Journal Sonntag, 10. April 2016 – Letzte Tage
Montag, 11. April 2016 um 6:46Nach langem Ausschlafen gemütliches Bloggen, außerdem ein schönes Telefonat mit meinem Vater, der inzwischen auf Reha ist. Und sich dort sehr langweilt: Der Mann ist ein Bewegungs- und Unternehmungswesen, stille Beschäftigung, am End’ auch noch mit sich selbst, kann er gar nicht. Ich nehme an, er wird in den nächsten Tagen dafür sorgen, ein doppelt so dichtes Reha-Programm zu bekommen wie eigentlich vorgesehen.
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“Lebe jeden Tag, als wäre es dein letzter” wurde mir als Denkaufgabe gestellt. Ich habe das mal ernst genommen, nicht einfach abgewunken, sondern bei Menschen nachgelesen, die solche Kalendersprüche ernst nehmen. Zum Beispiel “Glücksdetektiv”.
Der Haken: An meinem garantiert allerletzten Tag würde ich mich an mein Wohnzimmerfenster setzen und einfach rausschauen. Mir ginge es gut. Ich müsste endlich keine Pläne mehr machen und mir nicht mehr ausdenken, wie ich all die vielen Jahre Leben für alle Beteiligten möglichst schadlos, wenn nicht sogar bereichernd rumkriege. Ich müsste gar nichts mehr. Diesen innigen Wunsch und die große Erleichterung darüber, dass mein Leben endlich vorbei wäre, kalkulieren die Besinnungsfreundinnen und -freunde bei ihren Denkanstößen als Möglichkeit nicht ein. Manche finden das Leben halt nicht viel zu kurz.
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Herr Kaltmamsell buk einen Pastinakenkuchen nach einem nahöstlichen Rezept aus Spezialitäten der Welt köstlich wie noch nie, Gräfe und Unzer 1982. Neben gekochten, pürierten Pastinaken und Walnüssen kommt noch reichlich Butter rein, umkleidet wird das ganze ebenfalls mit gesüßter Butter.
Schmeckt durchaus interessant und gut, der Gehalt eines Stücks bringt einen locker das Matterhorn rauf und wieder runter.
die Kaltmamsell4 Kommentare zu „Journal Sonntag, 10. April 2016 – Letzte Tage“
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11. April 2016 um 9:09
Ihr Lebensüberdruss, liebe Frau Kaltmamsell, bekümmert mich, obwohl ich ihn bis zu einem gewissen Punkt zu verstehen glaube. Auch für mich hat der Tod keinen Schrecken – kommt er heut, ist gut, kommt er morgen, auch. Das Sterben selbst aber schon. Weil unser Land es unnötig erschwert.
Das wäre natürlich ein anderes Thema.
So, wie ich es sehe, leben Sie mit Ihrer latenten Depression überwiegend doch ganz gut und durch Ratgeber verordnete Lebensfreude kann von einer reflektierten Person wie Ihnen nur als Witz betrachtet werden. Die Flut derartiger Offerten, die den Büchermarkt erfolgreich überschwemmen, offenbart aber die verbreitete Ratlosigkeit und die Suche nach dem Sinn des Lebens. Meine These (und meine Erfahrung) ist, wer “gläubig” ist, kann beinahe alles glauben. Manchen hilft das sogar, das will ich nicht mal bestreiten.
Ich selbst habe irgendwann akzeptiert, dass ich nicht die bin, die ich gern wäre, sondern nur Trulla.
11. April 2016 um 11:42
Das interessiert wahrscheinlich nur peripher, aber das Gefühl hatte ich auch recht oft. Und dann kam das Kind, und man ist so dermaßen in der familiären Tretmühle, dass für deprimierte und lebensüberdrüssigen Gedanken keine Zeit mehr bleibt – wenn auch der Teil mit “Ich müsste endlich keine Pläne mehr machen und mir nicht mehr ausdenken, wie ich all die vielen Jahre Leben für alle Beteiligten möglichst schadlos, wenn nicht sogar bereichernd rumkriege” immer noch stimmt. Aber dann bezieht sich das auf den Tag, an dem das letzte Kind selbstständig geworden ist. (Bitte nicht falsch verstehen, das soll gar kein Plädoyer für Kinder sein. Nur die Beschreibung einer mich überraschenden Tatsache.)
Ich bin jetzt schon sehr gespannt, ob dann die generelle Leere wieder öfter kommt.
11. April 2016 um 17:03
Meine Tage im Ruhestand sind meistens voraus geplant, wohin reisen, was essen, wandern wenn die Wetteraussichten gut sind, Stadt bummeln, nichts tun usw. Ich denke nie daran, dass morgen der letzte Tag sein könnte, geniese einfach was kommt und vertreibe trübe Gedanken mit positiven! Schade, dass Sie oft so Trübsal blasen.
11. April 2016 um 18:09
Ich erkenne beim besten Willen kein Trübsal, geschweige denn eine latente Depression in dem Text. Eine realistische Selbstbetrachtung schon eher.