Journal Mittwoch, 14. November 2018 – Auf dem Weg zu Cary Grant
Donnerstag, 15. November 2018 um 6:50Beim nächtlichen Klogang (draußen wieder Amselgezeter) den Wecker dann doch vorgestellt und Sportpläne gestrichen. Ich war nicht gut eingeschlafen, weil mir unerklärlicherweise saukalt gewesen war (Zusatzdecke, Socken).
Nach vier Monaten wieder quer über die Theresienwiese in die Arbeit gegangen.
Der Fahrradweg (nicht auf dem Bild) scheint auf die Straße verlegt worden zu sein.
Halbwegs pünktlicher Feierabend, weil ich einen Friseurtermin hatte – endlich: Für den Frisurenwunsch, den ich beim letzten Mal geäußert hatte, brauchte Herr Haarschneider Material, und das musste ich erst mal wachsen lassen.
Diesmal konnte ich ihm recht konkret sagen, was ich haben wollte: Den Haarschnitt von Cary Grant. Wir waren uns einig, dass den Weg dorthin zahlreiche Hindernisse verstellen: Ich habe mehr Haare, keine Geheimratsecken, nicht den vom Experten anhand von Fotos diagnostizierten Wirbel, der bei Herrn Grant diese leichte Tolle hervorruft, und ich sehe überhaupt nicht aus wie Cary Grant. Unter anderem. Vor diesem Hintergrund bin ich mit dem Ergebnis ausgesprochen zufrieden.
„Everyone wants to be Cary Grant. Even I want to be Cary Grant.“
Cary Grant
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Maximilian Buddenbohm denkt darüber nach, wie stark Werke der Weltliteratur von fundamentalen Erziehungsfehlern leben.
“Im Sausetunnel”.
Von welchen Fehlern leben wohl die Werke, die heute geschrieben werden und dereinst als Meilensteine in die Literaturgeschichte eingehen? Umweltidiotie? Schiere Bosheit?
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Der kluge Fintan O’Toole hält für die Irish Times kurz inne und betrachtet den Brexit-Wahnsinn aus einer zukünftigen Perspektive:
“Historians will not believe sheer ignorance of Brexit supporters”.
via @vilsrip
Historians generally have to assume that people in power have a basic grasp of what they are doing, that their actions are intentional. They may use deception as a tactic and they may be deluded in what they think they can achieve. But they must, at least at the beginning, have some grasp on reality – otherwise they would not have achieved power. Yet, for the poor historians trying to make sense of Brexit, this assumption will be mistaken.
Angesichts eines US-Präsidenten Trump, der bei einem Treffen anlässlich des Gedenkens zum Ende des Ersten Weltkriegs die Staatschefs der baltischen Länder für den Jugoslawienkrieg verantwortlich machte, weil er das Baltikum für den Balkan hielt – frage ich mich allerdings, ob das nicht zum Muster wird.
Andererseits: Vielleicht war die beschriebene assumption schon immer falsch? Und es wurde halt nie festgehalten, dass eine Königin, ein US-Präsident oder anderer Staatschef etwas aus schierer Ignoranz verbaute?
§
Stan Lee ist gestorben, und eine riesige Welle der Anteilnahme, Trauer und Erinnerung strömte. Mit 95 zu sterben und statt “der hat noch gelebt?” ein internationales “Ohhh…” auszulösen, muss man als Künstler erst mal schaffen. (Na gut, eine halbwegs stabile Gesundheit hilft vermutlich.) Und jetzt gibt es so viele schöne Nachrufe zu lesen.
All die gezeichneten Tributes:
“Artists’ Tributes To Late Comic Book Legend Stan Lee”.
Persönliche Erinnerungen von Angestellten:
“My Moments with Stan”.
Die Süddeutsche widmet die ganze Eins des gestrigen Feuilletons dem Nachruf (€):
“Der Pate”.
In der Welt erwähnt Holger Kreitling auch den wunderbaren Roman von Michael Chabon, The Amazing Adventures of Kavalier & Clay, der Stan Lees Leben (sehr frei) fiktionalisierte:
“Whaam. Gabuumm. Thwip. Und ein letztes Excelsior!”
10 Kommentare zu „Journal Mittwoch, 14. November 2018 – Auf dem Weg zu Cary Grant“
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15. November 2018 um 7:03
ich habe letzte Woche auch um 4 Uhr früh amseln gehört. die denken, es kommt der frühling. war eindeutig frühlingsmorgengesang.
15. November 2018 um 7:58
Letztlich gibt es zwei Gründe, in die Politik zu gehen: Wille zur Macht und Showmanship. Intelligenz, Bildung und Überzeugungen sind optional.
15. November 2018 um 8:39
You ARE Cary Grant!
15. November 2018 um 9:20
Frühligsflöten der Amseln habe ich noch nicht gehört, ingrid, ist vermutlich nur eine Frage der Zeit.
15. November 2018 um 12:01
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Gerne gelesen
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15. November 2018 um 16:40
Auch wenn Trump eine eigene Definition von Ignoranz verkörpert, glaube ich, dass ein guter Teil unserer Politiker*innen mit Rückgrat ausgestattet ist. Ansonsten wäre die Rücktrittsankündigung von Frau Merkel nicht mit soviel Bedauern (auch im Ausland) aufgenommen worden und viele der fleißigen “kleinen Rädchen im Getriebe” nehmen wir ja medial gar nicht richtig wahr.
Trumps Präsidentschaft ist leider auch deshalb fatal: weil er zeigt, dass man ohne Gewissensbisse oder gar Kenntnis der Sachlage Einfluss aufs Weltgeschehen nehmen kann. Außerdem ist er eklig und stinkt. (*ups, ist mir rausgerutscht*).
15. November 2018 um 18:25
Ich hätte Sie zwar nicht als Cary Grant identifiziert, aber trotzdem: schöne Frisur!
15. November 2018 um 20:04
ich zitiere aus birdlife österreich. das heft ist heute gekommen.
“in städten sind amseln dafür bekannt, manchmal besonders früh im jahr während des winters ihren vollgesang zu produzieren, bzw. sogar in der kalten zeit meist erfolglose bruten zu starten. die ursache dafür ist eine fehlanpassung an die künstliche straßenbeleuchtung, die das natürliche licht als zeitgeber für den brutbeginn überlagert und so zu einem frühen nistversuch führt.”
meine amseln, in einer kleinstadt gehört, haben frühlingsgeflötet, nicht gezetert. dafür gibt es bei mir kaum welche.
16. November 2018 um 22:23
Über das Phänomen, dass Herrschende im Laufe der Geschichte immer wieder “aus schierer Ignoranz etwas verbaut” haben, hat übrigens die Historikerin Barbara Tuchman bereits in den 80er Jahren ein Buch geschrieben. Im Original heißt es “The March of Folly: From Troy to Vietnam – A meditation on unwisdom (as distinct from stupidity) as a force in history”, auf deutsch “Die Torheit der Regierenden.”.
17. November 2018 um 8:28
Vielen Dank für die Erinnerung, Ruth – bringt mich auf die Diskussion über das Buch während meines (Nebenfach-)Geschichtsstudiums: Es war damals heftig umstritten, dass bedeutende historische Veränderungen von Einzelpersonen abhängen, wie Tuchman es darstellte.