Schwimmen durch München: Müller’sches Volksbad

Sonntag, 15. März 2009 um 16:05

Das Müller’sche Volksbad, so hatte ich immer angenommen, ist was zum Plantschen und Gucken, das schönste Münchner Hallenbad, in das man gerne auch Besuch von weit außerhalb mitnimmt, um ihm etwas zu bieten – aber nichts zum Schwimmen. Ich kannte es von einigen Saunabesuchen und von Fotos. Nun berichtete aber ein Arbeitskollege, der in der Nähe wohnt, im Herrenbecken des Müller’schen Volksbads könne man durchaus gut schwimmen, zum Beispiel Sonntagvormittag. Ha, dachte ich, vielleicht bin ich einem Geheimtipp für entspanntes Schwimmen auf der Spur.

Nicht.

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Wahrscheinlich hätte ich erst mal mit dem Kollegen abgleichen sollen, was wir unter „Schwimmen“ verstehen. Für mich bedeutet es zwei Bahnen gemächliches Brustschwimmen, dann zwei Bahnen ruhiges Kraulen, dann wieder zwei Bahnen Brustschwimmen und nochmal zwei Bahnen Kraulen – so oft wiederholt, bis die geplante Entfernung (in meinem Fall etwa 3000 Meter) auf diese Weise zurückgelegt ist.

Für die meisten anderen Menschen in einem Hallenbad bedeutet „Schwimmen“, was auch der geschätzte Herr banana darunter versteht:

Fünfundsiebzig Minuten, in denen ich von der einen Seite des Beckens zur anderen schwimme, mich an den Rand stelle, mir die Leute anschaue und dann wieder zurückschwimme. Das ganze etwa dreissig Mal. Oder bis es mir langweilig wird.

Wenn, wie im Müller’schen Volksbad, diese beiden Auffassungen in einer von zwei abgegrenzten Bahnen für „Sportschwimmer“ aufeinandertreffen, entsteht bei allen Beteiligten Unmut. Bei mir, weil ich die Schwimmer nicht berechnen kann (lohnt es sich, den zu überholen oder habe ich ihn zwei Bahnen später wieder vor der Nase, weil er sich dazwischen am Beckenrand ausgeruht hat?) oder weil sie mir für eine Wende im Weg stehen. Bei den anderen, weil ich sie durch mein Überholen verunsichere oder zwischen ihnen wende, während sie sich gerade angeregt mit der Freundin unterhalten. Heute handelte ich mir sogar den klassischen Lebertritt ein (der übrigens nie von einem Sportkrauler kommt, da Sportkraulen eine gleitende, sehr platzsparende Bewegung ist, sondern auf den typisch kräftigen Beinschlag beim Brustschwimmen zurückzuführen ist), als eine Schwimmerin von der Nachbarbahn überraschend auf meine wechselte. Und zwar auf exakt die Stelle, an der ich mich gerade befand.

Gegen eine Nutzung als Schwimmbad spricht außerdem, dass der Nichtschwimmerteil des Beckens gerade mal einen guten Meter tief ist – bei den ersten Wenden (altmodisch seitlich, das Erlernen der Rollwende habe ich mir für das sechste Lebensjahrzehnt vorgenommen) schlug ich mir die Zehen am Beckenboden an. Dass die 31 Meter Beckenlänge fürs Streckenschwimmen fortgeschrittene Arithmetik verlangt, lassen wir mal beiseite; wir Münchner sind durch das 33-Meter-Becken des Nordbads Kummer gewohnt.

Aber schön ist es, das Müller’sche Volksbad, wunderschön. Bei so viel Stuck und Schmuck an der Hallendecke ist der überproportional hohe Rückenschwimmeranteil eigentlich nur konsequent. Vielleicht mögen Sie sich durch diese Fotostrecke klicken? Das Bad wurde glücklicherweise sehr vorsichtig modernisiert, verfügt über den gewohnten sanitären Komfort eines heutigen Hallenbades, ohne nostalgische Details auszumerzen. Diese Mischung verursacht ein wenig Umstände, die die Besucherin halt in Kauf nehmen muss. Die Schließfächer sind hölzern und Jugendstil, sie befinden sich im Obergeschoss. Den Schlüssel dazu holt man sich unten gleich beim Eingang durch das Einschieben der Eintrittskarte in ein modernes Minischließfach. Die Umkleiden liegen separat ein ganzes Stück entfernt von den Schließfächern, sind ebenfalls aus Holz und schön nostalisch mit Fensterchen und schützendem Vorhängchen. Die Duschen befinden sich wiederum ebenerdig am anderen Ende des Bades. Die Wege sind also durchaus weit, erfahrene Besucherinnen trugen Handtücher und Toilettsachen in einer Tasche bei sich. Hier ein bebilderter Besuchsbericht von sueddeutsche.de.

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die Kaltmamsell

10 Kommentare zu „Schwimmen durch München: Müller’sches Volksbad“

  1. Mareike meint:

    Ui, die Fotos sind toll! In Mannheim gibt es ein ähnliches Bad (nicht ganz so sorgsam restauriert): das Herschelbad.

  2. Gaga Nielsen meint:

    Fürstlich.

  3. Susanne meint:

    Ich liebe ja das Müllersche Volksbad, da bin ich jahrelang geschwommen. Es ist allerdings sehr mühsam, die Bahnen sind kurz (ich habe einfach mit 25 Metern gerechnet, macht ja nichts, wenn ich etwas weiter schwimme, als geplant) und man muss auf die planschenden Rückenschwimmer achten. Das alles geht aber nur unter der Woche vormittags. Aber wirklich schön.

    Jetzt wohne ich außerhalb und das lokale Bad hat komische Öffnungszeiten und Badewannentemperatur. Nicht bahnenschwimmgeeignet.

  4. Sabine meint:

    Die Fotostrecke ist ja prächtig!

    Die Kaltmamsell wird vielleicht der kindliche Versprecher “mürrisches Volksbad” freuen, da dieser den gepflegten Grant wiedergibt, dessen Entstehung beim Schwimmen im großen Becken wohl zwangsläufig ist.

  5. Sebastian Selig meint:

    Ich bin auf dieses Bad bei Recherchen zu einem Buchprojekt über einprägsame Locations in wundervollen europäischen Horrorfilmen aus den 60er/70er und 80er aufmerksam geworden. So spielt hier angeblich eine kurze Sequenz eines der wohl eindrucksvollsten Filme überhaupt, quasi der Mother of all Tears des europäischen Kinos: Dario Argentos SUSPIRIA.

    Handlungsort ist hier ja eigentlich eine von Hexen geleiteten Ballettschule in Freiburg, doch liegt Freiburg in der vom Film verschobenen Realität in unmittelbarer Nähe zu München, so dass dann eben auch kurz das Müller’sche Volksbad auftaucht, als sich die Hauptdarstellerin (Jessica Harper) bei gemächlichem Brustschwimmen mit einer Mitschülerin über die seltsamen Vorkommnisse der vergangenen Nacht austauscht, als seltsame Geräusche und allerbunteste Lichtspiegelungen für einen unruhigen Schlaf in der dann doch recht bedrohlichen Schule sorgten.

    Leider habe ich mir bislang noch nicht selbst direkt vor Ort ein Bild davon machen können, aber hier : : http://www.flickr.com/photos/24869054@N07/3218089726/in/set-72157612816294725/ findet man ein Foto von dieser Szene, welche das Becken von oben zeigt. Was mich jetzt kurz irritiert, ist die auffallende Kachelung am Boden des Beckens, welche ich so in den oben verlinkten Fotostrecken nicht so deutlich erkennen kann. Da der Film allerdings auch schon 1976 dort gedreht wurde, wäre es natürlich möglich, dass der ursprüngliche Beckenboden inzwischen einer Renovierung zum Opfer fiel. Oder ist das tatsächlich jener, mit welchem Ihre Zehen so unsanft in Kontakt geraten sind?

  6. sousbois meint:

    wunderschoen :-)

    schade dass ich zu weit entfernt von muenchen wohne …

  7. die Kaltmamsell meint:

    Das ist ja hochinteressant, Sebastian Selig! Der Boden, über dem ich geschwommen bin, ist tatsächlich ein anderer, nicht minder schöner – allerdings war ich im Herrenbecken unterwegs, und das Foto könnte die Damenschwimmhalle von oben zeigen. Ich sehe schon: Allein um das nachzuprüfen, muss ich nochmal dort Schwimmen gehen.

  8. Sebastian Selig meint:

    Oh, man zog dort einst sittsam getrennt seine Bahnen? Hach… ich sehe schon das Karl Müllersche hat beste Chancen in die Top 5 meiner Lieblingsbadeanstalten zu gleiten (direkt zwischen die von der Sonne aufgetankten Holzliegeplanken des Stuttgarter Bad Bergs und der geradezu Ehrfurcht erzeugenden sakrale Reduktion die Peter Zumthor da in den Granit von Vals gemeißelt hat). VorfreudeDeLuxe, auch wenn ein München-Besuch wohl leider in nächster Zeit kaum möglich sein wird, so dass die von Ihnen angekündigte Feldforschung in der Damenschwimmhalle tatsächlich höchst gelegen kommt. Besten Dank.

  9. Tine meint:

    Ein sehr schönes Bad, die Fotostrecke ist sehr beeindruckend. Ein gewisses Déjà-Vue habe ich schon, da auch in Esslingen ein schönes Jugendstil-Bad steht, auch eine Privatstiftung: Das Merkelsche Bad von Herrn Merkel, immerhin gerade 100 Jahre alt geworden.

    Überhaupt sagt mir Wiki, dass es doch noch einige dieser Jugendstil-Bäder gibt:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Jugendstil#Jugendstil-Hallenb.C3.A4der

  10. Sebastian Selig meint:

    Am Merkelschen Bad dürfte Sie Frau Kaltmamsel vor allem das Schwimmbecken nachhaltig begeistern. Mir ist kein zweites bekannt, in welchem man ungestörter und gradliniger seine Bahnen ziehen könnte, handelt es sich hierbei doch um ein echtes “Sportbad” in höchst zauberhaftem 60er Jahre-Schick, sprich: man schwimmt in einem durchweg zum drin waten viel zu tiefen Becken, welches auch am Rand kaum Platz für irgendwelche Blöd-Im-Wegsteher bietet und das dann auch noch unter einer alt ehrwürdigen Zuschauertribüne, bei der man fast meint die Trillerpfeife eines weiße Polos tragenden Schwimmtrainers nachhallen zu hören.

    Der in der Tat dort gleichsam vorhandene Jugendstil begegnet einem hier allerdings nur noch im großen, inzwischen renovierten Solebecken, welches man im Web recht eindrucksvoll hier abgebildet findet : : http://swe.gipsprojekt.de/esslingenGips/Gips?SessionMandant=SWE-Baeder&Anwendung=CMSWebpage&Methode=ShowHTMLAusgabe&RessourceID=1918&WebPublisher.NavId=1918&SessionMandant=SWE-Baeder sowie vereinzelt in den die Anlage verbindenden Gängen.

    Als regelmäßiger Besucher empfiehlt man gerne auch die erst im vergangenen Jahr, anlässlich des 100-jährigen Jubiläums, renovierte Sauna der Merkelschen Bads auf das wärmste weiter. Die gehört vor allem mit ihrem kleinen Außenbereich oben auf dem Dach mit zum allerschönsten was sich so im weiteren Umfeld von Stuttgart finden lässt.

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