundstücksbesitzenden Freunde hatten drei Töchter, zwei davon etwa in meinem Alter) jeweils ein kleines Beet zu, in dem wir – so die begeisterte Mitteilung – pflanzen durften, was! wir! wollten! Nun, Säen war ja noch ganz nett (ein paar Radieserln, ein paar Karotten, halt lauter so langweiliges Zeug, flächendeckend Erdbeeren ließ man mich natürlich doch nicht anbauen), Unkrautjäten fand ich dann schon ausgesprochen unangenehm (ich glaube, ich wurde sogar mir dem tückischen Argument gemaßregelt, dass ich damit die Erfüllung meines Wunsches nach einem Haustier unwahrscheinlich machte), dass ich Gießkanne um Gießkanne schleppen sollte, wenn vernünftige Menschen doch zur Bewässerung eigens Gartenschläuche erfunden hatten, verschlechterte meine Laune zusätzlich. Dann stellte sich der Boden das Gartens auch noch als problematisch heraus, meine Ernte an Radieschen und Karotten musste ich mit Würmern teilen. Ich überließ ihnen eigennützig das Feld.
Weitere Erinnerungen: Kartoffelkäfer sammeln und Kartoffelkäfereier zerdrücken (blärch!), Buschbohnen ernten (so viel Bückerei, ohne dass man gleich von der Ernte naschen könnte!), Stangenbohnen ernten (weniger Bückerei, aber mütterliche Schelte, weil ich nicht gewissenhaft genug war und viele Bohnen übersah – ich bitte Sie, grün auf grün), Johannisbeeren ernten (waren mir zu sauer, zudem mochte ich die Kerne nicht). Selbst was mir schmeckte (Erdbeeren, Stachelbeeren), durfte ich nicht einfach naschen, weil das Ganze ja nicht uns, sondern den Freunden meiner Eltern gehörte, und ich immer erst mal fragen musste. Diese Konstellation führte auch nach wenigen Jahren zur Lösung des Arrangements.
Und: das Plumpsklo. Zwar gab es einen Wasseranschluss auf dem Grundstück, wenn auch in einer weit von der Hütte entfernten Ecke, aber keinen Abwasseranschluss (noch Strom, aber das störte mich nicht). Als Abort diente also ein im Originalzustand der Hütte angeschlossenes Scheißhäusl, unter dem Donnerbalken stand ein ehemaliger Farbeimer. Ich hasste, hasste, hasste es, dieses Klo zu benutzen. Es war dunkel, eng und dumpf in diesem Scheißhäusl, die Ecken und Kanten waren mit alten und neuen Spinnweben bespannt, darinnen vermutete ich riesige und aggressive Spinnenmonster, überall schien es zu rascheln und zu rumoren, das Sitzbrett war unbequem hoch. Hätte es in der Nähe des Gartens ein Wäldchen oder Gebüsch gegeben, wäre ich lieber dorthin gegangen, doch die Umgebung bestand aus Straßen und flachen Feldern.
An all dieses erinnerte ich mich gestern auf der Fahrt hinaus zum Grillen. Und beschloss, keinen Tropfen zu trinken.
(Hier, fällt mir gerade auf, mag die Wurzel meines innigen Großstädterinnentums liegen, das mir Eigenheim oder gar Aufs-Land-ziehen noch nie verlockend erscheinen ließ.)
die Kaltmamsell5 Kommentare zu „Plumps, Klo!“
Sie möchten gerne einen Kommentar hinterlassen, scheuen aber die Mühe einer Formulierung? Dann nutzen Sie doch den KOMMENTAROMAT! Ein Klick auf einen der Buttons unten trägt automatisch die gewählte Reaktion in das Kommentarfeld ein, Sternchen darüber und darunter kennzeichnen den Text als KOMMENTAROMAT-generiert. Sie müssen nur noch die Pflichtfelder "Name" und "E-Mail" ausfüllen und den Kommentar abschicken.
14. Mai 2007 um 13:23
Aufgrund ähnlicher Erfahrungen in meiner Kindheit war die im Lieferumfang meines Hauses enthaltene große Grünfläche mit Gemüsegarten für mich ein einziger Alptraum. Da es mittlerweile aber unter Garantie niemand mehr wagen würde, mir Gartenarbeiten zu oktroyieren, hat sich meine Beziehung zum Garten sehr entspannt, sodass mir mittlerweile das Garteln sogar Freude macht – aber verstehen kann ich Sie diesbezüglich trotzdem nur allzu gut.
14. Mai 2007 um 13:47
Vieles hat schlicht mit den Perspektiven von Gross und Klein zu tun – wenn ich mir heute den Hang neben dem Elternhaus anschaue, der zu Neubauzeiten staendig von Unkraut befreit werden musste, dann denke ich: Na gut, das kann man in einer halben Stunde geschafft haben, macht doch Spass, so im lauen Sonnenschein. Als Kind war das fuer mich jedoch ein gewaltiges, staubiges Erdgebirge, endlose Schufterei in sengender Hitze, und ein ganzer Nachmittag im Eimer. Hat meine Mutter nie kapiert.
14. Mai 2007 um 17:27
Meine Grosseltern und Eltern hatten und haben einen eigenen, riesigen Garten, in dem wir so ziemlich alles an Obst und Gemüse selber anbauen. War als Kind toll, auch wenn ich aussähen doof fand, ernten war cool. Wir durften naschen soviel wir wollten und für erbeutete Kartoffelkäfer gab es Geld – ein Pfennig pro Käfer – ‘ne Mark habe ich locker geschafft. Und die Käfer wurden dann in einer Essig-Wasser-Mischung ersäuft – auch lustig.
Das einzige, was mich bis heute nervt, sind die doch sehr Landwirtschafts bezogenen Gesprächsthemen. Wann immer ich nach Hause komme ist das zweite Thema nach dem “Wie geht’s?” ein lang klagendes “Wir haben zu wenig Regen. Hach, wir kriegen keinen Regen. Nie regnet’s bei uns”, usw…
14. Mai 2007 um 19:07
Bis zum fünfzehnten Jahr lebten wir in der Stadt. Wenn Bedarf nach Grünem war, besuchte man den Stadtpark oder den Wald. So waren meine Vorstellungen von Landwirstchaft höchst romantisch und kaum mit Arbeit verbunden. Meine Eltern sahen es wohl ähnlich, und zogen aufs Land. Der Weg zur Stadtbücherei war nun weit und man dachte daran, die Energie der Kinder für die Gartenarbeit zu nutzen. Es stellte sich heraus, dass ich so gegen ziemlich alles hochallergisch war. Das rettete mich! Ich konnte also von Februar bis August ungestört lesen.
Das Plumpsklo kannte ich von Besuchen bei der Verwandtschaft, den Geruch kann ich immer noch auf Befehl abrufen. Das Papier bestand aus zurecht geschnittenen Zeitungspapierresten. So hatte ich wenigstens was zu lesen da. Und ich konnte an der dort für die Winterszeit angebrachten Heizspirale mit Hilfe des Papiers kleine Feuer entzünden.
Nach Ferienaufenthalten dort stellte man meist fest, dass ich Würmer hatte. Ich bestehe heute noch darauf, das es da einen Zusammenhang zwischen Klo und Tieren gibt.
14. Mai 2007 um 20:50
Nur zu gern erinnere ich mich an jene Örtlichkeit bei meinen Großeltern in Norddeutschland. Diese – am Ende des Bauernhauses – war nur zu erreichen, wenn man zuvor den Kuhstall passiert hatte. Besonders in den kalten Monaten war es dann doch nicht so schlimm, weil die zehn oder zwölf Wiederkäuer dampfend ihre Wärme abgaben, auf der linken Seite duftete das Heu. Aufpassen mußte man lediglich, wenn eine der Kühe ihren Schwanz hob. Die Zeitungsausschnitte sind mir noch in Erinnerung. Leider auch der Einzug der Zivilisation, die dann das “Geschäft” nur noch im Wohntrakt zuließ. Als Jungen durften wir unser “kleines” Geschäft natürlich auch draußen an jedem Zahnpfahl verrichten. Vorsichtiger wurde ich damit, als mein Großvater mich einmal an einen Weidezaun-Draht pinkeln ließ…