Journal Sonntag, 30. August 2020 – Offene Tabs aufräumen
Montag, 31. August 2020 um 6:30Zerstückelte Nacht, wenigstens keine längeren Schlafpausen.
Nach dem Bloggen fand ich endlich die Ruhe, mir die zehn Tage alte Folge maiLab zu “Corona im Herbst | Ändern Schnelltests alles?” anzusehen. Zentral war für mich der Abschnitt über Statistik, der unter anderem erklärte, warum ein Antikörper-Test ein recht unbedeutender Baustein in der Pandemie-Bekämpfung ist. Ich konnte die Erklärung nachvollziehen, doch sie ist (für mich) leider zu komplex, als dass ich sie als Argument in einer Diskussion wiedergeben könnte. So oder so: Wieder war ich bestens unterhalten von den vielen schönen Elementen der klug aufgebauten Präsentation (u.a. ganz leise im Hintergrund Begleitmusik aus der Oper Carmen, deren Abschluss-Tusch auf eine Pointe abgestimmt ist – <3). Empfehlung.
https://youtu.be/czzrPQIg54Q
Zeit für eine Stunde Crosstrainer. Zunächst hörte ich einen kurzen Podcast aus der BR-Mediathek mit Kleinaktionärsvertreterin Daniela Bergdolt (vielen Dank an Kommentator Wolfgang für den Hinweis!).
Die Einblicke, die Bergdolts Anworten in diesem Format nur anreißen konnten, hätte ich gerne in einem Anderthalb-Stunden-Format vertieft (u.a. Aktienmarkt-begeisterter Vater, der sie mit zehn Jahren aufforderte, sich ihren erste Aktienkauf zu überlegen, Mitinitiatorin des Fachanwaltsabschlusses für Bank- und Kapitalmarktrecht).
Ihre naive Aussage, sie sehe “keine Farben” und “kein Geschlecht” fiel mir natürlich auf; ich erkläre sie mir damit, dass sie sich mit dem Thema nicht tiefer auseinandergesetzt hat. Eine andere Art der Naivität gefiel mir nämlich sehr gut: Dass Bergdolt ihren Erfolg auf rein faktenbasierte, sachliche Argumentation und 300-prozentige fachliche Vorbereitung ihrer Auftritte auf den Hauptversammlung von Unternehmen zurückführt. Genau deshalb hat sie mich zu MAN-Zeiten schon auf den ersten Blick so beeindruckt. Gerade weil ich sonst im Arbeitsleben so darunter litt und leide, dass Inhalt und Fachliches selten den Ausschlag geben.
Herbsteinbruch beim Frühstück: Ich hatte Lust auf etwas Warmes und kochte mir Porridge. Das gab es mit griechischem Schafsjoghurt und Zwetschgenkompott.
Weiter im Aufräumen offer Tabs: Ich sah mir die ZDF-Irland-Doku von 2019 “Blutige Grenze” an (via Crocodylus). Eine nützliche Übersicht, gerne angesehen.
Mich störte allerdings, dass die historischen Aufnahmen nicht erklärt wurden, zum Beispiel schien mir, dass zu den troubles in Nordirland, dem Bürgerkrieg, Bilder aus den 1970ern und 1980ern wahllose durcheinander geschnitten wurden, Hauptsache sie zeigten gewalttätige Auseinandersetzungen. Kommt da zu stark die Nebenfachhistorikerin in mir durch, dass ich lieber einen bedeutungstragenden Einsatz des Materials gesehen hätte, am liebsten mit eingeblendetem Schriftzug Datum, Ort? Schon vorher war in einer Sequenz von Belfast die Rede – doch unter den illustrierenden Bildern zeigte man auch welche von der Halfpenny Bridge in Dublin. Bei solch einem brenzligen Thema sollte keine Bildredakteurin mit der Kategorie “Hauptsache Atmo” hantieren.
Treffen mit Freundin zu KaffeeundKuchen im Café Luitpold. Es regnete gerade nicht, ich spazierte langsam dort hin. Im Café war Kuchen uns zu kompliziert, nachdem die Bedienung ohnehin eher sporadisch war; ich entschied mich für eine Eisschokolade.
Den Rückweg schaffte ich wieder zu Fuß, wieder in einer Regenpause. Daheim ein Stündchen Bügeln, befreites Gefühl. Zum Nachtmahl hatte Herr Kaltmamsell nochmal aus Ernteanteil Gazpacho gemacht, es schmeckte hervorragend. Dann restliches Ossobuco. Nachtisch Schokolade.
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Die Berichterstattung um die Demo am Samstag in Berlin, vorgeblich gegen Corona-Maßnahmen, aber geprägt von rechtsradikalen Symbolen und Aussagen, verfolge ich mit Interesse. @nicolediekmann war als Berichterstatterin fürs ZDF vor Ort und twittert in einem Thread ihre persönlichen Eindrücke.
Alle, mit denen ich gesprochen habe, eint: ein Selbstbewusstsein, eine Hybris, in der sie sich gegenseitig bestärken, es besser zu wissen als die da oben. Wissenschaftler*innen, Politiker*innen, Journalist*innen.
Und ein stolzer Trotz, sich einem eigens mental geschaffenen Konstrukt von vorgeschriebenem Denken zu widersetzen.
Das ist meiner Meinung nach zentral und so gefährlich: Dass explizit gegen etwas protestiert wurde, was gar nicht existiert, sondern unterstellt wird, z.B. Besuchsverbot bei Oma, Covid-19-Zwangsimpfungen, die Weltverschwörung von Bill Gates, Internierung Infizierter. Auf dieser Basis ist keinerlei Diskussion möglich.
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Echidna, australischer Ameisenigel.
die Kaltmamsell1 Kommentar zu „Journal Sonntag, 30. August 2020 – Offene Tabs aufräumen“
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31. August 2020 um 11:17
„Gerade weil ich sonst im Arbeitsleben so darunter litt und leide, dass Inhalt und Fachliches selten den Ausschlag geben.“ I feel you!
Als jüngere Arbeitnehmerin habe ich sehr viel mehr darunter gelitten. Macht sich eine Art Frustration bei mir breit? Gerade an meinen jungen Kolleginnen kann ich beobachten, dass sich nicht viel verändert hat … sie kämpfen genauso wie ich in den End20 ern.
Viele Grüße
Barbara