Menschelnde U-Bahn
Mittwoch, 25. November 2009 um 13:46U-Bahn-Fahrten in München menscheln. Nicht nur sehen die Fahrgäste einander deutlicher an als in anderen Städten (erst kürzlich berichtete eine Besucherin aus Norddeutschland, sie fühle sich hier ständig begutachtet). Man lernt auf diesen Fahrten auch die Fahrer und Fahrerinnen kennen, vor allem im Berufsverkehr: Statt eines Tonbands sind sie selbst für die Ansagen zuständig und sprechen sie ins Mikrophon. Mal hört man sehr, sehr müde Menschen: „Nähst … Mrienpltz.“ „U s Gaachng Fosch…..“ „Zrckblm.“ Dann wieder ganz sorgfältige, die jede Station, die Linie und ihr Ziel sowie die Aufforderung zurückzubleiben jedesmal deutlich und aufmerksam aussprechen. Andere scheinen eine echte Freud’ an ihrer Macht am Mikrophon zu haben und trompeten jeden Halt mit Schwung und Begeisterung. Das sind dann die, die morgens durch ihr überraschendes „Einen schönen guten Morgen!“ eine ganze U-Bahn zum Lächeln bringen können.
Eine eigene Gattung sind die Pädagogen unter den U-Bahn-Fahrern. „An allen Türen zusteigen!“ ist oft nur der Anfang, im schlimmsten Fall nämlich Ausdruck eines länger unterdrückten Unmuts, der dann auch den ursprünglichen Dialekt freilegt. „Sie kumma ah net schneller weida, wenn’s die Tür’n net freimacha!“ wird dann gerne weitergeschimpft, „Jetza tuan’S doch net aso, ois wia wenn des die allaletzte U-Bahn war!“ Unter diesen Pädagogen bayerischen Zungenschlages gibt es aber auch ausgeglichene Gemüter, die beruhigend auf die kopflos drängenden Massen einwirken. Ein gelassenes „Dieser Zug hat 18 Türen und net bloß die beiden da hervorn,“ kann entspannen, auch „Schaugn’S, um die Zeit fahrt doch alle 3 Minuten a Zug.“ Die Elite unter diesen bayerischen U-Bahn-Erziehern wird bevorzugt zur Bändigung von Fußballfanfluten eingesetzt und um zur Oktoberfestzeit für angenehme Stimmung zu sorgen: „Ruck ma no a bissl, na kemma mehra nei.“
Heute Morgen erkannte ich eine Stimme wieder, obwohl der entsprechende Herr nichts Ungewöhnliches sagte. Mir war nur sein starker Akzent in Erinnerung geblieben und seine eigenwillige, niedliche Aussprache von: „Bittessu. Rückbleiben.“
Ich verstehe, wie man in München auf die Geschichte von Zuckerbaby kommt.
die Kaltmamsell13 Kommentare zu „Menschelnde U-Bahn“
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25. November 2009 um 14:22
JAAAAAA!!!!! Der “Bittessu. Rückbleiben.”!!!! Wunderbar!!! Herrlich!!!
Frau Kaltmamsell, you made my day! :D:D:D:D:D
I gfrei mi! :)
25. November 2009 um 14:37
Wunderschön eingefangen, großes Kompliment!
25. November 2009 um 16:22
So schön beobachtet, vielen Dank, eine heitere Lektüre!
25. November 2009 um 17:01
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Made my day
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oder: Hot ma fei g’foin.
25. November 2009 um 17:06
Sie kennen dann bestimmt auch dem Weiß Ferdl seinen Wagen von der Linie acht?
»›Ach bitte schön, Herr Schaffner, Max-Weber-Platz?‹
›Jetz is de no oiwei da, mein Gott!
I hab’s eahna do zwanzg moi gsagt:
am Stachus, bei der letzten Station, do hättn´s naus miassn!‹
›Was? O Gott, o Gott! Mich trifft der Schlag!‹
›Gut, na bleibn´s sitzn bis zum Nordfriedhof.‹«
Das ist die einzige Single aus dem Besitz meiner Eltern, an die ich mich heute noch erinnere. Und den Text kann ich bestimmt noch immer mitsingen. — Schöne Erinnerungen, danke für den Beitrag Frau Kaltmamsell.
25. November 2009 um 18:25
Über Herrn Bittessu.Rückbleiben habe ich mich auch schon oft gefreut. Ebenso die, die sie als Elite-Pädagogen bezeichnen und die zu Wiesn-Zeiten gern eingesetzt werden. Allerdings frage ich mich, ob die japanischen (und die anderen) Saupreißn auch nur eine Silbe dessen verstehen…
25. November 2009 um 22:44
Wie nett! Ich freu mich auch schon immer auf die sächsische Stimme, die am Ostbahnhf bei der Abfahrt des Rosenheimer Regionalexpress sagt: Wir wünschen Ihnen eine guude Reise!
26. November 2009 um 8:32
Mein Schatz hat seinerzeit eine Lehre bei den Stadtwerken Mainz gemacht. Damals fuhr dort ein Busfahrer (sie mußten selber die Stationen ansagen), der sich aus den Verballhornungen eben dieser einen Spaß machte. So wurde aus dem Bismarckplatz die Pissmatratz…. Irgendwann häuften sich wohl die Beschwerden und der gute Mann wurde in den Innendienst versetzt.
26. November 2009 um 11:23
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Made my day
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26. November 2009 um 15:17
Mein Vater hat uns als Kinder gerne Ausschnitte vorgetragen, es wurden geflügelte Worte bei uns zu Hause.
http://www.youtube.com/watch?v=WRoQM4plkKI
26. November 2009 um 15:41
Im Sommer kurz vor Tutzing: “In Tutzing steht abfahrbereit für Sie der Regionalexpress nach XY. Zu diesem Zug bitte sportlich umsteigen!” :-)
26. November 2009 um 17:13
Ohja. Bahnfahren ist in vielerlei Hinsicht spannend. Wir haben hier- im fast ganz hohen Norden- einen sehr freakigen Bahnfahrer mit Irokesenhaarschnitt (immer bunt gefärbt) und Piercings ohne Ende, der häufiger mal Ansagen a la “Willkommen an Bord der Linie 2” verkündet (aber zwischen den auf Tonband gesprochenen Haltestellenansagen). Oder ein anderer, der mal seine zugestiegene Frau und seine Tochter mit Namen quer durch die Bahn begrüßte (sie saß ganz hinten und zwar mir gegenüber). Witzig, sowas.
27. November 2009 um 0:37
Ja den Herrn Bittessuh kenn ich auch. Ich glaube ich könnte mich bei Wetten dass… melden und sagen, ich kann alle U-Bahn-Fahrer an der Stimme unterscheiden, also vielleicht auch nach einem Wortschnipsel den Satz vollenden oder so :D
Ich frage mich ja immer noch, aus welchem Land Herr Bittessuh kommt. Ist ja schon was Besonderes…
Zur Wiesn denke ich, da ist das halt irgendwie auch scho Tradition und ehrlich gsagt gfrei i mi jeds jahr wia a schnitzl drauf!! ohne boarisch wärs net so schee… und für die touris is des bestimmt a a schau! egal obses versteggn oder hoid net.
servus beinand
die martl