Enthüllungen
Sonntag, 4. Mai 2008 um 22:27Da hat Günter Wallraf also wieder getan, wofür er berühmt ist, was sein USP* ist – er hat durch eigenes Erleben himmelschreiende Missstände aufgedeckt.
Nun gibt es in meinem Hirn eine kleine, aber durchdringende** skeptische Stimme, die fragt: Was, wenn – rein hypothetisch -, was, wenn – nur mal angenommen – Herr Wallraf in diesen Betrieb gekommen wäre und alles in Ordnung vorgefunden hätte? Wenn ihm ein legaler Arbeitsvertrag angeboten worden wäre? Die Angestellten zwar eine harte Arbeit gehabt hätten, sie aber so gut geschützt gewesen wären wie möglich? Arbeitsgerät, -material, Rohstoffe in einwandfreiem Zustand gewesen wären? Hätte er dann in der Zeit-Redaktion angerufen und durchgegeben: „Tut mir leid, da ist keine Geschichte.“?
Vielleicht besteht Wallrafs Arbeitsalltag allerdings darin, sich in ein Unternehmen nach dem anderen einzuschleichen – und nur wenn er Missstände vorfindet, bietet er die Geschichte zur Veröffentlichung an?
Diese skeptische Stimme in meinem Hirn wünscht sich sehr, es gäbe einen Text von Günter Wallraf: „Geschichten, die keine wurden, weil nichts aufzudecken war.“ Dann wäre sie, wenn nicht still, zumindest leiser.
*Was aufgelöst inzwischen der leichter zu merkende Unique Selling Point wurde, zumindest in Deutschland, statt der schwierigeren Unique Selling Proposition.
**sowas Owen-Meany-haftes
die Kaltmamsell13 Kommentare zu „Enthüllungen“
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4. Mai 2008 um 23:05
Mag es auch sein USP sein, dass er recht treffsicher die Unternehmen findet, in denen etwas aufzudecken ist?
4. Mai 2008 um 23:38
die sache ist recht einfach: gewallrafft werden nur solche firmen, von denen der gute vorher aus vertrauenswürdiger quelle erfahren hat, dass dort missstände herrschen.
4. Mai 2008 um 23:57
Am schönsten fand ich die Geschichte mit dem Kalb (und dem Photo)…..
Das mit der Tierstory hat er sicher bei der Bild gelernt.
Ach und schön war auch der Hinweis auf die Gärdauer des Ciabatta, da haben sich die Urlaube in der Toscana doch gelohnt.
5. Mai 2008 um 0:39
Na und? Macht dass Lidl jetzt zu einem besseren Arbeitgeber?
5. Mai 2008 um 9:00
Wie wäre es mit der mittlerweile fast vergessenen Methode der Vorab-Recherche? Im Übrigen sind die berufliche Gefilde, in denen Wallraff unerwegs ist, sowas wie die Sklavenmärkte der Neuzeit. “Alles in Ordnung” ist hier ein verquerer Gedanke des Büroarbeiters in einem Konzern mit festen Vertrag und Betriebsrente.
5. Mai 2008 um 9:10
Genau _das_ Gefühl, diese kleine Stimme im Kopf habe ich bei den Geschichten von Herrn Wallraff auch immer.. :-))
5. Mai 2008 um 10:59
Andersrum: Welche Zeitung würde denn „Geschichten, die keine wurden, weil nichts aufzudecken war“ drucken? Auch wenn man Wallraff heißt, sagt dann der zuständige Redakteur “Kommen Sie mal wieder, wenn Sie ‘ne richtige Story haben.”
5. Mai 2008 um 11:22
Es geht doch Wallraff nicht darum mit aller Gewalt eine interessante Geschichte zu schreiben. Er will Misstände aufdecken. Und natürlich recherchiert er vorher, wie jeder gute Reporter.
5. Mai 2008 um 11:23
wäre ja wohl etwas ineffektiv, sich Strasse um Strasse der Bundesrepublik in Firmen einzuschleichen, auf der Suche nach dem Skandal.
Er legt doch selbst in der Reportage offen, dass in dem Fall mehrere schriftliche und telefonische Kontaktaufnahmen von Insidern vorgelegen haben, bevor er sich an die Vorrecherche gemacht hat.
Ich kenne jemanden der ein Jahr lang in einer Münchener Gebäudereinigungsfirma gearbeitet hat und seitdem kann ich mir so einiges vorstellen, was ich mir vorher nicht vorstellen konnte.
5. Mai 2008 um 11:55
Das möchte ich doch stark hoffen, dass er entsprechend vorab recherchiert, zumindest gehört es zu seiner Sorgfaltspflicht als Journalist.
Ich fürchte allerdings auch, es gibt viele, viele Zustände, die mir in meinem normalen Bürojob gar niemals begegnen, die aber sehr wohl existieren.
Die Geschichten, die Sie glücklichwerweise nie lesen mussten”, würde ich jedoch auch gern lesen. Es würde mich beruhigen, zu lesen, dass es überhaupt irgendwo noch halbwegs normal zugeht.
5. Mai 2008 um 17:07
Nun die Überlegung ist insofern hinfällig, weil solche Unternehmen nicht auf Walfraffs ToDo-Liste stehen aus logischen Gründen. Persönlich finde ich, dass jedes Unternehmen und wenn es nur eines sein sollte, dass so mit Mitarbeitern umgeht, wie in diesem Artikel beschrieben bereits ein Unternehmen zu viel ist.
Und vergessen wir eines nicht: ein Teil der Leute, die dort arbeiten wird vermutlich auch noch das Gehalt von der Arbeitsagentur aufgestockt bekommen müssen, um überhaupt auf den AG II-Satz zu kommen.
Mir ist der Skandal noch zu leise.
5. Mai 2008 um 18:25
Warum muss erst jemand wie Wallraff kommen, damit Konsumenten aufwachen ? In “Die Billig-Lüge” (Autor: Franz Kotteder) geht es unter anderem auch um Zulieferfirmen der Diskonter und somit auch um genau die von Wallraff beschriebenen Hintergründe. Die Frau Kaltmansell hats gelesen, ich auch – und wer sonst noch ?
6. Mai 2008 um 7:21
Klärt das Buch die Frage, wo Menschen mit Einkommen unter dem Existenzminimum billig einkaufen gehen können, wenn sie nicht zum Discounter gehen sollen? Das ist doch die eigentliche Crux dabei. Den Discounter heute außen vor zu lassen auf der Einkaufsliste, kann sich ja nicht mehr jeder aus reiner politischer Überzeugung verkneifen selbst wenn er wollte.