Tatortgucken gestern
Montag, 24. September 2007 um 10:53Vielleicht ist man in einer Stadt wirklich angekommen, wenn der dort gedrehte Tatort dokumentarische Information enthält. Dachte ich mir zumindest gestern beim neuesten München-Tatort, als ich feststellte, dass ich nicht nur die Außenaufnahmen sofort einordnete (Gärtnerplatz, Brunnen hinterm Dom, Ruhmeshalle), sondern sogar Innenräume (Theresienhöhe, City Tower). Kommt andererseits nicht an das Erlebnis „Glockenbach-Geheimnis“ hin, als ich aus dem Tatort erfuhr, dass bei mir ums Eck (na gut, um drei bis vier Ecken) ein weitläufiger Neubau entstanden war, den ich am nächsten Tag in Echt besichtigte.
Gestern wiederum überkam mich eine geradezu taoistische Ausgeglichenheit, als sich das dirndlstrotzende Szenario im Fernseher mit dem vor meinem Balkon deckte.
Rügen muss ich neben der schalen Geschichte (Herr Ani, das können Sie eigentlich erheblich besser) den merkwürdigen Schnitt, der mir immer wieder bedeutungsvolle Hinweise zu geben schien, die dann doch nirgendwo hin zielten: Die junge Frau schenkt dem älteren Herrn beim ersten Date einen Gedichtband mit lila Schleife drumrum? Ihr Vater wehrt sich gegen ihre Umarmung, Nahaufnahme seiner Hand, wie sie sekundenlang über ihrem Rücken innehält? Oder die Putzfrauenkollegin, die uns die Kamera während des Gesprächs der Opferputzfrau mit der Polizei immer wieder als Zuhörerin aufdrängt?
Dass dem Batic Ivo sein Gspusi nur halb so alt ist wie er, interpretierte ich sofort als Freundlichkeit gegenüber dem Schreiber der nächsten München-Folge: Er braucht sich nicht um die Dame oder gar eine Beziehung kümmern, weil jeder davon ausgeht, dass aus den beiden eh nichts Langfristiges wird.
Zurück zum tatsächlichen Oktoberfest: Die b’soffenen Heimkehrer wurden gestern als Störer meiner Nachtruhe von den fallenden Kastanien übertroffen. Die beiden riesigen Bäume neben dem Haus zielen dieses Jahr erstaunlich oft auf den schallverstärkenden Metallzaun.
die Kaltmamsell6 Kommentare zu „Tatortgucken gestern“
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24. September 2007 um 11:06
Ja, Kastanien rüsten auf. Ist aber zeitlich absehbar, der Lärm.
24. September 2007 um 11:54
Wegen Wiese gestern seit langem wieder einmal Tatort geschaut und irgendwann gefragt, wann denn der Bulle von Tölz endlich zur Tür reinkommt. Das Münchner Fremdenverkehrsamt kann das jedenfalls getrost als Werbung verbuchen. War’s zuviel München oder das Alter, dass Friedrich Ani zum Holzschnittbrenner geworden ist? Oder waren die Filmer einfach zu embedded, um zu treffend zu werden? Oder sind wir Münchner Zuschauer am Ende selbst schon zu abgehärtet?
Übrigens: Das Bucksbräuzelt war das vom Großmetzger Sieber (zu erkennen am Schild „Mittagessen”).
24. September 2007 um 15:35
Nachdem der Tatort letztes Jahr schon groß angekündigt war und man als Wiesnpendler das eine oder andere mal in die Dreharbeiten geraten war, war die Erwartungshaltung doch groß – und mußte einfach enttäuscht werden. So viele Klischees wollten bedient sein, viele falsche Spuren gelegt… und dann wollte der Drehbuchschreiber doch keinem richtig wehtun. Schade.
24. September 2007 um 18:13
Habe gestern bei Muttern zum ersten Mal mit dem Kind Tatort geschaut, ich dachte, die Wiesn dürften keine Bildungslücke allein gestopft von Olli Khan in “Bravo” bleiben. Das Gspusi sah dann Ollis Dirndlanhang einfachheitshalber ziemlich ähnlich.
Und der Rilke! “Mein Liebelingsbuch” hauchte die Holde. Ich tippe auf ein Geschenkbändchen von Weltbild, vielleicht hat’s die Requisite auch selbst gebastelt.
Den Monolog der Buck im halbfertigen Zelt, wo sie während des Redens noch einen Nagel in eine Bank pfefferte, der war gut.
24. September 2007 um 18:30
Die Kastanienbäume haben wahrscheinlich eh auf die Wiesnheimkehrer gezielt, nur sind die halt so schwer zu erwischen, wenn sie durch die Gegend torkeln.
25. September 2007 um 2:24
So stellt man sich als Fremder halt die Münchner vor.
Und putzig war das Gspusi alleweil…