Journal Montag, 28. Mai 2018 – Rundfahrt durch Dublin, köstliches Essen bei Avoca
Dienstag, 29. Mai 2018 um 10:04Früh aufgewacht, gemütlich gebloggt, lange überm Internetlesen rumgetrödelt, obwohl draußen schon wieder blauer Himmel und Sonnenschein lockten.
Wir setzten uns am St. Stephen’s Green in ein Bus-Cabrio, wie sie in den meisten Großstädten Europas zu Sightseeingzwecken eingesetzt werden – an Sonnenbrille hatte ich gedacht, doch das Sonnenmilchcremen vergessen (abends rötlich). Fremdenführerlaunigkeit ist ja ein internationales und überkulturelles Phänomen, bezieht ihren Humor aber üblicherweise nur aus scherzhafter Wortwahl bei der Wiedergabe historischer oder folkloristischer Hintergrundgeschichten. Die Besonderheit in Dublin: Die beiden Herren Fremdenführer, die wir erlebten, machte auch massiv über sich selbst Scherze.
Einer weiteren Empfehlung folgend stiegen wir am Friedhof Glasnevin aus. Darin spazierten wir lange und sahen dennoch nur einen Bruchteil: Er ist riesig. Dass der funerale Lieblingsstil der reichen Leute hier (= größte Grabmäler) tatsächlich keltisch war, überraschte mich – ich kannte dieses stilistische Faible eher bei deutschen Metallern und Ex-Metallern der 1980er. Mir fiel auf, dass auch hier die Grabsteine die Wohnanschriften der Verstorbenen nannten (auf Dorffriedhöfen stand dort das exakte Dorf). Befremdend hingegen die vielen alten Grabmäler, die erst groß den Namen des Grabmalstifters nannten, bevor darunter der Name der oder des Verstorbenen auftauchte.
Der Friedhof wird immer noch betrieben. Und so standen wir irgendwann vor dem großen Feld, auf dem in einigen Reihen und mit Sammelgrabsteinen ungeboren Verstorbene beerdigte waren (auf Deutsch oft Sternenkinder genannt), so dicht mit Spielzeug, Plüschtieren, Plastik-verpackten Blumen bedeckt, dass es einer Müllhalde glich.
Mit einem anderen Bus-Cabrio ließen wir uns zurück in die Innenstadt fahren.
Mittlerweile hatte ich Hunger, und das Café des Avoca in der Suffolk Street war von einigen Seiten angepriesen worden: In diesem Café im obersten Stockwerk wurde ich von einem freundlichen Kellnerherrn, “lovely to see you”, en passant mit Umarmung und Küsschen begrüßt – ohne dass es irgendwie seltsam oder gar unangenehm gewesen wäre. Im Lokal herrschte eine wunderbare und entspannte Atmosphäre, auch bei den Angestellte untereinander, eine unprätentiöse Behaglichkeit – ich hätte sofort einziehen mögen. Und dann bekam ich auch noch das beste Essen in Irland bisher, begleitet von einem Karotten-Ingwer-Kurkuma-Saft. Sogar der abschließende Espresso war mit Abstand das beste Kaffeegetränk in Irland bislang.
Danach ging ich langsam durch die drei Etagen des Avoca mit irischen und sonst schönen Dingen. Die irische Töpferware, die mir sehr gefiel, kaufte ich dann doch nicht, weil sie mir für das Risiko, beim Transport zu zerbrechen, zu teuer und wertvoll war. Es wird Gründe haben, dass Avoca sie nicht im Online-Shop anbietet.
Im Erdgeschoß wurden unter anderem die Produkte von fünf irischen Kosmetikherstellern angeboten, doch keiner davon verwendet Gorse (sondern das gewohnte Mandarinen, Lemongras, Neroli, Grapefruit, Minze, Lavendel, das ich von allen diesen Kleinherstellern in Europa kenne – wird sich halt am besten verkaufen). Eine Leserin hat mir inzwischen einen Tipp für ein Gorse-Parfum zugeleitet (danke!), jetzt warte ich noch auf ihren Erfahrungsbericht.
Im weiterhin strahlenden Sonnenschein (die Verkäuferin im Avoca hatte befürchtet, wir würden Iren nie wieder ihr Jammern übers Wetter glauben) Richtung Ferienwohnung meandert. Dabei stießen wir auf den erst 2017 eröffneten Feinkostladen Dollard & Co und entdeckten darin (neben sensationellem dry-aged Rindfleisch) Wicklow Way Erdbeerwein. Den wollten wir probieren und nahmen eine Flasche mit.
Abends gaben wir uns einen Rempler und gingen nochmal auf ein Pint aus dem Haus. Das schmeckte und machte Spaß, doch ich fürchte, für den Dubliner Pflichtprogrammpunkt “Abend und halbe Nacht im Pub mit Live-Musik” haben wir beide den falschen Biorhythmus.1
Weitere Essensplanung:
Vor drei Tagen hatte ich einem hier in den Kommentaren empfohlenen Lokal eine Reservierungsanfrage geschickt, aber da sich niemand meldete, den Abend mitlerweile anderweitig verplant. Gestern kam eine Bestätigung, jetzt musste ich absagen. Das ebenfalls empfohlene Restaurant Delahunt war zu entspannten Uhrzeiten schon ausgebucht.
Unbedingt klappen muss mindestens eine weitere Mahlzeit im Avoca.
Nicht nur für Touristen: Keltische Rundkreuze.
Die überraschendste Grablege.
Sternenkinder, manche noch ohne eigenen Namen (“Baby” Nachname).
Koniferen sehen hier sehr anders aus als um oberbayerische Einfamilienhäuser.
Im Avoca: Da hat ein Gastronom / eine Gastronomin etwas sehr Tiefes begriffen.
Der Herr hatte eine Sweetcorn Soup mit Limettenjoghurt sowie Räucherlachs mit Avocado, rotem Apfel, Radieschen-Minz-Salat, Sumach. Vor mir steht ein confiertes Entenbein auf einem sensationellen Salat aus Wildkräutern mit jungem Brokkoli, Edamame-Bohnen und gerösteter Kokosnuss. Aus der eigenen und berühmten Bäckerei dazu Brown Bread.
- Gibt’s den noch? Ich habe schon lange nichts mehr von ihm gehört. [↩]
4 Kommentare zu „Journal Montag, 28. Mai 2018 – Rundfahrt durch Dublin, köstliches Essen bei Avoca“
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29. Mai 2018 um 10:24
Doch, es gibt ihn noch. Seit H. nicht mehr arbeitet, verfällt er in einen eigenartigen Rhythmus: Am Morgen drei Stunden rumsandeln, dann einige notwendige Arbeiten erledigen, Nachmittagskaffee, Ruhepause (wovon?), Kochen und Essen und lange aufbleiben (also Livemusik in Dublin, wäre er dort).
Das hat sich ohne bewusste Planung so entwickelt.
29. Mai 2018 um 10:51
Der Rinde nach könnte es sich eventuell um eine Sequoia handeln, einen Mammutbaum.
Und die irischen Friedhöfe auf dem Land sind manchmal noch abenteuerlicher dekoriert. Die Glaskiesel in bunt sehen aus wie ne Tischdeko bei Kommunionen.
29. Mai 2018 um 11:07
@Hauptschulblues: rumsandeln – das Wort merke ich mir, es beschreibt genau das, was den Ruhestand genußvoll macht. Und da ich “early bird by nature“ bin, bietet der Tag genug Raum für Betätigung jeglicher Art, u.a. einige bereichernde Blogs wie diesen zu lesen.
Als Norddeutsche bin ich im Herbst und Frühjahr Klimaflüchtling und auf Nachfrage, wie denn mein “Urlaub“ wohl gewesen sei, kann ich auch nur antworten “wovon?“
Altwerden ist nicht gar so übel (es mögen alle verzeihen, deren soziale Problematik oder Gesundheit das anders sehen lässt).
29. Mai 2018 um 12:44
@Croco
Auch mein erster Gedanke – das ist doch bestimmt ein Mammutbaum!
Ich bin ja froh das ich nicht die Einzige bin die sich im Avoca arg zusammenreißen musste wegen der Töpferware.
Hier gibt es ja seit dem Urlaub ja ein Foto vom Herrn-Irgendwas-ist-immer wie er Molly Malone in der Grafton Street fast ins Dekolleté fällt, vll wäre das ja auch was für Herrn Kaltmamsell? Ich lache jedesmal wenn dieses Bild als Desktop Hintergrund hier aufploppt.