Journal Montag, 6. Januar 2020 – Venedig 6, Ca’ d’Oro, Befana-Rudern und Rückreise

Dienstag, 7. Januar 2020 um 9:00

Unser Zug zurück ging erst um halb zwei, das verschaffte uns mit etwas früherem Aufstehen einen weiteren Vormittag in Venedig – und nochmal ließ Venedig sich nicht lumpen.

Aus der immer noch nicht geringer werdenden Zahl attraktiver Museen hatte sich der Palazzo Ca’ d’Oro in meine Aufmerksamkeit geschoben, unter anderem weil wir mit dem Vaporetto auf dem Canal Grande mehrfach daran vorbeigefahren waren.

Auch gestern wollten wir mit dem Vaporetto hinfahren (gleich beim Palazzo gibt es eine nach ihm benannte Haltestelle), doch es fuhr uns vor der Nase davon. Da wir aufs nächste hätten warten müssen und die Fahrt ohnehin lang gedauert hätte, gingen wir zu Fuß – und genossen nochmal herrliche Anblicke, gestern bei trübem Wetter.

Der damals verfallende Palazzo Ca’ d’Oro war Ende des 19. Jahrhunderts von Baron Giorgio Franchetti gekauft worden und Stück für Stück restauriert mit dem Ziel, eben jenes Museum daraus zu machen. Wir sahen auf zwei Geschoßen unter anderem wundervolle europäische Kunst aus dem 15. und 16. Jahrhundert (hier eine Liste), auffallend gelungen präsentiert, und wie von Franchetti beabsichtigt war auch das Gebäude selbst sehr sehenswert.

Beim Blick von dort auf den Canal Grande fiel mir wie schon in den Tagen zuvor auf, dass immer wieder Stehruderer auf den Kanälen unterwegs sind, scheinbar ganz normale Menschen einzeln, zu zweit, aber auch in größeren Gruppen in unscheinbaren Booten. Laut einem Zeit-Artikel von 2018 gibt es in Venedig eine Rückbesinnung auf diese spezielle Rudertechnik (die schmalen Kanäle bieten nicht genug Platz für waagrechte Ruder). Vermutlich hätte ich das unter den Sportmöglichkeiten der Lagunenstadt aufführen müssen – es gibt sogar Kurse.

Auf der Rückfahrt per Vaporetto zum Hotel musste unser Schifferl am Rialto-Markt eine ganze Weile warten, weil an der Brücke irgendwas los war. Erst nachträgliche Recherche verriet mir: Wir hätten die Regata delle Befane sehen können. Am Dreikönigstag kommt ja in Italien die Hexe Befana und bringt Geschenke; das feiert der historische Ruderclub Cannotieri Bucintoro mit einer Regata auf dem Canal Grande – in Kostümen. Als wir mit unseren Koffern auf das Vaporetto zum Bahnhof warteten, sahen wir den einen und die andere davon kostümiert an uns vorbei heimrudern.

Zuvor hatten wir am Palazzo Ca’ d’Oro noch Zeit für einen Cappuccino gehabt und dazu in der Pasticceria Pitteri Torta Veneziana al Pistacchio gegessen: Köstlich, auch die anderen Gebäcke in der Auslage sahen sehr individuell und hausgemacht aus.

Am Bahnhof hatten wir noch reichlich Zeit. Herr Kaltmamsell bekam endlich seine Pizzaschnitte auf die Hand, ich schloss mich an, und wir holten Brotzeit. Die Rückfahrt pünktlich und ereignislos, das Wetter in München ähnelte dem in Venedig bei der Abfahrt.

Blick von der Rialtobrücke ins Trübe.

Palazzo Ca’ d’Oro.

Ruderer vorm Palazzo.

Mehr Ruderer nach der Regatta.

Feministische Paddelunterstützung (auf dem Boot steht “Pink Lioness in Venice”).

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Ayọ̀bámi Adébáyọ̀, Stay with me ausgelesen. Puh, ein vielgerühmter Roman, doch mein Problem damit ist ein spezielles: Romane, deren Handlung von Kinderwollen und -haben als Wichtigstem im Leben dominiert wird, gehen an mir vorbei. Ich weiß sehr wohl, dass die Menschen mit nur wenigen Ausnahmen ganz dringen Kinder haben wollen – bloß gehöre ich halt nicht nur zu diesen Ausnahmen, sondern wollte im Gegenteil immer schon ganz dringend und aktiv keine Kinder haben. Da draußen in Leben und Gesellschaft ist mir die Abweichung meiner Einstellung sehr bewusst und ich ermögliche anderen das Kinderhaben selbstverständlich, versuche für eine Gesellschaft zu sorgen, in der dieser Wunsch möglichst einfach umgesetzt werden kann. Und Freundinnen und Freunde, deren Kinderwunsch unerfüllt bleibt, bedaure ich wirklich von Herzen, wie mich jeder ihrer unerfüllten Herzenswünsche wirklich schmerzt.

Doch ein paar hundert Seiten Roman, in denen absolut jeder und jede Kinderkriegen als das absolut Allerwichtigste im Leben annimmt, in denen sich alles darum dreht, bereiten mir vor allem Anstrengung. Die Kinderkrieg-Motivation des jungen nigerianischen Paares in Stay with me ist so bestimmend, dass der Hintergrund der Romanhandlung, nämlich die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Nigeria im ausgehenden 20. und Anfang des 21. Jahrhunderts, aufgesetzt wirkt. Auch die unchronologische Erzählstruktur und kapitelweise wechselnde Erzählperspektive aus Sicht der Ehefrau Yejide und des Ehemanns Akin kamen mir bemüht vor. (Mag vielleicht mal wieder jemand eine so richtig auktoriale Erzählstimme versuchen? Also außer Wolf Haas? Wäre inzwischen innovativ.)

Eine interessante ganz andere Sicht auf den Roman gibt die Rezension von Diana Evans im Guardian: “Stay With Me by Ayòbámi Adébáyò review – a big-hearted Nigerian debut”.

die Kaltmamsell

5 Kommentare zu „Journal Montag, 6. Januar 2020 – Venedig 6, Ca’ d’Oro, Befana-Rudern und Rückreise“

  1. Elisabeth Martin meint:

    Vielen Dank – es war sehr schön in Venedig mit Ihren Berichten und Fotos. Einen gute Start in das Jahr 2020, 2000 vins, wie man in unserer (Weinbau) Region sagt.

  2. Eva meint:

    Oh wie gern war ich virtuell dabei auf Ihrer Reise! Vielen Dank und guten Wiedereinstieg in den Alltag!

  3. Vinoroma meint:

    Meine freundin Nan, mit der ich Dich damals in Verbindung gesetzt hatte glaube ich, ist eine Vogalehrerin (wie stehruderer heissen). Edit: seh gerad, die kurse dis du gelinkt hast sind zu row venice – das ist ihre firma!

  4. die Kaltmamsell meint:

    Wie großartig, Vinoroma!

  5. Georg meint:

    Vielen Dank für die schönen Berichte aus Venedig! Sie wecken schöne Erinnerungen.
    Schade, dass Sie die Regatta nicht gesehen haben, gerade die Mannschaftsboote finde ich sehr elegant anzusehen. Richtig viele davon (und jede Menge andere muskelbetriebene Boote) fahren auf der Vogalonga an Pfingsten, da ist dann einen halben Tag alles dicht.

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