Journal Freitag, 25. Mai 2018 – Wicklow Way 6: Glenmalure – Laragh
Samstag, 26. Mai 2018 um 8:48Während das Internet mit der EU-DSGVO unterging (ich wünschte, die Menschen hätten vorm Wegwerfen von Kaffee-Pappbechern über unsere Vorgartenhecke in München auch immer die mögliche Höchststrafe vor Augen wie jetzt Blogger, die aus Unsicherheit gleich offline gehen) und Irland darüber abstimmt, ob auch weiterhin in der Verfassung stehen soll, dass das Leben menschlicher Zellen im Mutterleib ab der Empfängnis gleichberechtigt ist mit der Mutter – während also in vielerlei Hinsicht Weltgeschichte geschrieben wurde, wanderten wir nochmal.
Dabei folgten wir nicht dem Wicklow Way, sondern gingen nach einer Wegbeschreibung der Wanderagentur zurück nach Laragh – auf Pfaden und Steinen, die deutlich unter dem Standard blieben, den wir in den vergangenen Tagen gewohnt waren. Das machte die 17 Kilometer anstrengend, beim steilen Bergabsteigen wurde ich auf den Ziegenpfaden mit wackligem Geröll unsicher. Vielleicht aber ist es auch einfach gut, dass das der letzte Wandertag war, und mein Körper meldete Ruhebedürfnis an.
Morgens standen wir zu Sonne mit Wolken auf, im Lauf des Tages wurde es wieder wolkenlos sommerlich. Die Iren haben ihr Wetter verlernt. Zum Frühstück hatten wir beide Porridge bestellt; es kam in großen Portionen und war wahrscheinlich mit ordentlich Sahne verfeinert – sehr sättigend.
Zum Ausgangspunkt unserer Etappe, dem Ende der vorherigen, fuhr uns der Zimmerwirt mit seinem Auto – uns und drei weitere B&B-Gäste, wir mussten uns stapeln.
Auf den Höhen waren Greifvögel angekündigt, doch die hatten gestern leider frei. Dafür sahen wir vorher im Glenmalure-Tal viele Fasane: Hier gibt es laut unserem Zimmerwirt eine große Fasanenzucht für die Jagd, und da büchsen immer wieder welche aus. Zudem begegneten wir neugierigen Pferden. Und auch heute viele Schwalben (Mehl- und Rauch-).
Das Navigieren rein nach Beschreibung ohne Wegmarkierungen war anstrengend, ohne Karte (auf Herrn Kaltmamsells Handy) und Kompass (auf meinem) wären wir aufgeschmissen gewesen. Ein Hoch auf Wanderwegmarkierungen! Ein langes Stück gingen wir über einen Bergrücken auf einen Gipfel. Uns umwehte heftiger Wind, der meine Augen so sehr zum Tränen brachte, dass meine Trittfestigkeit litt.
Auf den letzten Kilometern waren wir wieder vom Idyll des Glendalough-Tals umgeben. Jetzt sahen wir in der Höhe einen großen Vogel weit oben nahezu regungslos in der Luft stehen – also weder auf einer Thermik kreisend noch rüttelnd oder irgendwohin fliegend. Ist das typisch für einen bestimmten Vogel?
Nach einem Pint im Pub meldeten wir uns anweisungsgemäß bei den Betreibern des Restaurants, in dem wir am ersten Abend in Laragh gegessen hatten: Sie betreiben auch das B&B, in dem wir die letzte Nacht vor der Fahrt nach Dublin verbrachten. Es ist opulent ausgestattet und möglicherweise das irische Pendant zum Zirbelstuben-Wellnesshotel des Voralpenlands. Uns empfing eine zauberhafte Hausdame, wie so viele dienstbare Geister in Hotelerie und Gastronomie, mit denen wir in der vergangenen Woche zu tun hatten, mit dickem nicht-irischem Akzent. Irland macht einen erfreulich bunten Eindruck.
Zu Abend aßen wir später auch in dem Restaurant, wurden zu diesem Behufe nochmal runtergefahren – schon um sechs, da abends eine Hochzeitsgesellschaft gebucht hatte. Wir aßen gut zu Abend (örtliches Lamm für ihn, Entrecôte für mich – der Freitagabend bestimmt auch im Urlaub meine Gelüste), dazu einen spanischen Wein, den ein Schotte gemacht hat: Manga del brujo, Catalayud.
Heim gingen wir zu Fuß. Nein, das ist auch in Irland nicht vorgesehen, die Infrastruktur ist nur auf Autos ausgelegt und zwang uns immer wieder dazu, im Gebüsch wartend Autos passieren zu lassen. Ich kam mal wieder ins Grübeln, dass das Zurücklegen selbst so kurzer Strecken (keine zwei Kilometer) zu Fuß in ländlichen Gebieten einfach nicht eingeplant ist, außerhalb des eigenen Grundstücks fahren alle Auto (hier haben wir nicht mal die Radlerinnen gesehen, die einem in Bayern zwischen Orten begegnen).
Mühlenidyll in Glenmalure zum Start der Etappe.
Sie sind halt schon katholisch hier, gell.
Dieses Bild enthält vier Fasane (erkennen lassen sich vielleicht drei).
Eben waren wir noch auf der anderen Seite des Zauns gewesen. Das Pferd kam noch viel näher.
Wenn ich’s einfach als abgeerntetes Fichtenfeld sehe, geht’s.
Noch mehr frisch geerntete Baumfelder.
Dort oben war ich am Mittwoch.
Ein weiterer Blick über die Glendalough Monastic City.
Abschied von der Wanderung.
Die Lounge unseres B&B.
Gegenschuss
Von außen genauso langweilig wie alle vorherigen B&Bs. Rechts der Park-große Garten hingegen war wieder wunderschön.
Auf dem Fußweg zurück nach dem Abendessen gelernt: Auch die Iren können Marterl, hier für einen 22-jährigen Herrn, der sich mit dem Auto in einer Kurve derrennt hat.
§
Um nochmal auf das irische Sodabrot zurückzukommen. Kommentatorin Leonie hinterließ genau den Link, nach dem ich am Vortag vergeblich gesucht hatte:
“BraveTart: Irish Soda Bread, as It Was Meant to Be”.
Vergessen Sie also bitte die Theorie, Sodabrot habe irgendwas mit soft wheat zu tun: Das ist das Weichweizenmehl, das auch in Deutschland Standard ist und aus dem sich sehr wohl gutes Weizenbrot machen lässt, mit Hefe und/oder Sauerteig.
Dem Artikel zufolge wurde Soda als Brottriebmittel zunächst zur Beschleunigung der Brotherstellung eingesetzt, und zwar in London (Gewinnmaximierung, Kapitalismus und so):
So-called “aerated” breads emerged in the 1820s, as commercial bakers in London discovered that the volatile reaction between baking soda (sodium bicarbonate) and hydrochloric acid could free their schedules from the plodding tyranny of yeast. The idea was to create a loaf to rival the finest yeasted bread, which led to a slew of patents filed by bakers hoping to corner the market.
Und nach Irland kam die Technik nach der verheerenden Kartoffelfäule (zu Details erinnern Sie sich bitte an das entsprechende Kapitel in Ihrem Englisch-Schulbuch – oder schlagen bei Wikipdia nach).
Soda bread’s association with Ireland arose after the devastation of the country’s potato crop in the 1840s, which forced a people historically ambivalent toward bread to start baking en masse.
(…)
In the midst of famine, soda bread stretched something expensive (white flour) with something cheap (local buttermilk), and replaced something slow (yeast) with something wonderfully fast (soda). So why would anyone waste time and flour kneading a dough when they could just scrape it into a skillet and be done?
Der oben verlinkte Artikel zitiert einige schöne Rezepte aus dem 19. Jahrhundert – und backt sie nach. Das Ergebnis sieht deutlich attraktiver aus als das, was ich hier bislang serviert bekommen habe.
Ich liebe es, wie Beschäftigung mit Lebensmittel unweigerlich in Geschichte, Kultur und Soziologie führt.
die Kaltmamsell13 Kommentare zu „Journal Freitag, 25. Mai 2018 – Wicklow Way 6: Glenmalure – Laragh“
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26. Mai 2018 um 10:04
Danke für die B&B Bilder.
26. Mai 2018 um 11:38
Dankeschön. Hat meinen Samstagsbeginn sehr freundlich gemacht.
26. Mai 2018 um 11:55
Vielleicht essen sie deshalb so gern gesalzene Butter, damits nach was schmeckt.
26. Mai 2018 um 12:35
“… wie jetzt Blogger, die aus Unsicherheit gleich offline gehen”
Hauptschulblues beispielsweise ist einfach zu dumm, um alle verlangten Vorgaben in WordPress einzubauen. Vielleicht kommt ja noch was von dort.
26. Mai 2018 um 13:16
Gestern gleich mal das Sodabrot aus dem verlinkten Rezept gebacken… ziemlich gut! Kein Kuchen…
26. Mai 2018 um 13:21
Der hod se darennt. Häufige Todesursache auch in Niederbayern.
Der ‘Behuf’ ist aber schon arg heftig hier. Aber man kann’s ja mal probieren.
;-)
Schönen Urlaub weiterhin.
26. Mai 2018 um 13:48
Das Brot werde ich probieren.
Übrigens sehr spannend zu lesen was Sie so die letzten Tage schrieben, ich bekomme Fernweh.
26. Mai 2018 um 14:23
ICH WILL GENAU DIESES PFERD!!!
26. Mai 2018 um 14:28
Danke für die tollen Bilder, das ist eine schöne Inspiration für den nächsten Urlaub. Vom Great Famine habe ich übrigens erst im Studium gehört- und fand es im Nachhinein sehr schade, dass die unrühmliche Rolle der Engländer und generell die Unterdrückung Irlands nie im Unterricht thematisiert wurde. Aber dafür wird man ja selbst Englischlehrerin und behandelt das Thema in der Oberstufe, gell:-).
26. Mai 2018 um 15:02
Ah, Elisabeth Merz, dann wurde dieses Kapitel, das ich in der Schule in den 80ern bis zum Abwinken durcharbeitete, in späteren Ausgaben wohl nicht übernommen. Dabei kann man daran so viel Zeitgeschichte erklären.
26. Mai 2018 um 19:02
Ich bin auch zu blöd die Vorgaben einzubauen. Mein blog ist seit 2 Wochen offline. Ich werde weiterschreiben und auf eine neue Plattform hoffen. Aber eigenes WordPress Blog auf eigener Domain, übersteigt derzeit mein Rechtswissen und meine Zeitressourcen für die Beschäftigung mit derselben.
26. Mai 2018 um 19:19
Was befürchten Sie denn, Hauptschulblues, Tim, wenn sie einfach so weitermachen wie bisher? (Ernst gemeinte Frage.)
27. Mai 2018 um 12:27
Das machen Bretonen auch, da schmeckt aber das Baguette traumhaft