Journal Sonntag, 15. Oktober 2017 – Kettenkarussel auf der Auer Kirchweihdult

Montag, 16. Oktober 2017 um 6:39

Welch sensationelles Wochenendwetter! Hat sich der Spätsommer halt von Mitte September auf Mitte Oktober verschoben, soll sein, soll sein.

Wieder lange geschlafen. Nach dem Bloggen war es zu spät für die interessanten Stunden im Sportstudio, Radeln ins Olympiabad schien mir zu aufwändig, also lebte ich meinen Bewegungsdrang auf dem Crosstrainer aus (Musik auf den Ohren).

Nach dem Duschen spazierte ich zur Auer Dult, Kirchweihdult – allein, denn Herr Kaltmamsell musste heftig arbeiten. Ich trug keine Jacke, aber nicht mal die langen Ärmel meines Baumwollshirts hätte es gebraucht: Den Frauen in Hochsommeroberteilen und in Badelatschen, die ich antraf, war auch nicht kalt.

Auf der Auer Dult steuerte ich erst mal den Messerschleifer an: Das Lieblingsmesser des Haushalts, das große aus Toledo, braucht mal wieder einen Grundschliff. Ich gab es ab und vereinbarte Abholung am Montag.

Zweite Station war der Geschirrstand mit Markenporzellan zweiter Wahl: Der Unterteller einer unserer Walküre-Milchkaffeetassen ist vor wenigen Tagen zerbrochen, da konnte ich gleich Ersatz kaufen.

Ich mäanderte durch die Besuchermassen über die Töpferstände (sehr schöne Dinge) zu einer Wurstbraterei: Es war nun wirklich Zeit für Frühstück. Die rote Bratwurst ergänzte ich durch eine Straube vom Stand auf der anderen Seite der Dult.

(3,50 Euro dafür ist aber schon ganz schön g’soizn, wie meine Mutter es ausdrücken würde.) Unterwegs besorgte ich noch ein Tütchen frisch geschabten Türkischen Honig als Mitbringsel für Herrn Kaltmamsell. Während ich die Straube aß, sah ich dem Kettenkarussel zu und freute mich an der Freude der Passagiere. Was mich auf die Idee brachte, nach Jahrzehnten auch mal wieder zu fahren.

Das stellte sich als sensationell gute Idee heraus: Das Karusselfahren machte so viel Spaß, dass ich vor lauter Grinsen fast in Tränen ausgebrochen wäre. Wie konnte ich das vergessen?

Zurück spazierte ich über Corneliusbrücke und Gärtnerplatz.

Daheim Zeitunglesen in der Sonne, bis sie verschwunden war.

Zum Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell langsam gegarte Rinderrippchen mit Kartoffelpü nach dem Rezept von Claudio. Die Soße schmeckte weniger aufregend als erwartet, wahrscheinlich macht es doch noch einen Unterschied, wenn man Guinness statt heimischem dunklem Bier verwendet.

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Drei Perspektiven zum Aufdecken der jahrzehntelangen sexuellen Übergriffe von Hollywood-Produzent Harvey Weinstein:

1. Sarah Polley ist Schauspielerin, Autorin, Regisseurin und stand von Kindesbeinen an vor der Kamera. Mit 19 hatte sie ihr ganz persönliches Erlebnis mit Harvey Weinstein.
“The Men You Meet Making Movies”.

When I got there, Mr. Weinstein wasted no time. He told me, in front of the publicist and a co-worker beside him, that a famous star, a few years my senior, had once sat across from him in the chair I was in now. Because of his “very close relationship” with this actress, she had gone on to play leading roles and win awards. If he and I had that kind of “close relationship,” I could have a similar career. “That’s how it works,” I remember him telling me. The implication wasn’t subtle. I replied that I wasn’t very ambitious or interested in acting, which was true. He then asked me about my political activism and went on to recast himself as a left-wing activist, which was among the funniest things I’d ever heard.

2. Mayim Bialik stand ebenfalls schon als Elfjährige vor Hollywoods Kameras – nur dass sie damals und bis heute nicht den Sexiness-Anforderungen der Industrie entspricht.
“Being a Feminist in Harvey Weinstein’s World”.

And yet I have also experienced the upside of not being a “perfect ten.” As a proud feminist with little desire to diet, get plastic surgery or hire a personal trainer, I have almost no personal experience with men asking me to meetings in their hotel rooms. Those of us in Hollywood who don’t represent an impossible standard of beauty have the “luxury” of being overlooked and, in many cases, ignored by men in power unless we can make them money.

3. Auch Kate Hardie ist Schauspielerin, Autorin, Regissuerin. Sie findet:
“Time to make the link between abuse and film content”.

Hier in meinem Blog haben wir uns ja schon lange lustig gemacht unter anderem über Superheldinnen, deren auf reine Sexobjektivierung angelegte Kostüme ihnen das Heldinnentum fast unmöglich machen. Und wir hörten geradezu das Augenrollen von Nicht-Feministinnen, dass es nun! wirklich! Wichtigeres! gibt!

Men continue to hold the power over how women’s bodies are portrayed on screen

(…)

I am 49, so I do not get asked to be naked any more. (That is another thing the male-dominated industry is not keen on – women over 40 having any kind of satisfactory sex life or, indeed, bodies.) But when I was 17, I had become so used to being required to appear naked that I asked for a no-nudity clause to be written into a contract. I was fired by the male director because, despite there being no nudity in his script, he felt the clause curbed his creativity should he, on a whim, decide he needed me to remove my clothes.

via @Anke Gröner

Bonus: Anne Wiezorek weist in einem Interview der Süddeutschen darauf hin, dass es wir auch über die Basis dieser Mechanismen sprechen müssen.
“‘Mir geht es zu wenig um Kritik am gesellschaftlichen Nährboden'”.

Der Weg ist weit, solange so viele Menschen, Männer wie Frauen, die Grundhaltung propagieren: So ist die Welt nun mal – und wenn Frauen darin vorankommen wollen, müssen sie sich halt damit abfinden und mitspielen.

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Ein berührender Nachruf erzählt von einem ungewöhnlichen Menschenleben in der DDR:
“Susanne Richter (Geb. 1928)
‘Ich mach’ jetzt Mozart, isses recht?'”

Sie war Kindermädchen, Mutterersatz und Haushaltshilfe in einem sozialistischen Adelshaus. Die Chefin: Schauspielstar, der Chef: Großagitator. Die Trauerrede auf eine Frau fürs Leben

die Kaltmamsell

8 Kommentare zu „Journal Sonntag, 15. Oktober 2017 – Kettenkarussel auf der Auer Kirchweihdult“

  1. Mareike meint:

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    Gerne gelesen

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  2. KochSchlampe meint:

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    Gerne gelesen

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  3. Schneizel meint:

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    Gerne gelesen

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  4. Thea meint:

    Ich habe mich sehr gefreut, dass die Kaltmamsell so kühn war, ein Kettenkarusell zu besteigen und es auch noch genossen hat.

  5. Hauptschulblues meint:

    Frau und Herr Hauptschulblues gehen am Mittwoch auf die Dult – um Gewürze zu kaufen und um nach verschwundenem Schmuck zu schauen, wie jedes Jahr ein paar Mal.

  6. berit meint:

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    Made my day

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  7. Aussichten aus dem 16. Stock meint:

    Wunderschöne Herbstbilder und interessanter Text. Sehr gern gelesen. Merci beaucoup!

  8. Trolleira meint:

    Probieren Sie es doch mal mit etwas Sossenlebkuchen in der Biersosse!

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