Journal Sonntag, 13. November 2016 – Wir kaufen wirklich eine Gärtnerei
Montag, 14. November 2016 um 6:34Wir, das Kartoffelkombinat, kaufen also tatsächlich eine Baumschule in Spielberg und machen daraus unsere Gärtnerei. Das beschlossen wir gestern in einer außerordentlichen Generalversammlung. Hurra!
Aufsichtsrat und Vorstand präsentierten den Antrag in Einzelschritten (Immobilienkauf – Finanzierung des Kaufs – Konzept des Betriebs – Finanzierung des Betriebs). Nach jedem Schritt bat der Aufsichtsratvorsitzende um ein Stimmungsbild, mit den Farbkarten grün (dafür), weiß (na ja), rot (dagegen). So zeichnete sich auch Schritt für Schritt ab, dass der Gesamtantrag, der aus all den Schitten bestand, angenommen werden würde.
Tatsächlich hatten mich die politischen Ergebnisse der vergangenen Monate verunsichert. Als es hieß, dass sich unerwartet viele Menschen zur Generalversammlung angemeldet hätten (es waren 250, ein Viertel aller Genossenschaftlerinnen und Genossenschaftler), reagierte ich nicht sofort mit Freude – ich fürchtete, dass sich jetzt, kurz vor knapp, die Gegner und Gegnerinnen zeigen würden (und nicht schon auf den 20 Infoveranstaltungen und Besichtigungen der Baumschule in den vergangenen Monaten). Zumal nicht mal die Hälfte der Mitglieder weitere Genossenschaftsanteile (à 150 Euro) für eben diesen Kauf gezeichnet hatten – und das, wo doch die eigene Gärtnerei das erklärte Ziel des Kartoffelkombinats war und ist.
Doch dann stimmten 100 Prozent dem Kauf zu, alle. (Hier ein paar Fotos von der Generalversammlung.)
Was mir aber beim Blick auf unsere Genossenschaft mal wieder auffiel: Das ist schon eine sehr akademisch geprägte und homogene Gruppe. Gehöre ich damit schon wieder zu Ausgrenzerinnen und Elite und erzeuge Wut? Kann man sauer werden, wenn Leute wie ich auf die Folgen des Kaufs von Supermarktgemüse hinweisen? “Jetzt soll ich mir wegen politischer Korrektheit darüber AUCH noch Gedanken machen?!” Wenn Leute wie ich sich für Alternativen engagieren? “Die hält sich wohl für besonders gescheit?! Wahrscheinlich sogar für etwas Besseres!”
Und schließlich: Sind vielleicht genau diese Sorgen von uns Liberalen am End’ herablassend und arrogant?
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Nachmittags erste Weihnachtsstollen gebacken, die Charge zur Versendung an die italienische Verwandtschaft.
die Kaltmamsell21 Kommentare zu „Journal Sonntag, 13. November 2016 – Wir kaufen wirklich eine Gärtnerei“
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14. November 2016 um 7:21
Akademische Überheblichkeit zeigt sich im Umgang miteinander, im Alltag, nicht, wenn Sie sich entscheiden, Gemüse nicht im Supermarkt zu kaufen. Ich habe kein Abi und bin trotzdem nicht auf den Kopf gefallen, habe es mit einer Ausbildung zu verhältnismäßig viel gebracht. Mein Bruder ebenso. Wir sind an unseren Arbeitsstellen auch von den Akademikern hoch geschätzt, weil wir fleißig sind und einen Überblick über das große Ganze haben und nicht mit Tunnelblick an die Arbeit gehen. Und trotzdem muss ich mich ständig blöd fühlen, wenn in einer Runde voller Akademiker gefragt wird, welche Lks man hatte und direkt die Frage kommt: “Und was hast Duuuuu studiert?”, als gäbe es keine Alternative dazu. Zu Gute halten muss ich solchen Leuten, dass sie mir mit diesen Fragen das Gefühl geben, ich könnte auch eine akademische Laufbahn eingeschlagen haben. Ganz so assi verhalte ich mich mit meiner Mittleren Reife also wohl nicht. Da fällt so mancher Akademiker manchmal mehr aus der Rolle.
Kein Abi haben wir übrigens, weil unsere Eltern der Meinung waren, lieber glücklich mit einem Level, das wir gut meistern können, als Überforderung mit Abi. Und wieviele Kinder kamen in der 7. Klasse aus dem Gymnasium zu uns in die Klasse…
14. November 2016 um 8:23
Für mich ist es sogar umgekehrt, die.sandra: Ich komme aus einer Generation und Schicht, in der nur 10-20 Prozent eines Grundschuljahrgangs aufs Gymnasium übertraten, ich ging im Berufsleben bei den wenigsten davon aus, dass sie studiert hatten. Und die Frage nach Lk schließt ja nicht nur die aus, die kein Abi haben, sondern unter anderem auch Menschen mit ostdeutschen Schulabschlüssen.
14. November 2016 um 8:24
Also ich bin ja beinahe so eine Art “girl from the trailer park” (zumindest was Phasen meiner Jugend betrifft) und habe den Weg durch die akademischen Institutionen schon relativ weit geschafft. Ich kann versichern, dass mir auf jeder Stufe dieses Weges unterschiedliche Ausprägungen von Offenheit und Intelligenz und unterschiedliche Ausprägungen von Borniertheit und Arroganz begegnet sind, und zwar in allen stochastisch möglichen Kombinationen miteinander. Ob daraus eine Stimmung von Abgrenzung, Segregation und Ablehnung zwischen sozialen Gruppen oder auch Individuen wird, ist m.E. auf allen Seiten letztlich wieder eine Charakterfrage. Wie man sich dann im Einzelfall ideal verhält und positioniert, weiß ich trotzdem auch oft nicht.
14. November 2016 um 9:08
Ich kann Ihre Bedenken bzgl. des “Akademikerkombinats” gut nachvollziehen. Mir fallen zwei Dinge dazu ein:
Schon “20 Infoveranstaltungen” würden viele sicher abschrecken, die Sie für eine gemischtere Gruppe gerne dabei hätten. Da fehlt oft nicht nur die Zeit, sondern auch die Energie.
Und, warum nicht die beteiligte Gruppe von einer ganz anderen Seite aus öffnen: Wenn das Kombinat sich so vergrößert, braucht es sicher auch weitere Mitarbeiter/innen. Die könnte man z.B. über den Integrationsfachdienst anheuern, der Menschen mit Behinderung hilft, auf dem ersten Arbeitsmakt Fuß zu fassen. Für den Arbeitsgeber gibt es hohe Lohnzuschüsse, er bekommt oft hoch motivierte Mitarbeiter/innen und die Kombinatsidee trägt sich so quasi von selbst in andere gesellschaftliche Kreise.
14. November 2016 um 9:25
Oh, das hatte ich missverständlich ausgedrückt, Wiesel: Die 20 Infoveranstaltungen hatten denselben Inhalt, sie fanden über das gesamte Einzugsgebiet statt, damit niemand weit anreisen musste. Es genügte die Teilnahme an einer, um sich zu informieren. Deshalb wunderte es mich, dass das insgesamt nicht mal die Hälfte der Mitglieder nutze.
Die Inklusion von Behinderten hatten wir erfreulicherweise während der vergangenen beiden Jahre, als unsere Partnergärtnerei das Franziskuswerk in Schönbrunn war – leider ging es von deren Seite nicht weiter. Auf genau solche Details achtet das Kartoffelkombinat zum Glück.
14. November 2016 um 9:29
thema klassenkampf reloaded, wenn auch nur durch innerliche bedenken und überlegungen.
eine gruppe von gleichgesinnten findet sich – zumindest meiner erfahrung nach – in “höheren bildungskreisen” einfach leichter zusammen, weil diese “kreise” schon durch die schul- und ausbildung gewohnt sind, mit selbstinitiative in gruppen zu arbeiten. das ist etwas, das bei den meisten lehrberufen z.b. schlichtweg unter den tisch fällt: einerseits wird gemacht, was der “meister” sagt, andererseits hat das zusammenfinden zur besprechung von was auch immer ganz oft schon im vorhinein den beigeschmack gewerkschaftlicher organisation, die notwendigerweise zu destruktivem verhalten führen muss (ähem), und deshalb nicht gerne gesehen wird. auch das implementieren neuer wege ist meist eher unbeliebt (hamma imma scho so gmocht). und zum delegieren muss man angeleitet werden, und auch ermutigt, dass das nicht einfach ist wissen wir auch.
dazu kommt, dass sich leute mit berufen, in denen sie auch am abend, nachts oder am wochenende (koch, kellner, gärtner, friseur, verkehrsbetriebe aller art, it, usw., denken wir doch einmal ehrlich nach wie viel davon für uns alle selbstverständlich ist) ungern auf experimente einlassen, bei denen zeitmanagmenttechnisch eine grosse, vor allem aber fremdbestimmte herausforderung droht: dienstpläne richten sich nicht nach dem wasserbedarf einer gärtnerei, schichttauschen muss man oft genug wenn wer krank wird, auf urlaub geht, ein kind krank wird, jemand kündigt, das wetter kapriolen macht, zu den feiertagen, usw.: das verunsichert, weil man da leicht als unverlässlich bezeichnet wird.
menschen mit höheren verdiensten können sich notfalls leicht babysitter und putzfrau leisten, für menschen mit niedrigerem einkommen ist das eine patt-situation: passt du heute auf meine zwei auf, pass ich morgen auf deine zwei auf. zwei abende arbeit, ein abend was-auch-immer, ein abend viele kinder, nächster abend erschöpft, ein abend hausarbeit, hossa: einer (vielleicht) frei, aber da sind dann noch die alte tant und die eltern und vielleicht will man doch auch einen abend einfach so für sich: da überlegt man sich vieles dreimal.
schwierige frage, nicht nur in bezug auf den erwerb und das betreiben von gärtnereien.
14. November 2016 um 9:47
Zum Thema wir gegen dir anderen: Wenn ich mir mein Feindbild suchen möchte und bei den Akademikern lande, dann hätte ich es auch irgendwo anders finden können.
Sicher gibt es Schnösel unter den Studierten, die alles ohne Abi belächeln, aber der Großteil möchte seinem Bildungsabschluss insofern gerecht werden, als das er höflich und zuvorkommen gegenüber seinen Mitmenschen ist.
Das man aufgrund seiner Bildung auch manchmal aneckt, habe ich aber auch schon oft genug erfahren, wobei ich sagen muss, dass ich für meinen Teil es zum Beispiel auch nicht einsehe, meine Sprache komplett umzustellen nur weil mal ein Fremdwort darin vorkommt, und jemand der dieses nicht kennt sich durch den Gebrauch dessen auf den Schlips getreten fühlt. Ich verlange schließlich auch von meinem Gegenüber nicht, dass er gefälligst ein Buch in die Hand zu nehmen hat und sich jetzt auf Teufel komm raus dem verschreibt, was ich unter Bildung verstehe.
Leben und leben lassen ist wie immer angebracht. Akademiker haben ihre Vorzüge, genauso wie Arbeiter, die dort mit Erfahrung und Hands-On-Attitüde glänzen können wo der Akademiker noch überlegt.
Ansonsten schließe ich mich Kelef an. Jeder der aus dem normalen 9-5 rausfällt, und das sind mittlerweile sehr viele, gefühlt sogar die Mehrheit, hat schlichtweg oft nicht die Zeit sich mit so einem Projekt zu beschäftigen. Da mag der monetäre Aspekt noch gar keine Rolle spielen. Having said that, finde ich es trotzdem gut und richtig, das sie sich so engagieren. Aus kleinen Projekten können schließlich auch große werden, von denen dann auch wieder diejenigen profitieren, die es vorher aufgrund der Rahmenbedingungen nicht konnten :)
14. November 2016 um 9:50
in meiner erfahrung (arbeiterkind mit wissenschaftlicher karriere) kommt bornierheit und arroganz tatsächlich auch in allen bereichen vor. bei den akademikern erwartet man es halt eher und ist deshalb schnell mal bestätigt im stereotyp.
ich glaube, die teilnehmenden am kartoffelkombinat sind vergleichbar mit den einkaufenden beim basitsch. wenn man alles andere im leben so geregelt hat, dass man sich eigentlich kaum noch sorgen muss, kann man anfangen sich über die glückliche kindheit seiner möhren und tomate zu informieren. wenn man aber so ab dem 20. eines monats überlegen muss, was man noch isst, hofft, dass die waschmaschine es trotz der eigenartigen geräusche noch schafft, alle energie, die man hat, darauf verwendet, dass die kinder ihre hausaufgaben machen und tatsächlich ihre pausen auf dem schulhof und nicht rauchend hinter dem schulgebäude verbringen, dann gibt es einfach andere dinge zu tun. und dann käme man vermutlich im leben nicht drauf, sich mit vielen anderen darum zu kümmern, wo im nächsten jahr (!!!) das gemüse herkommt.
14. November 2016 um 10:08
was berit sagt. und was adelhaid sagt. ich hab ja selber meine vorder- und hintergrundprobleme und durch ganz viele jobs in ganz vielen, sagen wir mal, branchen auch ganz viel gelernt, bezüglich der herangehensweisen an arbeit einerseits und bezüglich der ausführenden personen andererseits. gibt überall solche und andere.
und das problem mit der sprache – jo mei. mein vater hat es fertiggebracht, mich in einem – damaligen – fast-aussenbezirk wiens mit berliner hochdeutsch aufzuziehen, mein gross onkel sprach das allereleganteste burgtheaterdeutsch. ich hab wienerisch dann später tatsächlich als fremdsprache lernen müssen. niederösterreichisch lernte ich von der oma, die diversen “arbeiterdialekte” halt im umgang mit bauarbeitern, marktfieranten, in diversen sozialprojekten, im altwarenhandel etc., das sind ja kwasi alles eigene welten. in der ddr hat mir das alles dann wenig genutzt, da zitierte ich halt marx und engels, wenn ich von einem der zuständigen, meist stasi-verbundenen zulieferer dringend was brauchte. das ist einfach eine art von fremdsprachen, da muss man halt durch, oder man wird ausgegrenzt. nicht, dass es einfach wäre.
ähnliche überlegungen – allerdings allgemeiner – stellt übrigens auch miss kitty an: http://kittykoma.de/fruehwintersonntagsmaeander/.
14. November 2016 um 10:44
Wobei Arbeiter sehr wahrscheinlich nicht verstehen würden, was mit “Hands-On-Attitüde” gemeint ist…
Ich glaube, es ist tatsächlich ein hohes Level, auf dem man sich dann wieder Gedanken macht, ob es der Tomate gut ging, die man isst. Der Kauf einer Gärtnerei zur Selbstversorgung ist nichts, wofür man sich entschuldigen sollte (ich finde es sogar ganz großartig!), aber es ist ein Privileg. Ich glaube, Frau Kaltmamsell, Sie haben genug Gespür dafür, wie es anderen gehen könnte.
Wut, Versagens-, Zurücksetzungs- und Schuldgefühle von gesellschaftlich unterlegenen Menschen lassen sich nicht abstellen. Mir scheint aber, es hätte in den Jahren vor dem Mauerfall einen anderen gesellschaftlichen Konsens gegeben, wie mit diesen Menschen umzugehen ist. Die Hartz-Gesetze haben diesen Bruch dann auch endgültig formuliert.
14. November 2016 um 10:55
Ist es nicht verrückt, Kitty Koma, dass ausgerechnet die gesellschaftlichen Möglicheiten, die einst für die kleinen Leute geschaffen wurden (Genossenschaften, Schrebergärten) jetzt elitär geworden sind? Hat das damit zu tun, dass damals (19. Jahrhundert) Eigeninitiative Zeichen von kleinen Leuten war, weil sie sonst zu nichts gekommen wären? Ist heute Eigeninitiative Distinktionsmerkmal der gebildeten Schichten geworden?
14. November 2016 um 11:10
Das ist eine interessante Beobachtung. Wobei die Eigeniniative im 19. Jahrhundert von Gebildeten angestoßen wurde. Quasi Hilfe zur Selbsthilfe. Die Reformbewegung fällt mir dazu ein.
Ich habe tatsächlich das Gefühl, dass Eigeninitiative ein Distinktionsmerkmal geworden ist.
Aber: Die Eigeninitiative der anderen hat eine kritische Dynamik bekommen.
Es gibt sie ja, die landwirtschaftlichen Kooperativen, die Bildungszirkel, in denen oft einfache und recht ungebildete Leute, die vorher zu den Verlieren zählten, ihr Ding machen. Wir kennen sie aus der Zeitung und aus dem Medien als ländliche Nazikommunen und rechte Kaderschmieden. Regisseurin Franziska Tenner zeigt solche Leute in ihrem Film No Exit. Die Leute können kaum ihren Namen schreiben und besprechen Bücher von irgendwelchen rechten Ideologen
Ich glaube, unsere Ignoranz und unsere Werturteile der letzten Jahre können sich im Nachhinein als sehr gefährlich erweisen.
14. November 2016 um 12:04
Ich denke schon seit einer Weile darueber nach, bin aber noch zu keinem Ergebnis gekommen: Die Idee von “Elite” hat sich verschoben. Die Art Mensch, die jetzt tatsaechlich in den Medien und als Besitzer von Facebook und Google die Welt regiert ist eine ganz neue Art Elite, mit neuen Anhaengern und neuem Nachwuchs. Das sind die “International Kids” wie mich eine Reisefuehrerin in Usbekistan kuerzlich bezeichnete – und ich bin 35. Aber Leute wie ich, mit internationalen Freunden, Fernreisen um eben jene zu besuchen (no big deal), mit entsprechender Sensibilitaet fuer andere Kulturen, die auch eventuell daher kommt in anderen Kulturen schon mal gewohnt zu haben, das ist eine neue Art von Elite. Das sind Leute die zur Republica gehen, die mite Staebchen essen ohne mit der Wimper zu zucken, etc – Millenials halt (und ich zaehle sie einfach mal dazu). Es kommt jetzt hier zu einer Konfrontation zwischen den Leuten die sich schon als International Kids zaehlen, und jenen die sich da nicht zugehoerig fuehlen. Diese sind aber nicht unbedingt “abgehaengt” – der Ausdruck kommt von Leuten wie wir, die diese “Local Kids” eben so sehen, die sehen sich aber gar nicht so selbst. Die gehen eventuell auch Sushi essen und fahren nach Peru in den Urlaub, aber als Safari und nicht als Horizonterweiterung.
Wie gesagt, so ganz zuendegedacht habe ich das noch nicht aber dieser Konflikt zwischen Globalisierten und Daheimgebliebenen spielt sich jetzt ueberall aus. Was da die Loesung sein koennte weiss ich auch nicht – wobei ich glaube dass die Zahl der International Kids in jeder Generation weiter waechst. Das ist aber jetzt auch keine Loesung.
14. November 2016 um 12:28
Ein weiterer Hinweis, der womöglich nur das bestätigt, was schon sehr gut dargestellt wurde: Die Grünen waren und sind die Partei der Besserverdiener.
14. November 2016 um 14:39
ist es nicht andererseits aber so, dass das, was den einen grundsätzliche lebensnotwendigkeit ist (der schrebergarten mit drei hühnern zur selbstversorgung), den anderen wiederum ein elitäres privileg sein soll? da stimmt doch auch wiederum was nicht.
erst waren – zumindest hier in wien – die schrebergärten fast eine notwendigkeit eben für die selbstversorger, eine generation später dann das eigenheim-paradies mit garten für die kinder für die weniger betuchten, und jetzt ist ein schrebergarten plötzlich elitär? wobei natürlich der gemeinschaftliche kauf einer gärtnerei nicht unbedingt mit dem betrieb eines schrebergartens gleichzusetzen ist, aber es gibt doch auch schon viele leute, die ein stück grund mieten um es selber zu bewirtschaften.
früher gab es hier z.b. die eisenbahnergründe, da bekamen leute, die für die eisenbahn arbeiteten, günstig kleine gärten in denen sie kleine häuser aufstellen und die sie bewirtschaften durften, natürlich nach gewissen regeln. das war einerseits nur privilegierten vorbehalten, andererseits kriegten die halt dann weniger gehaltserhöhungen, weil der garten in irgendeiner form halt das war, was heute die diversen prämien sind. nur hatte man vom garten länger was. heute sind diese eisenbahnergärten zusammengelegt und als eigentum erwerbbar, in netten kleinen abgeschlossenen (durchgang nur für leute, die einen schlüssel haben!) arealen, wie in einem tiergarten, denke ich manchmal.
in der zwischen- und nachkriegszeit hatten diese gärten naturgemäss einen ganz anderen verwendungszweck: für flüchtlinge, zum verstecken missliebiger personen, für ausgebombte, und natürlich auch zur ernährung der familie. heute: eigenheimbesitzer, naturgemäss meist aus der sozialistischen partei mit parteibuch, sonst geht da wenig, und es wärert ja auch damit man unter sich ist. ein bisserl zumindest.
eine andere form des schrebergartens waren (und sind teilweise noch immer) auf dem land die gärtchen der “ausnahm-häusln”: wenn der hof an den nachfolger übergeben wurde, zog man in die “ausnahm”: dazu gehörte fast immer auch ein garten, der es den bewohnern ermöglichte sich selbständig mit dem notwendigsten z.b. gemüse zu versorgen, oft auch verbunden mit hühner-, kaninchen- oder schweinehaltung. die genauen grössen und mengen sowie das, was der hofbetreiber an naturalien zusätzlich abzugeben hatte (brot, milch, …) wurde meist schriftlich festgelegt.
diese ausnahms-häusln finden, sofern sie überhaupt noch stehen und bewohnbar sind, heute durchaus mieter: menschen, die ein wenig land ohne verpflichtung haben wollen, und ausser petersil, schnittlauch und erdäpfeln nix pflanzen wollen. früher das altenteil, heute elitäre (die üdülle! die freiheit! die ursprünglichkeit!) lebensform ein paar mal im jahr, weil: kost ja fast nix, und giessen und sich um alles kümmern tut sowieso der hofbetreiber. einen hof weiter rechts und einen weiter links wohnen in ziemlich den gleichen ausnahm-häusln aber immer noch die ganz alten, die es nicht anders kennen und auch nicht wollen, und für die ist es halt dann schicksal, oder “immer noch besser als mit der schwiegertochter unter einem dach”, oder “solange ich selber kann, mach ich auch”. und da sind durchaus leute dabei, die mit ihren 80 jahren durchaus facebook und das internet kennen und auch nutzen, so wie smartphones. soviel dazu.
es ist wohl auch eine frage der intention und der perspektive. und des könnens und des wollens.
eigeninitiative wird heute meiner meinung nach den kindern schon ganz früh abtrainiert: einerseits von den eltern, die keine zeit haben, und andererseits von den helikopter-eltern. hiess es früher noch: such dir eine beschäftigung, wenn dir fad ist, wird heute den kindern schon im kinderwagen das smartphone mit einer passenden app in die hand gedrückt. und so geht es im kindergarten und in der schule weiter. und die anderen dürfen nix probieren, weil sie sich verletzen/vergiften/gekidnappt/beeinflusst werden könnten. spiel nicht mit den schmuddelkindern sowieso.
14. November 2016 um 16:55
hat das mit dem verlust der eigeninitiative vielleicht auch was damit zu tun, dass der sozialstaat immer besser geworden ist? heute muss man sich halt nicht mehr den rücken krumm machen, um die kartoffeln aus der erde zu holen, heute hat man sozialleistungen? heute bekommt man nach einem leben in arbeit eine rente, die dafür sorgt, dass man sich die vielleicht in der arbeit kaputt gemachten knochen nicht auch noch auf der scholle weiter überlasten muss.
ich muss mich nicht kümmern, es wird sich doch um mich gekümmert?
es ist, und bleibt, komplex.
14. November 2016 um 18:16
genau, komplexität. die einen haben gelernt/sind bereit, mit dieser umzugehen, und die anderen gehen mit ihr um, indem sie sie leugen oder mit brachialgewalt zu reduzieren versuchen (“mauer”, “klimawandel gibt es nicht” etc.pp.).
letztlich braucht man eine gewisse geistige beweglichkeit, um komplexität verarbeiten zu können, und die bringt nicht jeder mit. das ist keine schande und meiner meinung nach auch nicht schlimm, aber wohl auch ein grund dafür, dass manche probleme und daher erforderliche neue lösungsansätze z.b. bei der kindheit ihrer tomaten sehen, wo die anderen gar nicht verstehen, warum man sich mit diesem schmarrn jetzt auch noch befassen soll.
insofern: die zusammensetzung ihres kombinats ist sehr erwartbar.
alles in allem ein wunderbarer beitrag und kommentarthread, den ich gern gelesen habe.
14. November 2016 um 18:24
Ich finde, man kann mit Geld deutlich Dummeres anstellen, als eine Gärtnerei zu kaufen! Ein tolles Gemeinschaftsprojekt! Und ein schönes Bild, wie soviele (!) Menschen für eine gemeinsame gute Sache an einem Strang ziehen. Und der Weg dahin war bestimmt nicht unhopprig?! Applaus! Ich wünsche dem Gemeinschaftshof eine erfolgreiche Zukunft!
Problematisch finde ich eher den Aspekt, dass der Bedarf an *gutem Gemüse/ Obst* steigt, die Menschen dafür auch tiefer in die Tasche greifen, aber immer weniger sich die Hände dafür dreckig machen wollen. Erschreckende Bilder geistern mir dabei gerade von der Freiburger Region durch den Kopf, wo ich Polen sah, im Matsch kniend, bei scheußlichem Wetter, die Feldsalat schnitten – für 6,50 Euro die Stunde. Die können sich vermutlich nicht überlegen, ob sie für eine eigene Gärtnerei zusammenlegen…
14. November 2016 um 19:53
Das was kecks sagt: alles in allem ein wunderbarer beitrag und kommentarthread, den ich gern gelesen habe.
15. November 2016 um 11:40
Ein Post und Kommentare, die gerade im jetzigen politischen Klima wirklich eine wichtige Diskussion in Gang bringen. Ein Gedanke, der mir kam: haben nicht gerade die ehemaligen Ostländer den Kanal voll von kollektivistischen Aktivitäten? Und, ja – “grün” riecht plötzlich nach Privileg.
15. November 2016 um 13:27
So ähnlich wie Feathers sehe ich das auch. Aber Schock, den diese “Kosmopoliten” erlitten haben, rührt daher, dass sie bei aller Sorge um Gleichheit, Brüderlichkeit, Feminismus, Antidiskrimierung, Klima und Zukunft vergessen haben, auf wen sie ihren Lebensstil und bauen. Auf Arbeiterinnen, die in der chinesischen Provinz ihre Gadgets zusammenbauen, auf Bergarbeiter, die seltene Erden schürfen, und andere Ausgebeutete und Servicekräfte mit Minimallohn.
Dass die Wahl Trums so große Betroffenheit ausgelöst hat ist auch dadurch zu erkären, dass diese “neue Art von Elite” vor lauter moralischer Selbstgewissheit und Internetfilterblasen-Selbstversicherung ihren Weg als den einzig möglichen sieht.