Tanzbein, geschwungen
Montag, 10. Januar 2005 um 10:20Warum nicht ein gemeinsamer Tanzkurs? Meine abgebrochene Turniertanz-Laufbahn liegt 20 Jahre zurück, der Mitbewohner hat vor acht Jahren zwei Kurse gemacht – unser Können dürfte sich nivelliert haben. Wir tanzen beide gerne und bei den seltenen Gelegenheiten (ausgerechnet Hochzeiten) gerne miteinander.
Auf der Suche nach einer Tanzschule in der Nähe stellte ich fest, dass wir praktisch mitten in der Münchner Tanzschul-Hochburg leben. Die verstorbene Tante des Mitbewohners (die erste Augsburger Schönheitskönigin nach dem Krieg, später durch ein erfolgreiches Bekleidungsunternehmen in Berlin zu Neureichtum gekommen – andere Geschichte) war eng befreundet mit dem Inhaber der Tanzschule im Deutschen Theater (und reiste immer zum Oktoberfest-Umzug an, den man von den Fenstern dieser Tanzschule aus hervorragend verfolgen kann). Deshalb und weil es gar so schön altmodisch wirkt, wählten wir dieses Etablissement.
Natürlich hatten wir beide vorher unsere Ängste: Der Mitbewohner, er könnte sich nicht mehr an die Grundschritte erinnern; ich, dass ich die dickste Frau im Kurs sein würde. Recht hatte nur ich. Und dann begannen wir 28 Teilnehmer des Kurses „Aufsteiger 1 (Paare)“ auch noch mit Jive (für Laien: ein Tanz, der dem Speck durch Tempo und Bewegungsreichtum viel Gelegenheit zum Schwabbeln gibt). Die zahlreichen bösen Spiegel des Saales machten mir klar, dass ich in engem Shirt und Tüftelimüfteli-Röckerl wie ein Nilpferd aussah. Zumindest wie ein außerordentlich leichtfüßiges und beschwingtes Nilpferd. Allerdings ein bald heftig schwitzendes, leichtfüßiges und beschwingtes Nilpferd.
Die anderen Paare deckten alle Altersstufen von 20 bis 75 ab sowie das gesamte Spektrum an Rhythmusgefühl und Psychomotorik. Großen Respekt forderte mir die Dame mittleren Alters ab, die die 90 Minuten des Kurses in gut eingelaufenen Ugg-Boots bestritt. Ganz offensichtlich liebte sie die Felltreter sehr, denn sie wandte ihren Blick praktisch nie von ihnen ab. Gleich an nächster Stelle der Respektsleiter kam das kräftige Paar Anfang 20, das zum Tanzen moderne Wanderschuhe trug.
Der Tanzlehrer sah aus wie ein BWL-Student aus den 80ern. Da ich in meiner Jugend nur hochkorrekte Tanzlehrer mit weltläufigem Charme kennengelernt hatte, irritierten mich seine flapsige Haltung und die launigen Sprüche ein wenig. „Dann lassen wir die Dame durchdrehen“ brachte er drei Mal; vermutlich hatten wir zu leise gelacht.
Wir tanzten nach dem Jive noch Cha-cha, Rumba, Foxtrott und hatten beide mordsmäßig Spaß. Mein Herr erwies sich als charmanter Plauderer mit unerschütterlichem Rhythmusgefühl, zudem haben wir nunmal keine Scheu, uns nahe zu kommen (gerade bei Standardtänzen ist das aufgrund der Hebel- und Fliehkräfte ein enormer Vorteil).
Allerdings machen wir uns keine Illusionen: Um einen Ehestreit werden wir im Rahmen des Tanzkurses nicht herumkommen. Der ist so unvermeidlich, dass die Tanzschule ihn in die FAQ-Liste aufgenommen hat.
Dafür habe ich mir bereits eigens Übungssätze bereit gelegt, um die ich mich sonst drücke:
„Immer machst du…“
„Nie willst du…“
„Kannst du vielleicht EINMAL…“
„Immer muss ich…“
„Hör doch endlich auf, ständig…“
Jetzt noch die beleidigte und die eingeschnappte Miene trainieren, dann bin ich gewappnet.
12 Kommentare zu „Tanzbein, geschwungen“
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10. Januar 2005 um 10:51
Hach, da werde ich ganz wehmütig. Irgendwo fliegt noch meine komische ADTV-Silbernadel herum. Nicht, dass ich noch irgendeinen relevanten Tanzschritt beherrschte, aber im Gegensatz zu absonderlichen Schrittabfolgen in Aerobic-Kursen, die ich immer sofort wieder verliess, kam ich mit geregelten Tanzschritten hervorragend zurecht und hatte ein paar irre schicke Tanzschuhe aus schwarzem Lack mit hübscher Strass-Stein-Applikation. Damit war ich dann zwawr erheblich grösser als die Hälfte der mittanzenden Jungs – was mir aber ziemlich egal war.
10. Januar 2005 um 17:35
Die waren aber wirklich brauchbar, diese Tanzschuhe mit der aufzurauhenden Wildledersohle. Geben Sie mir noch einen Monat, dann kaufe ich mir wieder welche. (Dass der Herr größer sein soll als die Dame, halte ich für eine Fehleinschätzung.)
10. Januar 2005 um 18:06
Meiner Meinung nach auch – am besten liess es sich damals in der Tanzschule Schäfer in Konstanz immer mit den Mädels drehen, die ungefähr einen halben Kopf größer waren.
10. Januar 2005 um 23:40
Da konnte man wohl besser unter dem Arm durch?
11. Januar 2005 um 5:40
Auf meiner morgendlichen Wanderung durch das Net fand ich deinen letzten Bloggeintrag und danke dir für das Schmunzeln und die Tiefe die hinter der Ironie liegt.
Alles Liebe aus Süd Ost Asien
Ilona, Laos, Vientiane
11. Januar 2005 um 8:59
Vielen Dank, Ilona.
11. Januar 2005 um 11:14
Der Herr Fiocher hatte tatsächlich was von einem Grand Segnieur, keine Frage – nur Frau Fischer, hm…
11. Januar 2005 um 15:29
Ich wiederhole mich, aber es gibt keinen Trend, der mir so unverständlich ist wie diese “UGG-Boots”. Insofern danke wieder einmal für einen solchen Einblick in die alltägliche Anwendung dieser Kuriosität. Geschichten wie die ihre wundern mich ja nicht mehr, sind aber umso interessanter. Und es führt mich in Versuchung, mit diesen neuen Erkenntnissen bewehrt, vielleicht doch wieder auf einen Ball gehen, um die Tanzoutfits genauer unter die Lupe zu nehmen.
11. Januar 2005 um 15:35
Don Alphonso, welche von den Frau Fischers? In unserer Teeny-Zeit war es, glaube ich, Nummer 2. Und die war immer sehr freundlich und geduldig – auch wenn sie vermutlich mit bloßer, strammer Haut auf den Knochen nichts anderes konnte als Lächeln.
13. Januar 2005 um 16:46
es gibt da so tips von “vortänzern”.. könnte man ja mal probieren.. ;)
13. Januar 2005 um 17:41
Klasse, van, Experten für Ehestreit!
Der Mitbewohner muss sich also daran halten:
“ich finde es gewissermaßen entwürdigend, etwas nicht zu wissen, sondern erst lernen zu müssen”,
während ich es hiermit versuchen werde:
“leicht aufbrausend und nicht mit übergroßem Verständnis für Schwächen anderer gesegnet”,
damit es richtig krachen kann. Das müsste doch hinzukriegen sein.
13. Januar 2005 um 18:30
ähm.. eigentlich ging die empfehlung ja eher in richtung lösungsvorschlag.. flötenderweise.. nix kann ich richtig.. hmpf!