Journal Samstag, 30. März 2019 – Frühlingsstrahlende Internetutopien
Sonntag, 31. März 2019 um 8:01Unruhige Nacht kann ich auch komplett ohne Herrn Kaltmamsell: Erst eine Wachpause ab halb vier, dann viel zu früh müde aufgewacht.
Egal, ich hatte Dinge vor, und der Tag versprach genau so strahlend sonnig zu werden wie angekündigt.
Zum Frühstück war ich in Haidhausen verabredet, vorher wollte ich mich sportlich bewegen. Aus Zeitersparnis stellte ich mich dafür auf den Crosstrainer, Partymusik auf den Ohren. Die Musik brachte mich sofort auf Betriebstemperatur, ich strampelte mir eine gute Stunde lang einen roten Kopf (ungewöhnlich für mich, zum Glück fühlte ich mich aber nicht so).
Beim Duschen und Anziehen stellte ich fest, dass ich mich zeitlich ein wenig verkalkuliert hatte und geriet etwas in Eile. Ich hastete zum Marienplatz für eine kleine Besorgung – aber bei diesem Anblick am Oberanger musste ich dann doch kurz stehenbleiben und ihn festhalten.
Zentrale des DAX-Konzerns Linde, Penthauswohnungen, Kurt-Eisner-Denkmal, schlafender Obdachloser. Eine typische Münchenmischung.
Wundervolles Frühstücktreffen mit einer Internet-Pionierin. Wieder viel aus der großen Wirtschafts- und Poltikwelt gelernt, Erfahrungen mit den Capricen von Menschen in hohen Führungspositionen ausgetauscht. Mich an dem Wechsel zwischen feinstem klugen Lächeln und herzhaftem Losprusten erfreut. Mögen die bösen Kräfte auch unser Web, auf das wir einst so viele Hoffnungen setzten, kaputt gemacht haben: Ich genieße bis heute die Folgen des Privilegs, früh genug dabei gewesen zu sein um großartige Menschen in meinem Leben zu haben, deren Wege die meinen ohne Internet niemals gekreuzt hätten.
Heimweg am frühen Nachmittag zu Fuß, um nach dem Stand des Frühlings zu sehen.
Zu merkender Pralinenhersteller am Ostbahnhof.
Daheim eine Runde Wäschewaschen, bevor ich zur zweiten Verabredung aufbrach: Nach vielen Jahren gab ich mal wieder Englisch-Nachhilfe. Ich hatte bereits vergessen, wie viel man über einen Menschen erfährt, den man Beispielsätze mit neuen Vokabeln machen lässt.
Ein weiterer alleiniger Abend. Ich buk Marmorkuchen, brauchte dabei ein Päckchen Mokkabohnen aus der Weihnachtbäckerei auf – mal sehen, welchen Effekt ich damit erziele.
Zum Abendessen machte ich mir (Herr Kaltmamsell war immer noch unterwegs) eine Schüssel Radiccio an, dazu Fladenbrot mit Käse.
Beim Zu-Bett-Gehen erzeugte der Duft des erkaltenden Marmorkuchens einen Erinnerungsflash: So roch es gerne bei meiner Oma, wenn ich als Kind am Wochenende bei ihr übernachtete (weil meine Eltern ausgingen oder selbst eine Party gaben); sie machte oft Samstagabend für Sonntag einen Marmorkuchen. (Nur dass ihrer staubtrocken war.)
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Katharina Borchert aka Lyssa, Chief Innovation Officer bei Mozilla, erzählt in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau, wie sich das Web in den vergangenen 20 Jahren verändert hat – und warum selbst sie mittlerweile ernüchtert ist:
“‘Ich war eine totale Internetutopistin'”.
7 Kommentare zu „Journal Samstag, 30. März 2019 – Frühlingsstrahlende Internetutopien“
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31. März 2019 um 8:42
Das mit dem Marmorkuchengeruch bei Oma kenne ich auch. Meine buk den Kuchen in einem solchen Gerät: https://alltagskulturen.lvr.de/de/objekte/Backhaube/DE-MUS-092717/lido/dc00028853
Danke für das Auffrischen dieser Erinnerung. Jetzt möchte ich bitte Marmorkuchen…
31. März 2019 um 8:44
Das ist ja großartig, iv! Und schreit nach einem Gastbeitrag fürs Techniktagebuch.
31. März 2019 um 8:58
Tja, die einzige Benutzerin dieser Maschine, die ich kannte, ist leider nicht mehr auskunftsfähig. Ich selber erinnere mich nicht mehr gut genug daran. Aber vielleicht kennt das ja noch jemand?
1. April 2019 um 21:33
Ich, ich, ich. Hatte mir in meiner ersten Wohnung mit Zweiplattenkochnische eine Backhaube zugelegt und darin ein wenig gebacken oder Braten gemacht. (War damals armer Kochlehrling, der feststellte, dass Backen nicht seins ist.)
Da das Ding außen ähnlich heiß wie innen wurde, blieb immer mehr dran kleben (Rührschüssel, Einkaufstüten, Schildpattkatze), bis ich alles zusammen wegwarf. (Die Katze konnte sich vorher noch lösen.)
Das war 1985 und ich hatte sie im Kaufring gekauft.
1. April 2019 um 22:01
Ich hatte als Studentin in den frühen 80er Jahren auch eine Backhaube, ein Geschenk von meiner Mutter. Quiches und Kuchen gelangen darin gut, obwohl es nicht möglich war, eine bestimmte Temperatur einzustellen – das Gerät war halt entweder an oder aus.
2. April 2019 um 5:10
Wie großartig, Sebastian, Cecilia – ich würde mich sehr freuen, wenn ihr hier etwas reinschriebt, am besten alle beide:
https://techniktagebuch.tumblr.com/submit
3. April 2019 um 20:18
Oh, welche Ehre! Ich schätze das Techniktagebuch sehr und freue mich, etwas dazu beitragen zu können.