Journal Freitag/Samstag, 15./16. April 2016 – Theresienwiesenflohmarkt
Sonntag, 17. April 2016 um 9:31Auf Freitag sauschlecht geschlafen, statt Frühsport eine halbe Stunde Schlaf drangehängt. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt bei Weckerklingeln den Wecker verstellt habe um weiterzusschlafen.
Mittags hatte ich mich in einem nur Schaufenster-großen neuen kleinen Café mit einer Kollegin zum Essen verabredet. Ich aß ein Stück Quiche, viel aufregender aber war die Lavendellimo (Cucumis) dazu: Die kann ich mir ausgezeichnet mit Gin als Longdrink vorstellen.
Abends traf sich meine kleine Leserunde. Wir sprachen über Tim O’Brien, July, July, die Geschichte einer College-Abschlussklasse Jahrgang 1969, die sich 2000 wiedertrifft. Ich mochte das Buch nicht, die Figuren und Lebensgeschichten kamen mir vor wie stereotype Versatzstücke aus Hollywoodfilmen, nicht wie echte Menschen. Das wurde nicht dadurch gerettet, dass 1969 und 2000 kapitelweise abwechseln und zum Schluss nochmal ganz große nicht-realistische Erzählgeschütze aufgefahren werden. Das letzte Drittel hatte ich eher überblätternd gelesen.
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Für Samstag war der Wecker gestellt: Theresienwiesenflohmarkt. Die ersten Platzreservierer hatte ich schon am Donnerstag auf meinem Arbeitsweg gesehen, beim Heimweg am Freitagabend war der Flohmarkt bereits zu 40 Prozent aufgebaut.
Samstagmorgen hatte ich eigentlich keine Lust (seit ein paar Tagen Schatten auf der Seele), doch ich hatte bestimmte unaufschiebbare Einkäufe dort geplant. Entgegen der Wettervorhersage war es sonnig, und tatsächlich fand ich auch etwas, sogar mehr, als ich erhofft hatte. Unter anderem schoss ich ein Schnäppchen an Sechziger-Abendkleid in ganz hellem Aqua – das sich daheim auch noch als wie angegossen passend erwies (= keine Ausgaben für die Änderungsschneiderei).
Allerdings brauche ich dazu dringend Schmuck fürs Handgelenk – den ich ich nie trage, weil mich Gebämsel am Handknöchel wahnsinnig macht -, ein Armband, optimalerweise mit Amethysten. Und ein bis drei Runden im Solarium, damit meine nackten Arme perfekt dazu passen. Ein passendes Diadem würde ich auch nicht von der Bettkante schubsen, aber die bekommt man bekanntlich vererbt und dafür habe ich mir entschieden die falschen Vorfahren ausgesucht. Ein Foto des Gesamtoutfits gibts zu einem Anlass Ende April. Zum Glück habe ich nämlich überhaupt kein Problem damit, komplett overdressed zu Anlässen zu erscheinen, solange es bequem ist.
Überrascht war ich, dass weniger Stände den Flohmarkt bildeten als in den Jahren davor.
Herr Kaltmamsell (dem ich geschafft hatte zu sagen, dass gerade alles sehr traurig ist, Morgensonne und Frühling hin oder her) passte auf mich auf, übernahm die Einkäufe und schickte mich zum Schwimmen. Eigentlich ist ja das Ritual, dass wir nach dem Theresienwiesenflohmarkt auf dem Frühlingsfest eine Bratwurst frühstücken.
Auf dem Weg zum Schwimmen füllte ich Kaffeevorräte auf (und freute mich auf die Aussicht, dass das nächste Vorratauffüllen in Brighton stattfinden wird). Schwimmen im Olympiabad war erst anstrengend, dann aber immer besser. Derzeit plagen mich ja böse Hüftschmerzen, die diesmal die Knie gleich mitnehmen. Schwimmen war erstaunlich gut dagegen. Ein wenig Abschied vom Olympiabad genommen, im Mai schließt es erst mal für Renovierungen – dachte ich, doch beim Gegencheck stellte ich fest, dass der Schwimmbetrieb schon nach drei Wochen Schließung wieder aufgenommen wird.
Daheim Frühstück und Siesta.
Ich hatte noch gemahlenen Mohn aufzubrauchen und wollte ihn mit Äpfeln kombinieren: Dieses Rezept stellte sich als ideal heraus. (Leider kann ich seit einiger Zeit nicht mehr auf Blogspot-Blogs kommentieren, mit keiner der angebotenen Methoden, sonst hätte ich mich vor Ort bedankt.) Statt weit importiertem Rohrzucker nehme ich allerdings immer heimischen Rübenzucker. Schließlich kenne ich aus meiner Kindheit in einer Zuckerrübengegend noch die eigenen Schienen für Rübenwaggons (mittlerweile alle verschwunden oder zu Radwegen umgebaut), zu Studienzeiten wohnte eine Freundin in Regensburg in Sicht- und Riechweite einer Südzuckerfabrik, also habe ich dazu durchaus eine persönliche Beziehung. Und überhaupt ist chemisch gesehen Kristallzucker gleich Kristallzucker.
Die in den Zutaten angegeben Zimt (ich nahm 1 gestrichenen Teel.) und gemahlenen Ingwer (1/2 Teel.) mischte ich unters Mehl (sie tauchen in der Zubereitung nicht auf).
Das Ergebnis war ausgesprochen köstlich: Saftiger Mohnrührkuchen mit Apfelstücken und hin und wieder Mandelstückknurpsel.
Zum Abendbrot backte ich Coca de verdura, gestern überließ Herr Kaltmamsell wegen Arbeitsüberlastung die Küche ausnahmsweise mir. Mangold und Petersilie dafür kamen aus Ernteanteil.
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Von mir aus sieht der neue kanadische Premierminister Trudeau auch gut aus: Ich finde es respektlos, in politischen Zusammenhängen darauf herumzureiten. Kann es sein, dass die Berichterstattung damit seine wirklich fortschrittliche Politik kleinmachen möchte? Indem sie diese lediglich als Dekoration eines dekorativen Menschen darstellt? Bloß weil diese Art der Berichterstattung bei Frauen in der Politik nerviger Standard ist, wird sie nicht angenehmer, wenn ein Mann das Ziel ist. Herr Trudeau scheint sich ebenfalls unterschätzt zu fühlen:
“Handsome Canadian Prime Minister Justin Trudeau Gives Passable Off-the-Cuff Lecture on Quantum Computing”.
Und ich hoffe sehr, sehr, dass die ständige Wiederholung von hot und handsome im Text dazu satirisch ist.
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Nachschlag zu der Guardian-Auswertung seiner Online-Kommentare: Wie geht es der Frau, die die Spitzenreiterin als Ziel von Beleidigungen und Angriffen ist?
“Insults and rape threats. Writers shouldn’t have to deal with this”.
For all the progress women have made, there’s always an online comment section or forum somewhere to remind us that, when given anonymity and a keyboard, some men will use the opportunity to harass and threaten.
(…)
Because the harassment doesn’t begin and end on the Guardian website – being on social media has become, for better or worse, part of being a writer online. And the things you publish for one site have a ripple effect across all of your various social media profiles. It’s a workplace harassment issue that doesn’t stop at the workplace.
(…)
I’ve been writing online long enough to not attach my value as a person or writer to strangers’ opinions, but it would be a lie to say that the cumulative impact of being derided daily isn’t damaging. It is. It’s changed who I am on a fundamental level. And though I’d still like to think of myself as an optimistic person, being called a “cunt” or “whore” every day for a decade leaves its mark.
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Welche unerwarteten Folgen ein Handyverbot bei Veranstaltungen haben kann:
“Es ändert sich nichts: Keine Mobiltelefone an geheimen und gefährdeten Orten!”
4 Kommentare zu „Journal Freitag/Samstag, 15./16. April 2016 – Theresienwiesenflohmarkt“
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17. April 2016 um 10:18
Ich freue mich, dass Herr Kaltmamsell auf Dich aufpasst! Sehr.
17. April 2016 um 17:28
Creezy spricht mir aus der Seele
17. April 2016 um 21:15
Danke für dieses Rezept bzw. dem link dazu. Habe nämlich Mohn hier liegen und bisher kein passendes Rezept gefunden.
18. April 2016 um 9:31
Ich freue mich über den Link und ärgere mich über Blogspot. Leider reichen meine technischen Fähigkeiten nicht, Ihnen das Kommentieren (bei mir) wieder zu ermöglichen. Schön, dass der Kuchen gefallen hat. Und ich bin gespannt auf das Foto im zierlichen Aqua-Kleid!