Von wegen dem Homer seiner Ilias

Sonntag, 23. Mai 2004 um 15:46

Der Zorn des Achilleus ist das künstlerische Hauptmotiv der Ilias, der Konflikt zwischen den Prinzipien Leistung (Achilleus) und gesellschaftlicher Stand (Agamemnon) treibt die äußere Handlung an.

In der Ilias sind die Menschen Spielbälle der Götter; sie sind dem Urteil und der Willkür der Götter ausgeliefert (die bei Homer erstmals auf dem Olymp wohnen). Da diese Götter aber ausgesprochen launisch und menschenähnlich sind, ist ihr Wille kaum kalkulierbar. Der Mensch bewährt sich in der Überwindung der Prüfungen, die ihm die Götter auferlegen. Er kann in diesem System nicht frei handeln, Götter sind die Erklärung und die Ursache des menschlichen Handelns.

Die „homerische Frage“ dreht sich darum, wer oder wie viele eigentlich „Homer“ waren. Dass die Ilias nicht aus einer einzigen Feder stammen kann, belegen das Nebeneinander verschiedener Kulturschichten und Sprachebenen, innere Widersprüche und Wiederholungen ganzer Episoden. Der Forschungsstand geht davon aus, dass die verschiedenen Episoden der Ilias ursprünglich von fahrenden Geschichtenerzählern verbreitet und etwa im 8. Jahrhundert vor Christus an einem Herrscherhof schriftlich fixiert wurden. Diese Fassung wurde aus politischen und kulturellen Gründen in den nachfolgenden Jahrhunderten modifiziert und ergänzt.

Ob der Petersen-Film gut ist, kann ich nicht beurteilen: In Kriegsfilmen grusle ich mich zu sehr. Zumindest weiß ich nach diesem Kinobesuch, dass das bei Kriegsfilmen mit Sandalen und hohem Beefcake-Faktor nicht anders ist.
Als Verarbeitung des Stoffes immer wieder eine Empfehlung wert:
Kassandra von Christa Wolf.

die Kaltmamsell

5 Kommentare zu „Von wegen dem Homer seiner Ilias

  1. Thuner meint:

    Verschiedene Sprachebenen? Innere Widersprüche? Wiederholungen? Mehrere Autoren? Das kennen wir doch noch von einem anderen Buch!?

  2. Lady Atlantis meint:

    Oh, das ist wirklich interessant. Vielen Dank für die Info. :)

  3. Stefan meint:

    "Kassandra" musste man in den letzten Jahren der vergehenden DDR einfach gelesen haben. Habe gerade das Taschenbuch wiedergefunden :-) Ich vermisse manchmal die Zeit zum Lesen.

    Neulich habe ich mich wieder mal durch "1984" (das war auch ein Kultbuch, aber strengstens verboten) gearbeitet und plötzlich wurde die Szene aus dem Studium wieder präsent, in der eine Seite "Neues Deutschland" als "Orwelltest" herumgereicht wurde. Die Seite enthielt einen Artikel über die ruhmreiche Schuh- und Schnürsenkelproduktion :-)

  4. meike meint:

    jaaaa kassandra lesen und dann die poetik vorlesungen und dann noch mal kassandra und dann ab nach kreta!

  5. die Kaltmamsell meint:

    Übrigens bekommt aber das Drehbuch von Troy durchaus einen Schulterklopfer, weil es meine geliebten epiteta ornantia brav umgesetzt hat. Der "flinkschenklige" Achill wird eher über seine Sprintkünste eingeführt als über das Schwert. Der "listenreiche" Odysseus darf in seinem ersten Dialog über seine "tricks" sprechen.

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