Ukuleles
Freitag, 6. November 2009 um 9:32Erleichterung, behauptet laut der New York Times Ukulelespieler Dave Suich, Erleichterung sei die häufigste Erstreaktion der Zuhörer bei Auftritten des Ukulele Orchestras of Great Britain: “Relief is one of the major emotions of our audience.” Denn, so die NYT: “If the Ukulele Orchestra of Great Britain exists partly to subvert expectations, then the first expectation it subverts is that it is going to be very, very bad.” Viel tiefer geht Understatement vermutlich nicht, schon rein physikalisch. Die Leute, die dieses Jahr die Royal Albert Hall beim Aufritt des UOGB füllten (sehen Sie sich mal das Foto an!), kamen, um sich Erleichterung zu verschaffen, genau.
Don Dahlmanns Blog hat mich vor einem Jahr auf die Band gebracht, und zwar so sehr, dass ich mich tatsächlich dahinter klemmte, sie mal spielen zu hören.
Und so fuhr ich gestern mit der Bayerischen Oberlandbahn nach Bad Aibling. Man mag sich fragen, warum das UOGB im Kurhaus von Bad Hausen Aibling spielt, aber nicht in München. Als Erklärung bietet sich an, dass das Orchester weiß, in München müsste es auf die zahlreichen Begrüßungsreden vor dem Auftritt verzichten: Auf den Bürgermeister, der die Ehrengäste namentlich einzeln und „mit Gattin“ begrüßt, auf die Ansprache des Mitgründers der Konzertreihe und seine launigen Geschichten, auch auf die Grußworte des amtierenden Organisators, der über Leute schimpft, die sich von Musik nur unterhalten lassen wollen und nicht bereit sind, sich auch mal mit dem Ernst in Musik auseinanderzusetzen (in diesem Moment fragte ich mich, ob dem Herrn klar war, wer da jetzt gleich auf die Bühne kommen würde).
Das Konzert war großartig: Sechs hervorragende Musiker, die alle singen können (abwechselnd einzeln, aber auch im Chor einschließlich a capella) und die mit ihren Ukuleles wundervolle Dinge tun. Sie bedienen sich an so ziemlich allem, was die Musikgeschichte her gibt, vor allem aber an Popmusik. Und zerlegen es. Auch bei den Ansagen wechselten sich die Musiker ab: George Hinchliffe berichtete von seiner Kindheit in der „People’s Republic of South Yorkshire“, Peter Brooke TurnerJonty Bankes wiederholte sein Vorspielstück, mit dem er vor 18einhalb Jahren ins Orchester aufgenommen wurde, Hester Goodman äußerte sich zur Stellung der Frau in der Geschichte der Ukulelemusik („One in six Ukulele players is female…“), und der oben zitierte Dave Suich baute ein Headbanging-Solo ein. Er ist aber auch der einzige, bei dem es so richtig was hermacht mit seinen langen, blonden Haaren. Sehr schön: Zwei Stücke, in denen sie bis zu fünf sehr bekannte Popsongs übereinander legten – ein Effekt wie beim Durcheinandersingen in der Oper (wie heißt das korrekt?).
Gründe, die laut den Orchestermusikern für die Ukulele sprechen (aus dem NYT-Artikel):
“People love them like puppies,” Mr. Suich said.
“They lift depression,” Mr. Grove-White said.
“It’s quite an empowering instrument,” Ms. Goodman said.
“You can do an entire world tour while carrying only hand luggage,” Mr. Hinchliffe said.
Die Musik funktioniert auch auf Tonträger. Das halte ich für erwähnenswert, weil ich schon oft von Aufnahmen begeisternder Konzertkapellen enttäuscht war. Das UOGB verkauft seine Platten über die eigene Website, wo man auch in viele Stücke reinhören kann. Zusätzlich, wie es gestern hieß: „They put everything we goddamn ever played on YouTube anyway.“
Meine Lieblingsstücke von gestern Abend:
In erheblich besserer Tonqualität auf der Platte „Live in London #1“. Vielleicht irgendwann doch mal im Gasteig?
die Kaltmamsell22 Kommentare zu „Ukuleles“
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6. November 2009 um 10:06
Sehr geil!
Haben die vielleicht auch “Black or White” von Michael Jackson gespielt? Seitdem das ‘rauskam, habe ich den dringenden Wunsch, es mal auf der Ukulele oder einem Banjo zu hören, die Struktur des Liedes schreit geradezu danach. Bisher hat sich noch niemand erbarmt.
6. November 2009 um 10:34
übrigens, wer es etwas rockiger will: http://www.youtube.com/watch?v=kNFpOh2seqo
Ich liebe die beiden. Und meine Uke auch. 3 Akkorde kriegt man schnell hin, das reicht für ramones.
one two three four !!!!!
6. November 2009 um 10:37
http://de.wikipedia.org/wiki/Quodlibet ?
6. November 2009 um 10:59
Da hätte ich Sie gerne begleitet, hätte ich es gewußt. Ich fand Ukuleles immer spannend, schon als Kind.
6. November 2009 um 11:13
Ich habe vor einiger Zeit ein paar hübsche New-Order-Versionen ausgegraben. Da beginnt der Tag gleich ganz beschwingt. Dazu passend, möchte ich auf Amy Crehore hinweisen und ihre großartige Tiki-Ukulelen-Kunst: http://amycrehore.blogspot.com/
(Achtung, nicht völlig sicher für die Arbeit)
6. November 2009 um 11:45
Diese Art und Weise, zusammen zu singen und zu spielen und dabei gleichzeitig aus ganz verschiedenen Stücken etwas Neues entstehen zu lasen fand ich hinreissend. Bei einem Konzert im Sommer konnte ich das hören. Mir fiel dazu Quodlibet ein. Ob dieser Begriff genau zutrifft weiss ich nicht. Jedenfalls habe ich das mal als Jugendliche gehört für ein Zusammensingen verschiedener Lieder. Ich fand die Vorstellung davon damals recht schräg.
Übrigens, bei “meinem” Konzert spielten sie nur ein Stück auf dies Weise ( fly me to the moon…+..+..+..).
6. November 2009 um 12:32
Der beste Musiker ist in dem Orchester der Bassist. Weltklasse, wenn ich das als Bassistin mal sagen darf.
6. November 2009 um 13:16
Ukule gehört bei mir zu IZ, dessen begnadete Stimme ich liebte.
http://de.wikipedia.org/wiki/Israel_Kamakawiwo%CA%BBole
6. November 2009 um 14:19
Mein Lieblingsstück: “Shaft” – http://www.youtube.com/watch?v=PfK-UzQ48JE
6. November 2009 um 14:38
Ganz nett, aber von »Listen to Iron Maiden baby, with me« bleibt in dieser Version nicht mehr viel übrig ;-)
6. November 2009 um 14:47
Bei fast 4 Millionen Aufrufen ist die Wahrscheinlichkeit, dass der erfahrene Netzbewohner das schon gesehen hat, groß – aber “While my Ukulele Gently Weeps” ist trotzdem immer schön:
http://www.youtube.com/watch?v=puSkP3uym5k
Und ja, verschiedene Lieder gleichzeitig gesungen sind ein Quodlibet. Die Bach-Familie war berühmt für ihre bei Familienfeiern improvisierten Quodlibets, die vermutlich alles Vorstellbare gesprengt haben. Wir wollte auch immer gerne zur Bach-Familie gehören, also haben wir daheim fleißig Quodlibets gesungen. Macht ziemlichen Spaß.
6. November 2009 um 16:16
Ganz genial ist: Jake Shimabukuro mit »Star Spangled Banner« (und die Tonqualität ist etwas besser): http://www.youtube.com/watch?v=P5d80mqGQLE&feature=related
Ich kann leider nicht singen, aber der Spaß, den die Familie Bach gehabt haben muss, ist IMHO noch heute in der Kaffee-Kantate zu hören: http://www.youtube.com/watch?v=1qP24O_ME18
6. November 2009 um 17:48
Das hier, nun, das finde ich megascharf.
http://www.youtube.com/watch?v=-9X1cQFQPeU
6. November 2009 um 20:59
Ja hallo! Wer hätte gedacht, dass sich hier eine gaze Gemeinde von Ukulele-Liebhabern sammelt?
Ich danke sehr herzlich für das Quodlibet – das ist sicher die korrekte Bezeichnung. In der Oper heißt das Durcheinandersingen aber vermutlich Quartett, Quintett etc. – oder?
Israel Kamakawiwo’Ole ‘IZ’ habe ich auch schon auf Platte gehört: Mag ich sehr. Hier zu hören:
http://www.youtube.com/watch?v=0ltAGuuru7Q
Vielen Dank auch für die weiteren Ukulele-Links. “The great Ukulele virtuoso Marilyn Monroe” ist die godmother, die das UOGB gestern explizit nannte.
6. November 2009 um 21:21
Ich war gestern auch in Bad Aibling — ein großartiger Abend! Habe dort die DVD “Anarchy in the UKulele” gekauft. Darauf sind auch die erwähnten “Übereinander-Sing-Stücke” vertreten. Auf dem Tracklisting werden sie als “Simultaneous segue” bezeichnet.
9. November 2009 um 7:46
Danke! (Und es gibt sogar eine deutsche Fansite: http://uogbfans.de/)
10. November 2009 um 2:49
Konnte leider nicht dabei sein, obwohls mich gerade in Bad Aibling seeehr gereizt hat.
Das mit dem Bewerbungsstück vor achzehneinhalb Jahren war der Legende nach aber Jonty und nicht Peter: Angeblich hat er sich vor achzehneinhalb Jahren mit einem Auszug aus Bachs “Badinerie” – gepfiffen – beworben.
Peter ist der ganz große, der in der Regel zwischen Dave (ganz links) und Hester sitzt. Da sie nur zu sechst waren, gehe ich davon aus, er war nicht dabei.
Jonty ist der Bassist, ganz rechts am größten Instrument, das ist allerdings vor ein paar Monaten dramatisch geschrumpft.
Näheres zu den einzelnen Musikern gibts hier:
http://uogbfans.de/?id=musicians&sub=42&lang=de
Danke, Sebastian, für die Werbung! ;) ( Die Blogsoftware hat allerdings den Link verstümmelt. Richtig ists so: http://uogbfans.de )
Ansonsten: Sehr schöner Bericht!
10. November 2009 um 6:15
Vielen Dank, A.P., werde ich gleich korrigieren; ich hatte mich bei der Zuordnung der Namen mit dem Bildtext der NYT beholfen – und daneben getroffen.
10. November 2009 um 16:06
Ich war auch in Bad Aibling und fand das Konzert ebenfalls ganz großartig.
Hier meine Eindrücke.
15. November 2009 um 3:06
Oooh, DAS Bild! Ich finde das Foto sehr hübsch, aber aber es gibt wohl kaum ein untypischeres von den Ukes. Und dann fehlen hier ja auch Richie und Jonty.
Ansonsten sieht man in aller Regel nur wenigen Varianten in der Sitzreihenfolge. Dave ist immer ganz links außen. Der Legende nach soll er anfangs in der Mitte gesessen haben, war da aber zu hibbelig. Jonty sitzt wegen des großen Instruments immer ganz rechts außen. Richie ist derjenige, der am häufigsten den Platz wechselt. Man sieht ihn vertretungsweise auf Peters, Wills oder Kittys Platz. z.B. hier: http://www.youtube.com/lizardonuke#p/a/u/2/79D8SRrqX5U
Bei Exotischeren Line-Ups gibts natürlich auch exotischere Sitzordnung, zB. hier: http://www.youtube.com/watch?v=I-KxnTlWbvc Die Dame neben Hester ist Lisa Rea, die offizielle Vertretungsfrau des UOGB.
15. November 2009 um 16:08
I love that guy !
http://www.youtube.com/watch?v=k5kSNHP-A88&feature=related
30. Dezember 2009 um 22:06
Das könnte den einen oder anderen interessieren, der noch vor 23:00 Uhr hier vorbeischaut…
Das komplette Konzert aus der Albert Hall im Radio!
http://uogbfans.de/?id=news&sub=01&lang=de