Sport kann morden
Dienstag, 15. Juli 2008 um 8:44Extremsportler (und fehlambitionierte Hobbysportler) sind darauf geeicht, Schmerz als Zeichen von Trainigserfolg einzuordnen und sich darüber hinweg zu setzen. Erschöpfung nennen sie „inneren Schweinehund“, den es zu bekämpfen und zu überwinden gilt.
Das ist keineswegs Körperpflege oder -ertüchtigung, sondern Kampf gegen den eigenen Körper und gegen die eigene Veranlagung. In letzter Konsequenz bis zur Selbstzerstörung.
Ich plädiere für eine Rückkehr zum Konzept mens sana in corpore sano (na komm’Se, dafür reicht unser aller Asterix-Latein).
die Kaltmamsell16 Kommentare zu „Sport kann morden“
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15. Juli 2008 um 10:29
Das beste an dem Zitat ist für mich der wechselseitige Bezug: Ein gesunder Körper färbt auch auf die geistige Verfassung ab, umgekehrt ruiniert ein angeknackster Geisteszustand auch den Körper (sic !).
Der Bericht war auch bei uns vielen Medien zu lesen, und fast noch mehr als die Geschehnisse per se hat mich irritiert, dass jetzt den Veranstaltern die Schuld an allem zugeschoben werden soll. Liebe Leute, wie wärs mit HAUSVERSTAND ? Ein Berg ist ein Berg ist ein Berg, und die Zugspitze ist der höchste Berg Deutschlands ! Luis Trenker rotiert vermutlich im Grab (Ich hoffe jetzt für mich, er hatte sich keine Feuerbestattung ausbedungen !) ob dieses Wahnsinns, und meinen Vater, den alten Bergfex, sehe ich vor dem Fernseher sitzen, diese Nachricht kopfschüttelnd aufnehmend und mit ein paar unfreundlichen Gedanken versehend. Ich selber bin keine Bergsteigerin, aber den Respekt vor dem Gebirge, den hat mir mein Vater, der die meisten Berge in Südtirol und Österreich im Alleingang bezwungen hat, durch seine Erzählungen beigebracht. Aber was solls (resignierendes Schulterzucken bitte dazudenken) – solche leichtsinnigen Menschen wird es immer geben, wie anders ließe es sich sonst erklären, dass jedes Jahr Leute auf dem Traunstein (ein vergleichsweise harmloser Berg am oberösterreichischen Traunsee) ihr Leben lassen oder wenigstens von der Bergrettung geborgen werden müssen, weil sie ohne Ausrüstung und mit völlig ungeeignetem Schuhwerk unterwegs sind.
15. Juli 2008 um 11:23
Exactly, walküre. Genau diese Gedanken hatte ich auch, als ich die Nachricht im Fernsehen sah und hörte. Im Hemdchen auf einen 2000er zu klettern, wie bekloppt muss man dafür sein? Das Blöde ist nur, dass jetzt alle Welt schreit, dass der Veranstalter
Schuldverantwortlich sei. Tja, ich bezahle 65,-Euro und darf dafür mein Hirn ausschalten. Tolle Einstellung.15. Juli 2008 um 11:27
Das Zitat entstand meines Wissens nach in Anbetracht eines antiken Bodybuildingstudios und meint “wenn sie doch im gesunden Körper einen gesunden Geist hätten”. Für die Bedeutungsverschiebung sorgten dann wohlmeinende Lateinlehrer.
15. Juli 2008 um 11:53
http://de.wikipedia.org/wiki/Mens_sana_in_corpore_sano
15. Juli 2008 um 11:56
Ich habe mich selbst in den letzten zwei Jahren einige Male höheren Belastungen ausgesetzt und ich plane im nächsten Jahr noch eine Steigerung. Für mich stand bei allem Sporttreiben immer die eigene Gesundheit an erster Stelle. Ich will meine Grenzen austesten und natürlich will ich sie auch verschieben. Aber ich will dabei nicht tot umfallen.
Sport kann nicht morden. Wenn Sportler ihre geistige und körperliche Leistungsfähigkeit falsch einschätzen und bei solch einem Wettbewerb zu Tode kommen, dann tragen sie ganz allein dafür die Verantwortung. Dass man eigentlich dort hochlaufen kann, ist ja vielfach bewiesen, nur unter den gegebenen Bedingungen haben es zwei Sportler nicht geschafft. Welche Kleidung sie trugen, wissen wir nur aus den Medien. Es gibt sehr gute mehrschichtige Funktionsbekleidung, die gleichzeitig leicht ist und warm hält. An der Kleidung allein kann es (meiner Meinung nach) nicht gelegen haben, da waren bei den beiden Sportlern auch andere Einflussfaktoren im Spiel.
Ich finde den Spruch »mens sana in corpore sano« generell nicht falsch, er wird allerdings leicht zum Werkzeug in der Hand von Demagogen, wenn man ihn mit »Nur in einem gesunden Körper …« übersetzt.
Viele Sportler kennen Erschöpfung und Schmerz aus dem Wettkampf. Ich finde, dass es da eine Grenze zwischen »positiver« und »negativer« Erschöpfung gibt, die jeder für sich selbst finden muss. Am Tag nach einem Lauf über 21, 28 oder 42 Kilometer werden sicher bei den meisten Leuten einige Körperteile weh tun. Aber auch hier gibt es meiner Meinung nach positive und negative Nachwirkungen.
15. Juli 2008 um 12:00
Volle Zustimmung, Walküre. Wenn man schon auf die Idee kommt, fast unbekleidet auf einen Berg zu laufen, sollte man doch zumindest genug Grips haben, um beim ersten Anzeichen von Schnee umzudrehen und schleunigst wieder hinunterzulaufen.
Meinem Lateinlehrer war es übrigens immer sehr wichtig, darauf hinzuweisen, dass das Zitat unzuverlässig verkürzt ist – die vollständige Übersetzung müsse lauten “Es wäre wünschenswert, dass in einem gesunden Körper auch ein gesunder Geist steckt” (was der Autor aber angesichts des Verhaltens der Gladiatoren bezweifelte). Ob das eine allgemein anerkannte Interpretation ist, müsste man recherchieren – passen würde es jedenfalls.
15. Juli 2008 um 12:24
Ups, da hatte ich das Fenster vor dem kommentieren nicht refreshed. Sorry für die Inhalts-Doppelung.
15. Juli 2008 um 15:01
… man muß – wenigstens im Sport – das Unmögliche wollen, um das Mögliche zu erreichen. Nicht jeder sieht einen Reiz darin, sein Potential voll auszureizen. Muß man ja auch nicht. “Passion” trifft es wohl genauso wie “Leidenschaft” (die manchmal Leiden schafft, sozusagen) – manche Menschen haben solche Passionen, die weit mehr sind als ein Hobby, andere nicht. Man kann das doch gegenseitig respektieren, ohne es zu verurteilen?!
(Sehr schön finde ich dazu folgendes Zitat (zu finden unter http://flipcatch.wordpress.com/2008/06/27/chalked-up-book-review/); besonders der letzte Satz trifft es ziemlich gut:
“And that’s the key word there: passion. Do you have one? Have you ever had one? If so, then you’ll understand what having a passion means. Those that never have had one, won’t get it. Having a passion to do something is incredible. Its a drug, an addiction, its relentless and unforgiving. It blinds us, separates us from friends and family, drives us to get up everyday and to stay involved with it long after dark. If you have a passion for something, you will throw yourself at it as much as you can, you will dream about it, it will twist your perspective on the world and you will be drawn towards those that share the same thoughts. Its a black hole of happiness, sense of purpose, social acceptance/exclusion (depending on the activity) and of course – Love.”
15. Juli 2008 um 15:56
passion schön und gut, dann aber bitte nicht dem veranstalter die verantwortung für die eigene selbstüberschätzung in die schuhe schieben.
15. Juli 2008 um 16:42
Leidenschaft, Irrsinn – same difference. Wenn’s schee macht…
Oder tot. Also in Summe a scheene Leich.
16. Juli 2008 um 7:42
Und ich dachte, ich bin die Einzige, die über die Schuldzuweisungen in Richtung Veranstalter den Kopf schüttelt. Spontan fiel mir die Geschichte einer befreundeten Sportskanone ein, die nach einem kleinen Fehltritt beim Wandern ein ganzen Wochenende die Zähne zusammenbiß (“Wer wird denn wehleidig sein?”), nur um dann nach einer klitzekleinen Ohnmacht und dem Besuch der Notaufnahme von ihrem gebrochenen Fersenbein zu erfahren…
16. Juli 2008 um 10:50
Mir scheint, bei solchen Veranstaltungen geht das Unterscheidungsvermögen zwischen Natur und Parcours verloren, oder besser zwischen: Realwelt und Simulation.
Beim Bunjee kann ich als zahlender Gast mit Recht erwarten, dass der Veranstalter beim TÜV war, da kaufe ich mir eine Simulation von Gefährlichkeit.
Als Bergsteiger gehe ich alleinverantwortlich auf einen Realberg mit Realwetter und Realgefahr.
Ganz typisch auch: Letztes Jahr ist der Lauf wohl wegen schlechten Wetters abgesagt worden, da war großes Gemurre und Gemecker unter den Teilnehmern, nach dem Motto schlecht vorbereitetes Event. Dieses Jahr wollten sie wohl den Lauf nicht noch mal ausfallen lassen und schon ist der Veranstalter schon wieder schuld.
16. Juli 2008 um 12:47
Mich fasziniert immer wieder, wie viele Menschen die Zeichen ihres Körpers überhaupt nicht deuten können. Wenn irgendwer der Meinung gewesen wäre, Schmerz wäre etwas anderes als ein Warnsignal und gehört «nur» wegtrainiert, hätte dieser Jemand vermutlich den Menschen gleich mit Schmerz on Board ausgliefert. Hat er aber nicht. Darüber kann man nachdenken. Oder sich weiterhin selbst ruinieren.
16. Juli 2008 um 20:48
Schmerz == Warnsignal: das scheint mir etwas zu einfach. Es gibt doch (nicht nur beim Sport) bestimmte Situationen, in denen der Mensch seinen Körper bis an die Grenzen belastet und überhaupt keinen Schmerz bemerkt — oft kommt der erst Stunden später. Es gibt z.B. bei Marathonläufern einen Punkt, an dem bestimmte Stoffe im Körper freigesetzt werden und ab dem alles wie in einem Glückszustand von selbst weitergeht.
17. Juli 2008 um 6:45
Naja, Stefan, der Marathonläufer hat natürlich im Laufe des Trainings seinen Schmerzpunkt auch weiter nach hinten trainiert. Also Schmerz ist für mich schon ein Warnsignal. Das heißt aber natürlich nicht automatisch, dass Schmerz immer gleich verfügbar ist, wenn im Körper etwas schief läuft. Klar.
17. Juli 2008 um 11:36
Beim Marathon, auf dem Laufband, sogar beim Isarlauf kann man Sport auf den Kampf gegen oder mit dem Körper verkürzen, rein introspektiv; ich und mein Schweinehund, ich und meine Fitness, ich als passionate Leistungsmaschine.
Beim Bergsteigen ist das aber nicht so. Da muß interagiert werden mit Außenbedingungen, d.h. man geht NIE an die Grenze der Leistungsfähigkeit, weil man IMMER noch runter kommen muss.