Journal Montag, 1. September 2014 – die gesundende Krähe
Dienstag, 2. September 2014 um 10:17Entweder, liebe Freunde und Freundinnen des wild lebenden Federviehs, entweder unsere Krähe wurde von einer anderen Krähe von ihrem Wohnast in der Kastanie vor unserem Balkon verdrängt. Oder ihre kaputte Schwanzfeder ist endlich gerade nachgewachsen. Zweiteres halte ich für sehr wahrscheinlicher. Sie ist inzwischen so unzerrupft und gesundet, dass ich sie praktisch nicht mehr von den anderen Krähen mit fleckigem Gefieder unterscheiden kann.
Es wird schon deshalb dieselbe Krähe sein, weil sie weiterhin Angst vor Eichhörnchen hat. Letzte Woche beobachtete ich, wie sie zu ihrem Ast hochhüpfte, als sich gerade ein Eichhörnchen darauf niederließ. Sie hielt inne und hüpfte dann wieder ein Stück zurück.
Fliegen sehe ich sie zwar weiterhin nicht richtig, doch laut Mitbewohner, der sie ausführlicher beobachtet, erklettert sie immer fernere Äste. Doch sie schweigt weiter, auch wenn andere Krähen in der Nähe sind.
§
Beim frühmorgendlichen Crosstrainerstrampeln blieb das Display tot, wohl weil die Batterie leer war. Ich holte flugs den Wecker aus dem Schlafzimmer, um zumindest die Dauer meiner Strampelei zu sehen.
§
Ein kalter, dunkler Tag mit viel Arbeit.
Mittags zum mitgebrachten Fetakäse Tomaten im Supermarkt gekauft, holländische Rispentomaten. Mich noch gefragt, ob es an Masochismus grenzt, wenn ich mir in der kurzen eigentlichen Tomatensaison diesen Gemüseersatz antue. Doch die Tomaten schmeckten köstlich aromatisch, auch in Holland ist wohl echte Saison. (Außerdem wissen wir ja durch die Reportage von Herrn Wurstsack1, dass auch die Sache mit den holländischen Tomaten komplexer ist als die Vorurteile darüber.)
§
Zum Nachtmahl profitierte ich davon, dass sich der Mitbewohner ein neues indisches Kochbuch zugelegt hat:
Sie sehen Reis mit gelben Linsen, grünen Chilis und mildem Gewürz, dazu eine gekochte Joghurtsoße, in der des Mitbewohners frisch eingetroffenen kashmiri chillies zum Einsatz kamen. (Plus Sellerieschnitzel, aber die gehören nicht eigentlich dazu.)
Der Reis mit Soße schmeckte wundervoll und selbst innerhalb meiner Erfahrungen an indischen Gerichten sehr speziell mit seinen Aromen.
§
Im Techniktagebuch hat jemand über die telefonische Kinoprogrammansage in Stuttgart geschrieben. Ich hatte eine ähnliche Geschichte im Hinterkopf gehabt, doch beim Schreiben gemerkt, dass ich fast keine Fakten kannte:
Von wann bis wann gab es sie? Wer stand damals eigentlich dahinter?
Meine Erinnerungen gehen so:
Während meines Studiums in Augsburg (späte 80er, frühe 90er) ging ich viel ins Kino, Augsburg hatte ein wirklich gutes Angebot von elegantem Mainstream- bis schraddligem Programmkino (von dem heute fast nichts übrig ist, aber das versteht sich eigentlich von selbst). Und auch hier gab es das Kinoprogramm telefonisch vom Band. Ich war darauf angewiesen, da ich die Lokalzeitung nicht bezog, und im Web gab es das Programm damals noch nicht. Jeden Donnerstag rief ich von meinem orangen Wählscheibentelefon die Kinoprogrammnummer an; sie gehörte zu den wenigen, die ich auswendig wusste. Die immer gleiche Frauenstimme mit leichtem Ausgburger Akzent verlas dort vom Band gleichtönig das Programm der nächsten Woche. So waren mir “Dreimäderlhaus in Haunstetten” und “Erotisches Non-stop-Programm” vertraut, ohne dass ich diese je besucht hätte. Ich hatte Zettel und Stift zur Hand und schrieb die Vorführungszeiten der Filme mit, die mich interessierten. Manchmal musste ich dafür nochmal anrufen, weil ich beim ersten Durchgang mit dem Schreiben nicht hinterher gekommen war.
Die Kinoprogrammdame war immer gut vorbereitet und versprach sich fast nie (andererseits weiß ich ja nicht, den wie vielten Take ich hörte). Nur einmal passierte ihr ein erzählenswerter Irrtum: Als der Film Malcolm X in die Ausgburger Kinos kam, kündigte sie ihn als “Malcolm zehn” an.
Wobei mir eben einfällt, dass ich sogar eine Quelle für mehr Infos zur historischen Erscheinung des Kinoprogramms am Telefon habe. Wenn ich etwas herausfinde, ergänze ich das hier.
- Möge die Zeit bescheuerter Internet-Pseudonyme nie enden. [↩]
8 Kommentare zu „Journal Montag, 1. September 2014 – die gesundende Krähe“
Sie möchten gerne einen Kommentar hinterlassen, scheuen aber die Mühe einer Formulierung? Dann nutzen Sie doch den KOMMENTAROMAT! Ein Klick auf einen der Buttons unten trägt automatisch die gewählte Reaktion in das Kommentarfeld ein, Sternchen darüber und darunter kennzeichnen den Text als KOMMENTAROMAT-generiert. Sie müssen nur noch die Pflichtfelder "Name" und "E-Mail" ausfüllen und den Kommentar abschicken.
2. September 2014 um 11:56
“Malcolm Zehn” gefällt mir.
Hat der Mitbewohner die Kashmiri Chillies irgendwo bestellt? Wo? Ich suche seit langer Zeit vergeblich.
2. September 2014 um 12:41
Ich habe sie bestellt, ganz einfach über Amazon – es geht aber auch direkt über die (englische) Firma http://chilliesontheweb.co.uk/.
2. September 2014 um 21:53
Kino-Ansage, eeewig nicht mehr daran gedacht, aber “…non-stop laufend Einlass. Programm nur für Erwachsene.” ist auch bei mir hängen geblieben.
2. September 2014 um 23:05
Ich hab Ihnen freilich sofort geglaubt, daß die Krähe krank ist. Nun aber möchte ich doch zaghaft das Wort Mauser in die Runde geben.
3. September 2014 um 6:48
Die Schwanzfedern waren eindeutig abgeknickt, Elbwiese – die Mauser macht doch nicht flugunfähig?
3. September 2014 um 13:47
Ich weiß es nicht von Krähen, leider. Wasservögel werden definitiv flugunfähig und halten sich deshalb massenhaft auf sog. Mausergewässern auf (möglichst abgeschieden und sicher). Konrad Lorenz berichtet über die Graugänse, daß sie die Phase der fast vollständigen Flugunfähigkeit nutzen, um ihren Jungen das Fliegen beizubringen – sie sind dann langsam genug für diese Unterweisungen. Turmfalken in der Mauser sehen aus wie gerupfte Hühner, ungefähr jedenfalls. Und sie fliegen auch etwa (!) so.
Aber: alles nur Halbwissen!
3. September 2014 um 18:44
Krähen werden durch Mauser wohl nicht flugunfähig, außer es war vielleicht Schockmauser (Federn fallen lassen um doch noch einem Freßfeind zu erwischen.)
http://www.wildvogelhilfe.org/gesundheit/federkleid.html
Aber abgeknickt hört sich eher nicht nach Mauser an.
4. September 2014 um 11:37
Dank für den Tip an den Mitbewohner.