Journal Sonntag, 1. Juli 2018 – Beerensonntag

Montag, 2. Juli 2018 um 8:07

Nach guter Nacht früh augewacht und aufgestanden. Am Vorabend hatte ich Joghurt angesetzt, gestern Morgen stellte ich fest, dass er misslungen war: Ich sah nur flockige Suppe. Nachdem ich sie durch ein Tuch abtropfen ließ, hatte ich eine Hand voll eher Quark, das war zumindest essbar.

Wolkenlose Sonne, doch für Morgenkaffe auf dem Balkon war es definitiv zu kühl. Ich plante einen Isarlauf, doch erst, wenn es ein wenig wärmer geworden war.

Die Waschmaschine lief mit meiner Bettwäsche, ich nahm mich der geschenkten Beeren der Nachbarin an. Johannisbeeren mögen sowohl Herr Kaltmamsell als auch ich nur als Gelee (vielleicht noch als Sirup). Da ich gestern fürs Entsaften keine Zeit hatte, streifte ich die Beeren nur von den Rispen und fror sie ein.

Dabei entdeckte ich einen blinden Passagier.

Auch um halb elf war es noch deutlich unter 20 Grad kühl, aber jetzt wollte ich los: Mit dem Rad zum Friedensengel, Rad abgestellt, isarabwärts gelaufen. Ging gut, die Sommerfarben blau und grün machten mich ganz trunken.

Der Friedensengel (!) unterm Europaplatz (!) schien mir gestern bereits genervt vom Maximilianeum weg zu schaun.

Zum Frühstück gab’s Quiche vom Vorabend, dann kümmerte ich mich um die Stachelbeeren.

Stachelbeeren hatte ich schon so lange nicht mehr gegessen, dass ich mich nicht mehr an das letzte Mal erinnern konnte. In meiner Kindheit gab es sie im Garten von Elternfreunden, ich aß sie direkt vom Busch, genauer: Ich zuzelte die Schale aus, die ich wegwarf, weil sie mir zu sauer war.

Den größten Teil der Beeren verarbeitete ich zu einem English Gooseberry Cobbler aus dem Sommerkochbuch von Delia Smith.

Der Teig war nicht ganz durchgebacken, obwohl oben bereits sehr braun – beim nächsten Mal würde ich an Temperatur (niedriger), Backort (nicht wie angewiesen oben im Ofen), Backzeit (länger) schrauben. Nur dass es sehr wahrscheinlich kein nächstes Mal gibt, denn, wie soll ich sagen: Vielleicht mag ich Stachelbeeren dann doch nicht. Es hatte gute Gründe, dass ich sie als Kind auszuzelte, sie sind mir zu sauer, dagegen kommt keine Menge Zucker an.

Die restlichen Stachelbeeren kochte ich zu Kompott, mit Zucker, Vanilleschote und einem Schuss Brandy, ein wenig mit Stärke angedickt. Zu meiner Überraschung schmeckte mir das sehr gut. Ich weiß also, was ich mit weiteren geschenkten Stachelbeeren machen würde.

Herr Kaltmamsell musste heftigst arbeiten, er entschuldigte sich mehrfach, dass er mich mit den Beeren allein ließ. No na, das kommt ja wirklich selten vor, noch dazu kochte er unser Abendessen: Ich hatte ihm diesen Link geschickt mit der Bitte “Kochst du das für mich?”. Und das machte er. Köstlich, die Zitronenpolenta ist eine ganz ausgezeichnete Idee.

Abends klärten sich noch Details meiner Übernachtungen in Klagenfurt, jetzt kann ich mich unbelastet freuen. (Allerdings muss mir noch einfallen, was ich drei Stunden lang mit Koffer zwischen Ankunft und Wohnungsbezug in Klagenfurt anstelle.)

§

Die New York Times erklärt Bayern zum Texas Deutschlands. Danke CSU.
“Bavaria: Affluent, Picturesque — and Angry”.

Bavaria may seem an unlikely home for populism. Nearly a third of Germany’s blue-chip listed companies are based here, unemployment is below 3 percent and economic growth has exceeded that of other German regions for the past eight years.

A melting pot of Slavic and southern European influences for centuries, Bavaria has also been more successful than many other German regions at integrating newcomers. Munich, for example, is far more multicultural than Berlin.

As Wolfgang Jirschik, mayor of Baierbrunn, a small village in the Isar valley near Munich put it: “There is no need to make Bavaria great again. It is already pretty great.”

(…)

“This is not about economics,” said Gerald Knaus, the director of the European Stability Initiative, a Berlin-based think tank. “It is about identity and a very successful populist P.R. machine that is rewriting recent history.”

In the fall of 2015, Bavaria was on the front line of Germany’s migrant crisis, processing tens of thousands of newcomers a day along its 500-mile border with Austria and earning worldwide praise for the humanity and efficiency with which bureaucracy and volunteers worked hand in hand to meet the challenge.

Refugees were welcomed with applause at train stations. Sport halls were transformed into makeshift camps. Soup kitchens were manned by local residents.

But three years later, the mood has shifted, particularly in areas close to the border where the far-right Alternative for Germany, or AfD, has made the most of its gains.

(…)

“Bavarian nationalism has been a tolerated form of nationalism since 1945,” said Klaus Reichhold, who runs a cultural institute in Munich and has written about Bavarian folklore. “You could always bypass the German taboo on nationalism by being Bavarian.”

Letzteres finde ich eine besonders interessante Beobachtung.
Allerdings lässt dieser NYT-Artikel die jüngsten Umfragergebnisse unerwähnt, nach denen 39% der befragten Wählerinnen und Wähler in Bayern die CSU als derzeit größtes Problem ansehen.

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Ein Twitterfaden erzählt ein Kapitel englischer gay history. Es beginnt mit einem Dachbodenfund.

via @spreeblick

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Diversity-Coach Robin DiAngelo erzählt von ihren Erlebnissen:
“How White People Handle Diversity Training in the Workplace”.

Confronted with their own shortcomings, white employees often shut down the dialogue—or frame themselves as victims.

Sie nennt einige Beispiele und folgert:

White fragility functions as a form of bullying: “I am going to make it so miserable for you to confront me — no matter how diplomatically you try to do so — that you will simply back off, give up, and never raise the issue again.” White fragility keeps people of color in line and “in their place.” In this way, it is a powerful form of white racial control.

Ich musste fast lachen, weil ich diese Mechanismen bei jedem der wenigen Male erlebt habe, wenn ich mich traute, jemanden auf rassistische Aussagen oder auf rassistisches Verhalten hinzuweisen – ohne dabei auch nur einmal das Wort selbst zu verwenden: Heftigstes Verteidigungsgefuchtel mit teilweise superrassistischen Argumenten, warum er/sie auf keinen Fall jemals rassistisch sein könne – von der Behauptung, Andersfarbigkeit gar nicht wahrzunehmen, bis zu Kompliment-Absicht.

die Kaltmamsell

11 Kommentare zu „Journal Sonntag, 1. Juli 2018 – Beerensonntag“

  1. Joël meint:

    Meine Mutter machte auch früher sehr oft selbst Joghurt. Wenn er misslang, lag es meistens an der Milch die nicht mehr super ultra frisch war. Am Besten ging es mit der Milch frisch vom Bauern.

    Ach ja, immer wenn ich bei Ihnen wieder lese dass dass sie mit dem Rad unterwegs sind, denke ich daran dass sie sich ein neues, auf Sie total angepasstes Rad kaufen wollten. Hab ich da was verpasst, oder ist der Kauf verschoben worden?

  2. die Kaltmamsell meint:

    Das Radl ist ein bisschen verschoben, Joël. Herr Schrauber hat das alte wieder so gut gemacht, dass der Druck erst mal weg ist.

    Die Milch muss gar nicht ultrafrisch sein für Joghurt, ich habe schon perfekten mit Milch am Ende der Haltbarkeit gemacht. In diesem Fall habe ich die Impfkultur im Verdacht: Ich hatte extra Bulgara-Joghurt besorgt, weil der so schön sauer ist; möglicherweise hat der keine lebenden Kulturen mehr.

  3. Simone meint:

    ******************KOMMENTAROMAT**********************

    Gerne gelesen

    *******************************************************

    Ich möchte als Tipp für die drei Stunden Kofferproblematik die Schließfächer von Bibliotheken oder des Bahnhofs empfehlen. Hat sich bei mir bisher bewährt.

  4. Buchfink meint:

    In Klagenfurt würde ich den Koffer per Taxi ins Quartier bringen zur Aufbewahrung, dann sind Sie den schon mal los und können frei von Lasten ihre Zeit verplanen.

  5. die Kaltmamsell meint:

    Der Bahnhof Klagenfurt scheint tatsächlich Schließfächer zu haben, Simone, danke für den Tipp! Und welche Bibliothek meinen Sie?

    Zum Quartier bringen, Buchfink, könnte ich das Gepäck schon selbst – aber dann stünde ich vor dem Haus mit der Ferienwohnung, zu der der Vermieter erst drei Stunden später kommen kann. Dort möchte ihn nicht einfach an die Straße stellen (Bombenräumkommando in 3, 2, 1…).

  6. Marika meint:

    Hallo! Ich wollte einmal DANKE! sagen für die geteilten Artikel und weitere Schnipsel aus dem Internet, die Kommentare dazu und für immer wieder Gedankenanregungen bei meinen Lieblingsthemen und immer mal auch in Bereichen, mit denen ich nicht so viel zu tun hab. Danke auch für die Bilder und Worte aus dem Leben in München, wo Freunde wohnen und ich manche Ecken ein bisschen kenne.
    Schön, hier zu lesen!

  7. Hauptschulblues meint:

    “(Allerdings muss mir noch einfallen, was ich drei Stunden lang mit Koffer zwischen Ankunft und Wohnungsbezug in Klagenfurt anstelle.)”
    Entspannt in ein schönes Kaffeehaus setzen und einen Braunen (FPÖ) oder einen Verlängerten (Kurz) oder sonst was trinken und eine der excellenten Mehlspeisen probieren.

  8. die Kaltmamsell meint:

    Haben Sie mir da für Klagenfurt einen Tipp, Hauptschulblues? Bei meinen vergangenen Aufenthalten konnte ich kein Kaffeehaus entdecken.

  9. die Kaltmamsell meint:

    Vielen Dank, Marika, das freut mich sehr!

  10. Hauptschulblues meint:

    Circa einen Kilometer nördlich des Hauptbahnhofs (die Bahnhofstraße hoch) gibt es eine ganze Reihe von Kaffeehäusern. Hauptschulblues würde das Café am Platz (Neuer Platz) bevorzugen. Aber bitte, Frau Kaltmamsell, vielleicht hat sich alles geändert nach den Jahren.

  11. Arthurs Tochter meint:

    <3

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