Madrid erlaufen

Samstag, 2. Juni 2007 um 10:34

Am liebsten jogge ich Flüsse entlang; in Madrid wäre also der Manzanares nächstliegend gewesen. Doch obwohl mein Vater als Kind in den wenigen Wassern des Manzanares seine ersten Schwimmversuche gemacht hat (erfolglos, er musste vor dem Ertrinken gerettet werden), konnte ich mich mit dem Gedanken an einen Lauf zwischen betoniertem Flussbett und Stadtautobahn nicht anfreunden. Nahm ich also statt dessen den Parque del buen retiro, in Madrid kurz „Retiro“ genannt. Etwas unterschätzt hatte ich die Größe: Eine große Runde reichte inklusive Anlauf und Rücklauf vom und zum Hotel für eine gute Stunde.

Da gibt es Tauben und Spatzen und Stare und Amseln und viele andere Jogger, fast ausschließlich männlicher Natur, am Stamm einer eher kümmerlichen Palme saß ein Buntspecht. Der Retiro ist ein wunderbares Beispiel für den Wandel in Madrid. Ich erinnere mich noch sehr gut an meine Besuche dort mit Familie in den 70ern, als der Park verkommen war und ungepflegt. Jetzt ist er ein echtes Juwel, mit vielen schönen Kinderspielplätzen, einem eigenen Hundebereich (dass die Madrilenen einst brav mit schwarzen Tütchen den Kot ihrer Hunde einsammeln und in spezielle Kübel am Wegesrand werfen würden, hätte ich mir nicht träumen lassen – überhaupt sind die Straßen der Madrider Innenstadt deutlich weniger mit Hundescheiße beschmutzt als die Münchens oder gar Berlins), Baumbeschilderung, Gärtnerei…

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Morgens um acht schlafen die Tauben noch.

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Nach dem morbiden Charme des verfallenden Retiro meiner Kindheitsurlaube muss man schon sehr suchen.

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Dieses apfelmümmelnde Kaninchen entdeckte ich hingegen per Zufall. (Ein frei herumlaufendes Kaninchen im Retiro. Glaubt mir daheim kein Mensch.)

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Ich erinnere mich noch gut, dass mich der Palacio de cristal vom ersten Anblick an verzauberte – auch wenn er damals nicht viel mehr als ein Haufen Eisenschrott mit zerbrochenem Glas dazwischen war. Bei jedem Anruf der spanischen Verwandtschaft erkundigte ich mich, was aus ihm geworden sei. Seit vielen Jahren ist er jetzt das Schmuckstück des Retiro.

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Im Retiro gibt es nicht nur Kinderspielplätze, sondern auch Seniorenspielplätze. Links radelnde Damen, dahinter eine Apparatur zur Kräftigung der Arme, rechts steigt der alte Herr über Stangen. (Auch das glaubt mir daheim niemand.)

die Kaltmamsell

5 Kommentare zu „Madrid erlaufen“

  1. walküre meint:

    Schön haben Sie es im sonnigen Süden, sehr schön sogar. Man liest zwischen den Zeilen, wie gut es Ihnen geht, und das ist neben der Kultivierung von Fernweh das Beste an der Lektüre …

  2. Indica meint:

    Liebe Kaltmamsell, ich bekomme richtig Lust, das Madrid meiner Studienzeit (anno 88/89) auf Aktualität zu überprüfen. Damals war der Retiro eher mittelschröddelig. Ich glaube, ich muss unbedingt nachgucken, wie das da so ist, in der Stadt, mit der ich damals eigentlich nicht viel anfangen konnte. (Wir wurden beide nicht warm miteinander, die Stadt und ich)

    Ihre Reiseberichte machen so viel Freude – und Appetit darauf, selbst hinzufahren, mitzunaschen und herumzustreifen. Viel Vergnügen noch und lassen Sie sich’s und dem Reisebegleiter schmecken!

  3. Gabriela meint:

    Holá,

    über den Seniorenspielplatz wurde sogar schon im deutschen TV berichtet, es tut sich was in der Zentrale !

    Doch bis Sauberkeit und Veränderungen bis in die Ränder ausstrahlen, müssen wir uns wohl noch sehr gedulden….

    Gracias por tu reportaje – me encanta :-)

    Andaluciasaludos

  4. roman libbertz meint:

    ich wünsche eine wundervollschöne zeit in einer atemberaubenden stadt mit ein bisschen zuviel chaos, hoffe dies tut keinen abbruch

  5. graz meint:

    diese seniorenspielplätze sind mittlerweile in ganz spanien verbreitet. zuletzt habe ich einen auf fuerteventura gesehen. diese werden auch sehr eifrig benutzt.

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