Berlin im Frühling 2014 – 3, Halle (Saale)

Dienstag, 6. Mai 2014 um 7:58

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Die am längsten vorher getroffene Verabredung war die mit Frau Indica für gestern: Die Archäologin, die uns vergangenes Jahr ihre Ausgrabung am Jüdenhof in Berlin gezeigt hatte, Anja Grothe, ist nun für zwei Jahre am Museum für Vorgeschichte in Halle (Saale) angestellt, um dort eine Ausstellung zu kuratieren. Und hatte angeboten, uns am geschlossenen Montag durch dieses Museum zu führen. Nu, es ist ausgesprochen unwahrscheinlich, dass sich für mich in diesem Leben nochmal ein Anlass für eine Reise nach Halle bieten wird. Und auch wenn ich mit Vorgeschichte nur mittelinteressante Pfeilspitzen und Höhlenmalerei verbinde: Die Führung einer Archäologin durch ein Museum würde ich mir niemals entgehen lassen. Schon gleich gar nicht, wenn sie Anja Grothe ist.

Das Museum für Vorgeschichte ist offensichtlich die zentrale Attraktion Halles: Der Weg dorthin ist ab Autobahn genau ausgeschildert.

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Und selbstverständlich enthält es eine Menge Pfeilspitzen:

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Einige hundert davon sind im Atrium an Pfeilen befestigt, die wie im Flug hängen – eine atemberaubende Idee der Präsentation. Und das in einem Eingangsraum zur Sonderausstellung “3300 BC – Mysteriöse Steinzeittote und ihre Welt”, der ohnehin schon mal gehörig beeindruckt.

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Die nächsten Stunden waren ungeheuer spannend: Nicht nur die Ausstellung und ihre Exponate, sondern auch ihre Präsentation. Anja wies uns immer wieder darauf hin, wie viel Raum hier nicht nur das Ergebnis der Grabungen einnimmt und welche Aufschlüsse sie über die Geschichte geben. Heute ist auch der Prozess der Grabungen und Untersuchungen Teil der Präsentation. Im Fall des Museums für Vorgeschichte kommt laut Anja dazu, dass es auf Blockbergungen spezialisiert ist: Der Fund wird nicht vor Ort völlig ausgegraben und dann abtransportiert; statt dessen nehmen die Ausgräber den gesamten Fundort mit. In Halle sind die Restauratoren daraufhin ausgestattet, dass sie auch richtig große solche Blockbergungen analysieren und konservieren können.

Ein Ergebnis hatten wir bereits in der Eingangshalle gesehen: Die Pferdegräber an der Wand. Einem anderen so geborgenen Fund war ein zentraler Abschnitt der Ausstellung gewidmet: Der Neunfachbestattung von Salzmünde.

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Mein Banausinnenblick wurde sofort von einem Detail in der linken unteren Ecke des Exponats gefangen: Ein Hamster!

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Mein Banausentum drückte mich allerdings weniger als ich sah, dass diesem Hamster eine eigene Erklärungstafel gewidmet war. (Und gar nicht mehr, als ich im Büro der Archäologin die Spaßkarte “Hamster des Grauens” entdeckte.)

Glauben Sie mir: Wenn Sie in der Nähe sind, sollte Sie sich Museum und Ausstellung ansehen – auch wenn für Sie Vorgeschichte nur Pfeilspitzen und Höhlenmalerei sind, hüstel.

Die Ausstellung, die Anja kuratiert, wird sich um die Schlacht von Lützen 1632 drehen (die Epoche, auf die Anja eigentlich spezialisiert ist). Und so konnte ich eine Frage, die mich seit vielen Jahren umtreibt, endlich einer Expertin stellten: Woher wussten die Schlachtbeteiligten in dieser und der davorliegenden Zeit, wer gewonnen hatte? Anjas Antwort: “Wer zuerst kneift und vom Schlachtfeld wegrennt, hat verloren.” Aber das habe doch sicher ganz schön lang gedauert, bis sich dieses Wegrennen rumgesprochen hatte, wandte ich skeptisch ein. Worauf Anja mich warnte, die damaligen Kommunikationsmittel zu unterschätzen: Hornsignale, Trommeln, Boten und alle möglichen Läufer hätten in Schlachten für eine erstaunlich schnelle Verbreitung von Informationen gesorgt.

In Halle selbst sahen wir uns auch ein wenig um. Zu Mittag aßen wir Kürbissuppe mit Huhn im Waschhaus, was auch ein solches ist.

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Und in der Nachmittagssonne spazierten wir durch die Innenstadt und ihrem charmanten Mix von Renaissance und Platte (ohne Abbildung).

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Auf den herausragenden Stützen im untersten Bild standen übrigens früher die Aborte.

Abends erstes größeres Bloggerinnentreffen über Tapas. Ich weiß nicht mehr, welcher Impuls mich zur Bestellung von Croquetas trieb: Eigentlich mag ich diese frittierten Bechamelklumpen nicht. Diese hier waren aus Fisch und ausgesprochen trocken. Vielleicht musste ich mich einfach versichern, dass ich Croquetas nicht besonders mag.

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die Kaltmamsell

3 Kommentare zu „Berlin im Frühling 2014 – 3, Halle (Saale)“

  1. Susann meint:

    “Wer zuerst wegrennt, hat verloren!” – so antworte ich auch auf die jährlich wiederkehrende Schülerfrage, wie schön, das mal aus berufenem Munde bestätigt zu wissen!

  2. Sarah Yasemin meint:

    Danke für den Tipp – wird beim nächsten Schwiegerelternbesuch sofort begutachtet !!

  3. antje meint:

    Liebe Frau Kaltmamsell, so wird das aber nichts mit dem rp14-Treffen. Habe Sie heute nur ferne vorbeiwehen sehen – wunderschön in grün und orange (?), nur erkannt dank des 609060-tweet – und auch sehr wenig twitternd sind Sie….
    Morgen?
    liebe Grüsse
    antje

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