Journal Donnerstag, 17. Januar 2019 – Vom Wünschen
Freitag, 18. Januar 2019 um 6:35Wieder eine Nacht, deren Ende ich herbei sehnte. Die Mischung aus Schmerzen und Angstkreisel (nichts, was wirkliche Sorgen berechtigt) nervt.
Auf dem Weg in die Arbeit sah ich mir die Angst mal näher an (Analystensprech: “Das müssen wir uns mal genauer ansehen.”): Am ehesten gefällt mir die Erklärung, dass ich mir mit dem großen Fest seit Ewigkeiten erstmals erlaubt habe zu wünschen, also meiner Gefühlspolizei die Order erteilt habe, einen Wunsch loszulassen. (Und erstaunt bin, mit welcher Wucht ich wünschen kann.) Dass deshalb alles an mir zerrt, was mir sehr wahrscheinlich von klein auf das Wünschen abtrainiert hat: Das wird schiefgehen, je mehr du es dir wünscht, desto wahrscheinlicher. Du wirst enttäuscht sein oder sogar tief beschämt, es wird doch eh nie etwas so, wie du es dir vorstellst – kann ja gar nicht, weil du nur in der Vorstellung völlige Kontrolle hast.
Gleichzeitig komme ich da auf keinen Fall mehr raus: Ich weiß seit Jahren, dass der Schmerz des Bedauerns, setzte ich diesen einen Wunsch nicht um, mich bis ans Lebensende quälen würde. Weswegen Herr Kaltmamsell die Anweisung hatte, mich da nicht rauszulassen, sollte ich kneifen wollen.
Lebhafte und kleinteilige Arbeit, es wurde dann doch später als geplant. Auf dem Heimweg noch Räucherlachs und Eier besorgt, um mit dem Ernteanteil-Feldsalat diesen Teller zum Abendbrot zu servieren:
Spät der erlösende Anruf meines Vaters: Die OP meiner Mutter am Mittwoch ist reibungslos verlaufen, es ging ihr bei seinem gestrigen Besuch gut. Dann gleich auch mit ihr selbst telefoniert und erfahren: Mit einem eben eingesetzten künstlichen Hüftgelenk steht man noch am Tag des Eingriffs auf. Technik ist toll.
§
Eine weitere Fotografin aus der Mitte des 20.Jahrhunderts, die ihre Zeit dokumentarisch eingefangen hat:
“Helen Levitt’s Street Photos Blend the Poetic With the Political”.
via @goncourt
Details, die mich besonders interessieren:
Another myth is that she relied on a right-angled viewfinder, supposedly to stealthily photograph her subjects. But contact sheets in the exhibit’s catalog show different stages of her interactions with her subjects, including when they stared right into her lens. The final chosen image was often one that seemed most candid.
“Levitt actually very often selected a picture where apparently the photographed people are not aware of the photographer,” Mr. Moser said. “But, when you compare these selected images with the other variants, or the negative strip, or the contact sheet, it becomes clear that very often the people knew about the photographer.”
Lieblingsfoto: Die beiden Kinder, die sich zu der Frau in die Telefonzelle quetschen.
die Kaltmamsell14 Kommentare zu „Journal Donnerstag, 17. Januar 2019 – Vom Wünschen“
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18. Januar 2019 um 8:50
Das Fest wird schön werden, weil die Gäste wohlgelaunt und freudig kommen. Kleine Sache gehen immer mal schief, was aber nichts macht. H.s haben ihren 60. Geburtstag mit 70 Gästen gefeiert, ein halbes Jahr selbst geplant und es war prima.
Schalten Sie bitte um auf Vorfreude.
18. Januar 2019 um 9:43
@Hauptschulblues: Mademoiselle wird doch sicher erst 40b …. und auch ich bin überzeugt, dass es ein fröhliches, buntes, ausgelassenes – einfach großartiges Fest werden wird!
Zum Thema künstliche Hüfte: Ich habe seinerzeit bei meiner Mama erlebt, wie ein Mensch von schmerzgeplagtem Nicht-mehr-bewegen-können zu hüpfendem Rehlein mutiert ist (und das beidseitig, nacheinander) Die Dinger sind großartig!!!
18. Januar 2019 um 14:55
Es ist nicht entscheidend, wie man feiert, viel wichtiger, mit wem. Und da bin ich mir sicher, dass Sie den richtigen Menschen an Ihrer Seite haben – was also soll schiefgehen? Die kleinen Missgeschicke sind es doch, die dann ein solches Fest in der Erinnerung wieder viel lebendiger werden lassen, als es etwas “Perfektes” je könnte.
18. Januar 2019 um 16:02
Ja, das wollte man mir auch einreden. Die kleinen Missgeschicke…Um die geht es aber nicht. Man plagt sich bei solchen Planungen mit den wesentlichen Dingen. Was, wenn wir den falschen Wein ausgesucht haben, die Schlechtwetteralternative nicht zieht, was wenn sie das Graubrot zum Handkäs vergessen?
Das Tolle: Über diese Dinge, die wirklich schiefgegangen sind, hätte ich vorab gar nicht nachgedacht. Die Dinge, um die ich mich gesorgt habe, waren kein Problem.
Gute Planung ist das A und O. Es ist normal, aufgeregt zu sein.
Wenn es allerdings krasse Angst ist und das dauerhaft…dann sollte man sich Hilfe suchen. Hat mir in 3 Monaten sehr geholfen und seitdem kann ich auch größere Sorgen gut überstehen.
18. Januar 2019 um 16:15
Mir hilft es so viel wie möglich an Verantwortung abzugeben an Profis -auch wenns Geld kostet. Meine Nerven sinds mir wert.
18. Januar 2019 um 17:10
Auch H.s haben viel abgegeben, an die Kaiserin Elisabeth in Feldafing. Falscher Wein? Wer ihn nicht mag, trinke Wasser. Mein Gott das ist nicht wichtig. Wichtiger sind die Kommunikation, das Tanzen, gutes Essen, neue Bekanntschaften.
18. Januar 2019 um 17:32
Beim Thema Hüft-OP und direkt aufstehen musste ich direkt an diese Reportage denken bei DLF Kultur denken: https://www.deutschlandfunkkultur.de/neue-huefte-neues-knie-das-implantierte-gelenk-braucht.966.de.html?dram:article_id=431135
18. Januar 2019 um 18:41
Ich kann die Helen-Levitt-Ausstellung in der Albertina nur empfehlen, mein Mann und ich sind da letzte Woche mehr zufällig hineinspaziert und waren schwer beeindruckt. Mich hat sehr beschäftigt, wie sie zu diesen Bildern gekommen ist – was ist mit sicherem Blick eingefangen, was arrangiert, was klug beschnitten? Musste dort an dich denken.
Wenn Wien, dann bitte auch das recht neu eröffnete Weltmuseum anschauen! Während das Humboldt-Forum von einem Fettnäpfchen ins nächste tappt, haben die Wiener einen sehr feinen Umgang mit ihren ethnographischen Sammlungen gefunden und ein überaus anregendes und kluges Museum draus gemacht. Mit spektakulären Exponaten, zum Beispiel dem letzten aztekischen Quetzal-Kopfschmuck der Welt, der von berückender Schönheit ist. Der letzte der Welt! Mexikaner haben freien Eintritt, da die Krone zu fragil für eine Restitution ist, die immer mal wieder gefordert wird.
19. Januar 2019 um 8:19
Liebe Frau Vorspeisenplatte, mit Ihren Gedanken zum Wünschen haben Sie bei mir ins Volle getroffen – ich bin wohl, was diesen Punkt betrifft, sehr ähnlich aufgewachsen ohne dass es mir bis jetzt so richtig bewusst war. Nach Ihren Sätzen war mir zum ersten Mal nach 40 Jahren klar, was da immer noch so sehr in mir steckt und ich nie wirklich in Worte fassen konnte. Vielen Dank für diese Offenbarung, das Bewusstmachen mancher Gefühle hilft ja oft schon mal ein bisschen mit dem Umgang. Wenn unsere Erfahrungen da wirklich ähnliche sind, dann geht es ja auch gar nicht um Details, die danebengehen oder nicht, sondern um den reinen Wunsch eines Fest/einer Reise/einer Wohnung etc. Nur ja nicht zuviel vom Leben wünschen, es geht ja ohnehin schief! Unsere (sowieso sehr wenigen) Familienurlaube als Kind hab ich alle als verregnet in Erinnerung, denn natürlich geht in unserer Familie dann sowas schief, wenn wir uns schon erdreisten, einen Familienurlaub auf der Wunschliste zu haben… Vielen Dank fürs Gedankenfutter!
19. Januar 2019 um 8:49
Genau darum geht es mir, Iris. Auch ich komme erst langsam drauf, wie dieses völlige Fehlen von Träumen und Zielen bei mir entstanden ist. Meine größte Angst bei dem großen Fest: Es wird niemand kommen! Also das eine, das ich nicht durch Fleiß und Organisation selbst beeinflussen kann.
Vielen Dank, Sabine: Mittlerweile habe ich eine Liste von Museen und Orten, die ich unbedingt sehen will – bloß weil du sie in deinen immer bereichernden Kommentaren hier empfohlen hast. Bist du sicher, dass du nicht wieder bloggen willst? Allein schon das Detail mit dem freien Eintritt für Mexikaner!
19. Januar 2019 um 10:09
Lesen hier Festgäste mit? Dann melden Sie doch mal, ob Sie kommen werden, um der armen Frau Kaltmamsell diese Sorge zu nehmen!
Dass jemand dann kurzfristig krank wird, kann immer passieren, aber damit niemand kommt, bräuchte es wohl einen Meteoriteneinschlag… und dann haben Sie eh andere Sorgen…
Wenn Sie ein Fest geben, kann das nur wunderbar werden!
19. Januar 2019 um 11:27
Liebe Kaltmamsell, dann kannst Du Dir sicher vorstellen, wie’s mir bezüglich des nächsten Wochenendes geht. Es haben viele abgesagt, was meine Angst gewaltig steigerte. Und obwohl Angst nix Rationales ist, habe ich mir fest vorgenommen, mir dadurch nicht die Vorfreude verderben zu lassen. Also freue ich mich weiter und nehme die Dinge (ängstlich) hin, die ich nicht ändern kann. Meine Freude gehört jedenfalls nicht in die Kategorie.
19. Januar 2019 um 15:50
Ach, Frau Kaltmamsell, das wäre vielleicht wirklich eine Idee. Auf welcher Plattform bloggt man den heutzutage am besten, immer noch auf dem guten alten WordPress? In letzter Zeit klang es so, als haben sich viele darüber aufgeregt. Würden Leute das lesen wollen, amateurhafte Berichte von Museumsbesuchen, ohne jeglichen professionellen Mehrwert?
19. Januar 2019 um 20:58
WordPress gibt’s immer noch in einfach und gut, Sabine. Und: Oh ja, das würden Menschen lesen wollen.