Journal Donnerstag, 30. April 2020 – Überraschungsblumen und erwarteter Backtrieb
Freitag, 1. Mai 2020 um 9:26Gestern war wieder Yoga-Morgen, ich hatte mir 20 Minuten gegen verspannten Nacken ausgesucht – wie vermutlich alle Bildschirmarbeiterinnen kann ich mich nicht erinnern, wann mein Nacken zuletzt unverspannt gewesen wäre, es gibt nur Abstufungen im Grad und in der Schmerzhaftigkeit. Die Gymnastik tat dann auch gut.
Die Hasenglöckchen in ganzer Pracht.
Radeln in die Arbeit, es war kühl geworden – passend für die Jahreszeit.
Morgens hatte ich den nächsten Orthopädentermin: Da mich keine Schmerzen mehr vom Schlaf abhalten, gibt es derzeit nichts weiter zu tun, als auf eine OP-Möglichkeit zu warten. Auf meine Bitte gingen wir die Befunde aus Röntgen, Ultraschall und MRT nochmal durch, und ich lernte das Wort “Usuren”: Diese dellenförmigen Abnutzungen in Knorpel und teilweise schon Knochen des Gelenkkopfs kann man laut Dr. Orth2 nämlich deutlich erkennen. Meine Wahl der Spezial-Klinik begrüßte er als ausgezeichnet, dort wird allerdings seit Wochen wegen Corona nicht operiert (die Klinik hat eine Auswahl gymnastischer Übungen auf die Website gestellt, die man in der Zwischenzeit regelmäßig machen soll). Dr. Orth2 empfahl mir, mich dort auf die Warteliste setzen zu lassen.
Mehr Arbeit in der Arbeit (mittags ein Laugenzöpferl, rote Paprika, Gurke, Käse), es wurde wieder später als geplant. Dadurch war ich wieder so erledigt, dass ich keine Energie für den eigentlich geplanten Blumenkauf hatte. Was sich als gar nicht so schlimm erwies, denn im heimischen Wohnzimmer wartete ein Blumenstrauß auf mich, selbst gebunden und persönlich vorbeigebracht von einem lieben Menschen. Große Freude.
Eine weitere Postsendung war gestern eingetroffen: Eine meiner ältesten Internetbekanntschaften hatte Lievito Madre angesetzt und darüber getwittert, woraufhin ich um einen Anteil gebeten hatte. Gefühlt verwenden nämlich seit Monaten alle interessanten Brotrezepte in Blogs dies als Triebmittel, und ich war zu faul, selbst einen anzusetzen. Jetzt hatte ich eine Tafel getrockneten in Alu bekommen, den ich anweisungsgemäß mit etwas Wasser rehydrierte. Noch wird er ein wenig Zeit zum Aufwachen brauchen: Mögen Sie mir bis dahin Ihre Lieblingsbrote auf Basis von Lievito Madre verraten? Im Gegensatz zum Vater dieser konkreten LM-Kultur habe ich nichts gegen lange Gärzeiten, der Teig darf ruhige Tage brauchen.
Nachtmahl war nach langer Pause mal wieder der Klassiker zum Einläuten eines Wochenendes: Kuh auf Wiese. Als Wiese hatte ich um Spinat gebeten – jetzt geht seine Saison so richtig los, und frischer, lediglich kurz gedämpfter Spinat gehört zu meinen Lieblingsgrüns.
Dazu ein israelischer Pinot Noir, den ich ein paar Jahre in unserem Weinregal ignoriert hatte, weil er mir zuletzt nicht mehr recht schmecken wollte: Das Altern hatte ihm gut getan, ich mochte ihn sehr (allerdings nur ein Glas davon).
Abends hatte wieder Regen eingesetzt, ich hoffte, dass er diesmal ausgiebiger ausfällen würde. Drei Tage Regen ist zwar nicht das perfekte lange Wochenende, doch in der Coronazeit könnte das zum einen das Drinnenbleiben fördern, außerdem braucht es so dringend Regen, dass ich gerne mal drei Tage Sonnenwetter dransetze.
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In mir wanderte weiterhin eine kluge Twitter-Frage der auch sonst klugen Antje Schrupp:
Frage an die atheist*innen hier: Wie kann man ohne das Konzept einer Schöpfung die Gleichheit aller Menschen behaupten? Warum Menschen als „Gleiche“ betrachten, wenn sie es doch offensichtlich nicht sind? Also: woher kommt die Autorität dieser Behauptung, wenn da kein „Gott“ ist?
Erste Überlegungen führten zur ehrlichsten Antwort: Weil es sich besser anfühlt. Das ist allerdings die individualpsychologische Antwort: Dieses Gefühl ist Produkt meiner kindlichen und gesellschaftlichen Prägung, letzteres enthält bereits den soziologischen Teil der Antwort. (Und es schwächt meiner Einstellung nach das Festhalten an dieser Gleichheit/Gleichberechtigung, wenn jemand es nur unter dem Druck einer höheren Instanz tut.) Doch damit komme ich nicht weit, denn Antje Schrupp hatte in der Twitter-Diskussion präzisiert:
Die Autorität, die es ermöglicht (eventuell) das Konzept gegen die Evidenz der Realität und gegen die Interessen der Stärkeren kulturell durchzusetzen.
Weil ich ja gut trainiert im Rationalisieren bin, begründe ich mein Gefühl auch vernünftig: Spieltheorie. Kooperation gewinnt, und die funktioniert belegbar am besten durch Rücksicht auf der Basis angenommener Gleichheit. Mit dieser Evidenz zweiten Grades schlage ich die nur scheinbare Evidenz ersten Grades, nach der man doch sieht, dass die Menschen nicht gleich sind. Das ist allerdings kalt und technokratisch und wird nie die emotionale Überzeugungskraft von religiösen Himmelsversprechen oder Höllendrohungen haben.
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Gerburg Jahnke, die ich seinerzeit als Hälfte der Missfits kennengelernt habe, prägte einen schönen Satz für aufs Paradekissen sticken:
“Wenn man einmal ganz schlimm Feminismus hatte, geht das nie wieder weg.”
(Hier gefunden.)
16 Kommentare zu „Journal Donnerstag, 30. April 2020 – Überraschungsblumen und erwarteter Backtrieb“
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1. Mai 2020 um 9:51
“Warum Menschen als „Gleiche“ betrachten, wenn sie es doch offensichtlich nicht sind?”
Wer sagt denn, dass Menschen nicht gleich sind?
1. Mai 2020 um 10:03
Dann lieber kalt und technokratisch als religiöse Himmels- und Hölleversprechungen, die eh niemand belegen kann ;).
Danke für diese sehr denkanregenden Ausführungen.
Einen schönen Feiertag wünschen, Ev
1. Mai 2020 um 11:15
Dass alle Menschen gleich sind, ist ein relativ modernes Konzept. Religioes galt ledigliuch die Gleichheit vor Gott, was Ungerechtigeiten des Lebens ertraeglich machen sollte.
1. Mai 2020 um 13:19
In welchem Sinn “gleich”?
1. Mai 2020 um 14:01
Geht es nicht eher darum, dass alle Menschen gleich behandelt werden sollen? So interpretiere ich die gebotene Gleichheit vor dem Gesetz. Dafür brauche ich keinen Gott.
1. Mai 2020 um 15:27
Richtig, hafensonne! Es geht darum, daß alle Menschen die gleichen Rechte und Chancen haben. Zu behaupten, daß sie gleich seien oder sein sollen, würde ja jede Individualität leugnen.
Und die Religionen hab es eh selten so recht mit den gleichen Rechten für alle. Die stopfen Menschen in Kasten oder schließen Frauen von Vielem aus oder sind der Meinung, “Ungläubige”dürfe man belügen und und und.
1. Mai 2020 um 19:41
Spätestens im Angesicht des Todes spielt es keine Rolle mehr, ob einer König oder Bettler war. Alle werden wir wieder zu Staub oder Asche, also gleich. Zu Lebzeiten allerdings tun wir Menschen uns schwer alle gleich zu behandeln, wobei ich das Wort gleich durch gerecht ersetzen würde.
2. Mai 2020 um 8:53
Auch wenn eigentlich die Meinung von atheistischen Frauen gefragt war, möchte ich gerne dennoch meine kundtun, auch, um auf eine Falscheinschätzung „der Religion“ hinzuweisen.
Dass Menschen nicht gleich sind, kann jeder erkennen, der Augen im Kopf hat. Jeder Mensch ist einzigartig, es gibt keinen zweiten wie ihn/sie auf der Welt. Und das ist auch gut so und für jeden Einzelnen und auch für die Gesellschaft wichtig. Wenn mein Neffe als körperlicher Bär gleich zwei meiner Winterreifen gleichzeitig die Treppe hochträgt, bin ich als rückenkranke Frau, die nicht mal einen Reifen hochwuchten könnte, sehr dankbar dafür. Ich habe andere Fähigkeiten, die ich ihm bei anderer Gelegenheit zur Verfügung stelle. So funktioniert Gesellschaft – der Große hilft dem Kleinen.
Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich in den Siebziger- und Achtzigerjahren als Frau dieselben Bildungsmöglichkeiten hatte wie meine männlichen Jahrgangskollegen. Dass ich aber auch Frau sein durfte und nicht so tun musste, als sei ich ein Mann. Es gab in unserem Ort noch echte Originale. Die sterben mittlerweile aus.
Dass vor dem Gesetz kein Ansehen der Person gilt, ist etwas völlig anderes als die krampfhafte Gleichzwingerei seit Rot-Grün, die uns in Deutschland viele Nachteile bringt. Wer in den letzten Jahren einen neuen Job gesucht hat, weiß, was ich meine. Auch die zunehmende Meinungsdiktatur (schön zu sehen am Thema Corona) macht mir große Sorgen. Andere Meinungen werden nicht als Möglichkeit zur Verbesserung und als Korrektiv gesehen, sondern unterdrückt, sie sind politisch unkorrekt und damit automatisch falsch und dumm.
Nun zur Annahme, in der Religion seien alle Menschen vor Gott gleich. Das mag für mir unbekannte Religionen vielleicht gelten, im Christentum ist dem jedenfalls nicht so. Gott ist gerecht und ein unbestechlicher Richter (Römer 2). Das heißt, dass er selbstverständlich die unterschiedlichen Voraussetzungen berücksichtigen wird, die ein Mensch hat/hatte. Nichts wird übersehen, nichts unter den Tisch gekehrt, jedem wird völlige Gerechtigkeit widerfahren. Die Bibel sagt ganz klar an vielen Stellen, dass die Menschen, die ohne Gott leben, im Weltgericht *nach ihren Werken* gerichtet werden und dass die, die Jesus vertrauen UND seinen Willen tun, durch das Opfer Jesu (die Bezahlung der Strafe) freigekauft wurden. Kurzfassung: Es wird einen entscheidenden Unterschied machen, ob Jesus als mein Richter oder als mein Anwalt auftritt.
2. Mai 2020 um 11:00
Eine interessante Argumentation, Christine. Sie beginnt mit der Erkenntnis, dass sie hier deplatziert ist, darüber setzen Sie sich gleich mal hinweg und drängen sie uns hier dennoch auf.
Sie behaupten eine „krampfhafte Gleichzwingerei seit Rot-Grün, die uns in Deutschland viele Nachteile bringt“. Das verstehe ich nicht: Ich sehe weder krampfhaft noch Zwang und weiß nicht, von welchen Nachteilen Sie sprechen. Wer ist „uns“? Da ich in den vergangenen Jahren auch einen Job gesucht habe, gehöre ich ganz offensichtlich nicht zu Ihrem „uns“.
Wo und woran sehen Sie „Meinungsdiktatur“, wann wurde Ihre Meinung unterdrückt? Diese Begriffe verwenden erfahrungsgemäß nur Menschen, die Widerspruch mit Unterdrückung gleichsetzen.
Bei religiöser Argumentation können Sie natürlich nach Belieben verfahren, da teilen wir nicht mal die Prämisse. Allerdings wehren sich erfahrungsgemäß auch Gläubige, wenn jemand sich zur Sprecherin für „das Christentum“ erklärt.
2. Mai 2020 um 11:39
Ich bitte um Entschuldigung, dass ich mich aufgedrängt habe. Ich lese gerne Ihr Blog und werde das künftig wieder still tun.
2. Mai 2020 um 12:34
Möchten Sie das als Exempel verwenden, Christine? Auf Nachfragen und Widerspruch reagieren Sie mit “werde ich künftig wieder still” sein?
2. Mai 2020 um 21:47
Tag und Nacht sind auch nicht gleich, stört uns das genauso?
2. Mai 2020 um 22:04
Hallöchen,
gläubig bin ich nicht, aber einigermaßen “bibelfest”. Ihrer Aussage “nach ihren Werken” möchte ich amüsiert Eph. 2,8-9 entgegensetzen.
Ansonsten… “Meinungsdiktatur”? Alter Hut: Sie dürfen meinen, was sie möchten, aber müssen eben auch aushalten, dass andere anderer Meinung sind.
Zur Gleichstellung der Frau: Der Punkt ist ja eben gerade, dass ich nicht so tun müssen will, als sei ich ein Mann. Aber ich glaube, ich meine das ganz anders als Sie.
“Ma revendication en tant que femme c’est que ma différence soit prise en compte, que je ne sois pas contrainte de m’adapter au modèle masculin. ”
Simone Veil
Viele Grüße
die M.
3. Mai 2020 um 10:28
Liebe Kaltmamsell,
Sie fragen: “Möchten Sie das als Exempel verwenden, Christine? Auf Nachfragen und Widerspruch reagieren Sie mit „werde ich künftig wieder still“ sein?”
Sie hatten mir zu verstehen gegeben, dass ich mich Ihnen aufdränge. Es ist Ihr Blog, Sie haben hier Hausrecht und ich möchte ganz sicher nicht unerwünschte Diskussionen führen, auch wenn ich sehr gerne bereit bin, meine Aussagen näher zu erläutern.
Vielleicht ist hier in den Kommentaren aber doch auch nicht genug Platz dafür, ein Forum ist dafür rein technisch besser geeignet.
PS an Die M.: Niemand wird durch Werke gerettet, das habe ich nicht geschrieben. Ihre Bibelstelle belegt meine Aussage oben.
3. Mai 2020 um 13:25
Ah, das mit den Werken war bei ihnen nur für die “Gottlosen”, das hatte ich überlesen.
Nun ja.
3. Mai 2020 um 14:47
Liebe M.,
nein, niemand wird durch Werke gerettet (auch nicht die Gläubigen).
Die einen werden nach ihren Werken gerichtet, die anderen durch Gnade und Glauben gerettet – das sagt ja die von Ihnen angeführte Stelle. Letztere sollen aber sich nicht auf der Gnade ausruhen und weiter ein Leben führen wie bisher, sondern (Matth. 7,21) den Willen Gottes TUN. Das Tun ist ein Ergebnis der Rettung, nicht die Ursache.