Journal Mittwoch, 8. Mai 2019 – Berlin zur re:publica 2019: Konferenztag 3 mit Rückreise

Donnerstag, 9. Mai 2019 um 7:03

Die erste re:publica, auf der ich Mit-Erfinder Johnny Häusler nicht begegnet bin. (Er kümmerte sich um die gleichzeitig laufende TINCON.)

Ich wachte früh auf, ging wieder auf einen mittelguten Cappuccino ins Café ums Eck, bloggte fertig, packte und rollkofferte dann zur Station. Kurzer Stopp unterwegs an einer türkischen Bäckerei, um eine Brotzeit zu kaufen (Frischkäse-gefüllter Kringel).

Auch ein Standard meiner re:publica: Gunter Dueck. Diesmal hieß sein Vortrag “Identifikation von Bullshit und Wert”. Damit begab sich Dueck ins Fachgebiet der Wahrnehmungstheorie – und da ist er nicht daheim. Kombiniert mit seiner Argumentation anhand persönlicher Anekdoten klang das kurz vor Lebenshilfebuch. Andererseits bringt ihn das vielleicht auf die große Lücke, die in seinen Hinweisen auf das widersinnige, unvernünftige Verhalten von Menschen im Management und auf bescheuerte Firmenstrategien klafft: Das damit implizite Ziele erreicht werden (z.B. Burgfrieden, Selbstbestätigung), die genauso wichtig sein können wie die vordergründig deklarierten.

Nette Details: Dueck verwies darauf, dass Menschen beim Lesen ihres Smartphones sehr oft lächeln, lachen oder einfach glücklich aussehen. Viel öfter als beim Lesen anderer Sachen.
Und sein Verweis auf ein Paper, mit dem er und sein Doktorvater 1989 Aufsehen erregt haben: “Identification via Channels”.

Ich holte mir einen weiteren Cappuccino und stellte mich damit plaudernd in die Sonne hinter den Hallen – gestern war es endlich warm genug dafür. Alte Bekannte wiedergetroffen, einander vorgestellt.

Alexandra Borchardt und Teresa Bücker zogen mich zum nächsten Panel: “The new abnormal: Hate, Fakes, Mobbing. Wie machen wir das Netz zu einem besseren Ort?” Mit auf der Bühne waren Markus Heidmeier, Marco Holtz, die ausgezeichnete Moderation machte Nadine Kreutzer. Borchardt präsentierte Forschungsergebnis ihres arbeitgebenden Reuters Institute zu Meinungsfreiheit in der digitalen Welt, basierend auf dem letztjährigen Digital News Report. Interessante Schlussfolgerungen:
– Das, was sie das “Ü60-Phänomen” nannte. Glaube an Verschwörungstheorien und mangelndes Wissen über Medienmechanismen sowie über Bewertung von medialen Informationen finden sich weltweit vor allem bei älteren Menschen. Borchardt appellierte dafür, sich nicht nur bei jungen Menschen um Medienbildung zu kümmern.
– Nie vergessen, dass auch im Internet die Guten und Anständigen die Mehrheit sind.
– “Unterschätzen Sie die Leser nicht”: Appell an die Info-Medien, sich zu überlegen, wie sie ihre Leser produktiv einbinden können.

Letzteres war auch der Schwerpunkt der anschließenden Diskussion, Bücker konnte ihre Edition F als Beispiel anführen. (Abends allerdings die überraschende Nachricht, dass sie die Chefredaktion verlassen wird.)

Bei dieser Gelegenheit fiel mir wieder auf, dass zwar auch dieses Jahr die bedrohlich negativen Seiten der Internetmöglichkeiten zentrales Thema vieler Sessions waren, vor allem aber konkrete Lösungen diskutiert wurden.

“Die Akte Hannibal – ein Werkstattbericht” war der Abschluss meiner re:publica. Angestoßen von Redakteurin Christina Schmidt hat die taz ab 2017 Verflechtungen von Rechtsextremisten in der Bundeswehr und der Polizei recherchiert. Präsentiert und erzählt wurde ein spannender Werkstattbericht. (Running Gag: Wann wurde endlich daraus das Thema einer Talkshow?)

Es wurde Zeit für mich, meinen Koffer abzuholen (eigener Bereich am Eingang der re:publica) und zum Hauptbahnhof zu fahren. Dort aß ich ein wenig Backfisch und eine Streuselschnecke, setzte mich dann in den ICE nach München.

Blühende Landschaften, düsteres Wetter. Ich las in leidlich funktionierendem WLAN auf meinem Laptop Internet. Wie auf der Hinfahrt war der Platz neben mir entspannterweise frei.

Nach vier Stunden war ich wieder unter Bayern, Herr Kaltmamsell holte mich am Münchner Hauptbahnhof ab. Er hatte daheim auch ein warmes Abendessen vorbereitet: Auberginen Tikka Masala. Und er hatte die ersten heimischen Erdbeeren der Saison zum Nachtisch besorgt.

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Wenn ich ihn nicht aus der Redaktion des Techniktagebuchs kennte (er war auch einer der Vorleser), hätte ich Felix Neumanns Hinweis auf diesen Teil der re:publica sehr wahrscheinlich gar nicht wahrgenommen. Dabei finde ich es hochinteressant, dass sich auch die Kirchennetzgemeinde auf der re:publica getroffen hat:
“Wo ‘gläubige Nerds’ über die digitale Zukunft der Kirche sprechen”.

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Die Sache mit dem Ausdrucken des gesamten Techniktagebuchs ist jetzt endlich auch eine schöne Geschichte im Techniktagebuch geworden:
“20. März bis 8. Mai 2019
Wir drucken das Techniktagebuch aus und lesen alles vor”.

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Vanessa Vu hatte ich erst am Montag auf einer re:publica-Bühne gesehen. Jetzt las ich ihre Reportage für die Zeit:
“Vietnamesen in Deutschland
Die neuen Ossis”.

Von einer vietnamesischen Münchnerin habe ich mir mal erzählen lassen, dass es auch in München eine recht große Gemeinde an Einwanderinnen (vor allem Frauen) aus Vietnam gebe. Wenn ich sie richtig verstanden habe, kamen sie als geschlossene Gruppe aus Ostdeutschland nach München, treffen sich immer noch fast an jedem Wochenende zum gemeinsamen Picknick oder anderen Unternehmungen, gedenken zusammen der Todestage ihrer Eltern in Vietnam. (Die ausführliche Geschichte läse ich gerne mal in der Süddeutschen.)

die Kaltmamsell

5 Kommentare zu „Journal Mittwoch, 8. Mai 2019 – Berlin zur re:publica 2019: Konferenztag 3 mit Rückreise“

  1. Elfe meint:

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    Gerne gelesen

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  2. Mareike meint:

    ******************KOMMENTAROMAT**********************

    Gerne gelesen

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  3. adelhaid meint:

    in meinen lehrveranstaltungen sage ich zu beginn immer, dass gerne die handys genutzt werden können – unterstützend zum inhalt.
    und das es mir sehr leicht fällt zu erkennen, wenn das handy für andere zwecke benutzt wird, als meinen inhalt zu unterstützen: niemand lächelt eine wörterbuch-app an.

  4. Eine Leserin meint:

    Danke für die, wie immer, so anregenden Schilderungen und Tipps zum Weiterlesen. Hoffe, ich finde andere Beiträge zu tl;dr, die ergiebiger als der Vortrag von Herrn Dueck sind. Ist man da seit Kahnemann nicht weiter?

    Grade verzweifle ich in der Zusammenarbeit mit Grafikern, die behaupten, niemand wolle Fakten lesen/sehen (hier zu Nachhaltigkeit, Ernährung, Klimaerhitzung). Stattdessen hübsche Bilder und bekannte, aber eher in die Irre führende Schlagworte.

    Ergänzend zu Zielen, die ebenso wichtig sein mögen: es ist anstrengend, selber zu denken, zu lesen, zu prüfen, grade wenn man etwas schon so häufig als die gute Meinung gehört hat. Das gute Gefühl ist in komplexen Fragen oft ein schlechter Ratgeber.

  5. Sandra meint:

    Sind Sie sicher? Ich glaube, das Wörterbuch auf Österreichisch würde mich sehr wohl zum Lächeln bringen können :)

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