Journal Dienstag, 1. August 2017 – Krankgemeldet

Mittwoch, 2. August 2017 um 6:43

So. Einmal zu oft auf dem Zahnfleisch in die Arbeit geschleppt, gestern ließ ich das einfach mal bleiben und meldete mich krank. Denn wem will ich damit eigentlich etwas beweisen? (Nicht antworten, ich habe selbst ziemlich konkrete Verdachte.) Als ich im Morgengrauen merkte, dass ich mich wieder komplett durch den Fleischwolf gedreht fühlte, stellte ich den Wecker vor (der auf halb sechs stand, damit ich vor der Arbeit Zeit für Langhanteltraining haben würde) und meldete mich morgens im Büro für den Tag ab. Denn eigentlich hatte ich mir irgendwann als Grenze fürs Durchhalten gesetzt: Wenn es mir so schlecht geht, dass ich ernsthaft mit dem Gedanken spiele, mich unter den Schreibtisch zu legen (nur für ein paar Minuten, wenn ich die Bürotür schließe, merkt es doch keiner), bin ich krank, aus. Und über diesen Grad des Schlechtgehens hatte ich mich jetzt einmal zu oft hinweg gesetzt.
Diesmal blieb ich zu Hause und ruhte mich aus.

Erkenntnisse auf dem Balkon:
– Ich hatte vergessen, wie laut es unter der Woche ist (Großbaustelle schräg gegenüber, Kleinbaustelle an Nebengebäude).
– Es gibt wieder eine Meisengeneration mit der Fertigkeit, auf dem Markisenführungsdraht sitzend den Meisenknödel mit der Kralle heranzuziehen und so bequem und ohne Herumgeschaukel zu picken.
– Während die Herren von der Müllabfuhr vorbei rumpelten: Selbst frisch geleerte Tonnen haben einen typischen Sommergeruch.

Es wurde ein sehr heißer Hochsommertag, schon vormittags schloss ich alle Fenster und zog mich ins kühle Drinnen zurück.

Als palate cleanser nach dem heftigen Kennedy-Roman ließ ich mir von Herrn Kaltmamsell einen Terry Pratchett mit Schwerpunkt City Watch geben (Thud!) und amüsierte mich über Handlung und weise Pointen.

Erst jetzt beim Bloggen fällt mir ein, dass man als Krankgeschriebene den ganzen Tag auf dem Sofa liegen und fernsehen muss, schlechte Sendungen und Serien schauen. Die Gelegenheit habe ich also mal wieder verpasst.

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Jeanne Moreau war am Montag gestorben – eine sehr interessante und faszinierende Figur, eine große Künstlerin (man mag sich nicht vorstellen, wie vergessenswert sie durch chirurgische Angleichung ans Schönheitsideal ausgesehen hätte). Und offensichtlich ein gutes Mittel, schreibende Männer ihrer Geschlechtertypen und ihres Frauenideals zu überführen, die der Gleichberechtigung im Weg stehen. So zum Beispiel die von Alexander Gorkow und Tobias Kniebe, die in ihrem Nachruf (Seite 3 der gestrigen Süddeutschen) von Moreaus Catherine in Jules et Jim schreiben, sie sei

die Inkarnation der vollendeten Frau – fragil, verhängnisvoll, schlau und übermütig, frei und unabhängig ihrem Begehren folgend.

Soso: “vollendete Frau”. Kein Wunder, wenn man so jemandem keinen Vorstandsposten zutraut.

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Johnny Häusler hatte ein sehr unangenehmes Erlebnis beim Gassigehen:
“Zwei Hunde kämpfen und ein Handy wird zur Waffe”.

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Ein bisschen gefernseht habe ich ja doch, allerdings in der ZDF-Mediathek und eine ausgezeichnete Doku:
“Hacker, Freaks und Funktionäre
Der Chaos Computer Club”
.

Beim Gucken gedacht: So eine unabhängige Institution bräuchte man auch für die Automobilindustrie. Als Herr Kaltmamsell vorschlug: “ADAC?”, lachten wir beide erst mal Tränen, dann formulierte ich meinen Gedanken um: Nicht einfach für die Automobilindustrie, sondern fürs Verkehrs- und Transportwesen.

die Kaltmamsell

11 Kommentare zu „Journal Dienstag, 1. August 2017 – Krankgemeldet“

  1. Stefan meint:

    Ich finde, der ökologische Verkehrsclub VCD kommt der Idee “CCC” in Sachen Mobilität schon relativ nahe und widmet sich so ziemlich allen Verkehrsformen und -themen zu Lande und in der Luft. Und in seinen Reihen finden sich viele Menschen, die moderne, multimodale Mobilität seit je her selbst in die Hand nehmen. Dies ist zum Beispiel am Carsharing-Anbieter stadtmobil schön zu sehen, der aus privaten Initiativen aus diesen Kreisen entstand, und nicht nur ein weiteres Vertriebsmodell für Automobilhersteller darstellte.

  2. RsL meint:

    Um 5:30 aufstehen fürs Hanteltraining …. ? Warum, liebe Kaltmamsell, warum nur? O_O

  3. marie.sophie meint:

    Oy vey, wenn gute Gedanken helfen könnten, diese täten es sofort.

  4. Hauptschulblues meint:

    Ich wünsche gute Besserung.
    Krank sein bei dieser Hitze – oh nein!

  5. Ulla meint:

    Genau, Sport ist Mord. Sie meinen ihren Seelenzustand mit übermäßigem Sport verbessern zu können.

  6. die Kaltmamsell meint:

    Wie kommen Sie auf “übermäßig”, Ulla? Drei- bis viermal Sport die Woche ist die allgemeine medizinische Empfehlung. Und womit verbessern Sie den bedauernswerten Zustand, dass Ihnen Sport keine Freude bereiten kann?

  7. MissJanet meint:

    Es ist doch allgemein bekannt, dass Sport gut gegen depressive Verstimmungen ist. Ich merke das bei mir ganz deutlich, mit moderater sportlicher Betätigung geht es mir besser, sowohl emotional als auch körperlich.

  8. Ulla meint:

    Sport in Maßen ja, ich walke und fahre Radl so 30 bis 40 Km, je nach Lust und Laune. In meinem Alter (jenseits der 70) läßt man es gerne etwas ruhiger angehen.
    Zum Berg wandern auf 2-3000er wie früher, reicht seit ein paar Jahren meine Kondition nicht mehr. Für moderate Wanderreisen reicht es noch ( s. meine Reisevideos).

  9. RsL meint:

    Dass Sport gesund ist und vielen Menschen Spaß macht, bestreitet wohl keiner. Nur bei der Uhrzeit halb sechs Uhr früh, und dann auch noch vor einem vollen Arbeitstag, denke ich persönlich eher an Selbstgeißelung.
    Nochmal nachgedacht: Wie das beim Sport zur Bekämpfung einer depressiven Verstimmung ist, weiß ich allerdings nicht. Diszipliniert aufstehen und loslegen ist da für viele vielleicht genau das Richtige?
    Na aber auf jeden Fall: Jeder is’ anders.

  10. die Kaltmamsell meint:

    Sehen Sie, RsL: So schwer ist es immer wieder, sich in andere hineinzuversetzen. Für mich sieht es zum Beispiel nach Selbstgeißelung aus, sich Kinder zuzulegen – doch viele Indizien weisen darauf hin, dass es den allermeisten Menschen anders geht.

  11. Rebekka. meint:

    danke für die CCC-doku!

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