Journal Donnerstag, 30. September 2021 – Elektrogeräte als Familienmitglieder

Freitag, 1. Oktober 2021 um 6:33

Ich gönnte mir zehn Minuten längeren Schlaf, weil nichts an Haushaltsdingen anstand und ich bereits vorgebloggt hatte. Schon stand fast gleichzeitig mit Weckerklingeln ein besorgter Herr Kaltmamsell in meiner Schlafzimmertür (er musste gestern besonders früh aus dem Haus) und fürchtete, ich könnte verschlafen haben.

In die Arbeit zog ich mit Sportzeug im Rucksack los, ich wollte nach Feierabend wieder den Crosstrainer im Verein nutzen. Das Draußen war überraschend frisch, ich brauchte meinen Schal.

Bei St. Rupert nahe dem Heimeranplatz hörte ich ein durchdringendes “KJAKJAKJA!” am Himmel über mir. Ich blieb stehen, bis ich die Quelle sah: Jung-Turmfalken beim Fliegenüben, ein Elter ruhig vorneweg. Möglicherweise sind die Vogellaute vorm Büro, die ich für Grünspecht hielt, dann doch auch Turmfalken (die ich im Gegensatz zu Spechten auch hin und wieder aus dem Bürofenster sehe). Ähneln einander schon sehr, hören Sie selbst: Turmfalke / Grünspecht.

Lebensziel: Einmal so begeistert in den Werktag starten wie der grauhaarige Rollifahrer, der gerade auf den Lift des Shuttle-Kleinbusses geschoben wurde und dabei durchgehend jubelte: “AUTO! AUTO! AUTO! AUTO!”

Turbulenzlose Arbeit, mittags gab es ein Laugenzöpferl, ein paar Trauben, Vanillepudding mit Quark.

Am Nachmittag wieder ein Lauf-Job, der viele Schritte und Stufen auf meinen Bewegungstracker brachte.

Später bemerkte ich beim Blick auf den golden sonnigen Tag einen schlagartigen Lustverlust bei Aussicht auf Drinnensport im Verein. Nach Feierabend ging ich direkt nach Hause.

Ich genieße es, zum ersten Mal die Linden um die Theresienwiese erherbsteln zu sehen. Normalerweise wäre jetzt ja Oktoberfest – und auch danach bleibt sonst die Theresienwiese bis Mitte November für den Abbau gesperrt. Im vergangenen Jahr ohne Oktoberfest war ich um die Zeit auf dem Weg zur Hüft-OP.

Zu Hause eine anstrengende Yoga-Einheit mit für mich neuen Verdrehungen, dann verwandelte ich den Ernteanteil-Salat zu unserem Nachtmahl mit Tahini-Dressing und Eiern.

Schmeckte besonders gut. Danach Schokolade.

Seit Mittwoch ist die Corona-Warn-App wieder grün: Mit einer Sondermeldung informierte sie mich, dass 14 Tage nach der letzten Risiko-Begegnung mein Infektionsrisiko wieder auf Stufe niedrig gesetzt worden sei.

Wenn ich mit Herrn Kaltmamsell Drinnenessen gehe und sich mal wieder der Wirt sehr dafür entschuldigt, dass er unseren Impfnachweis sehen möchte – brechen wir unisono in Lob und Preis aus, wie sehr wir uns doch darüber freuen! Und wie toll wir das finden! Dass das doch genau richtig ist, und wir den gern vorzeigen! Ob wir wohl wie Hundeherrchen und -frauchen rüberkommen? FAAAAINIFAINI! GOOD BOY!

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In der NDR-Doku-Reihe “45 Minuten” wird untersucht:
“Reparieren statt Wegwerfen?”

Superspannend, zudem fand ich die Doku sehr schön aufgebaut und erzählt: Roter Faden der Story ist eine Gasse in Ingelheim und ihre Bewohner*innen. (Und: Eine “Babyklappe” für kaputte Elektrogeräte!)

Ein für mich neuer konstruktiver Gedanke: Wenn große Haushaltsgeräte vermietet statt verkauft würden, hätten die Hersteller zum einen den Anreiz, für Haltbarkeit zu entwickeln und zu bauen. Und zum anderen würden so nachhaltiger Arbeitsplätze gesichert, denn Wartung und Reparatur braucht menschliche Arbeit, Billigfertigung kann auch von Robotern erledigt werden.

Ich dachte sofort an unseren mittlerweile fast 30 Jahre alten Wäschetrockner von Siemens, den wir schon mehrfach reparieren haben lassen. Das vorletzte Mal von einem Herrn, der sich begeistert hatte: “Den KANN man wenigstens noch reparieren!” Mein Ehrgeiz ist hiermit: Den Wäschetrockner vererben wir mal.

Welche sind sonst unsere ältesten Elektrogeräte? Mein elektrisches Handrührgerät (KRUPSCH!) ist 35 Jahre alt (erste Anschaffung nach Auszug von Daheim), die Kaffeemühle (KRUPSCH!) ist noch älter und übernommen von meinen Schwiegereltern – wie es eben in der Doku hieß: Das sind Familienmitglieder mit Geschichte.

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Obwohl die Klimaaktivist*innen in meinem Sichtfeld sich nie auf Greta Thunberg beziehen (sondern auf die Klimakrise) und die Obsession ihrer Gegner*innen mit ihrer Person mich abstößt, bin ich durchaus fasziniert von dieser ungewöhnlichen jungen Frau. Der Guardian hat ein schönes Portrait über sie geschrieben, auf der Basis eines ausführlichen Interviews:
“The transformation of Greta Thunberg”.

“I mean in one way we’re all climate deniers because we’re not acting as if it is a crisis.”

die Kaltmamsell

14 Kommentare zu „Journal Donnerstag, 30. September 2021 – Elektrogeräte als Familienmitglieder“

  1. Mareike meint:

    Mein Krups-Rührgerät ist ähnlich alt und damit etwa so alt wie ich. Meine Mutter hat es mir zum Auszug vermacht und musste ihr dafür neu angeschafftes seitdem schon ersetzen. Einzige Sorge damit: Zwei Knethaken sind schon am Hefeteig gescheitert und einfach durchgebrochen. Wenn jetzt auch der dritte irgendwann bricht, dann werde ich mir wohl aus Mangel an Ersatz-Knethaken für eben dieses Uralt-Modell (vermute ich zumindest mal?) ein neues kaufen müssen. Ich knete daher nur noch besonders vorsichtig..

  2. InaPö meint:

    Schau mal bei eBay, da gibts ganz viele Knethaken für die alten Maschinen.

  3. Christine meint:

    Ich kaufe (wenn überhaupt) Küchengeräte sehr gerne aus Haushaltsauflösungen, denn die Geräte aus den Sechzigern oder Siebzigern sind unkaputtbar.

    “Wenn große Haushaltsgeräte vermietet statt verkauft würden, hätten die Hersteller zum einen den Anreiz, für Haltbarkeit zu entwickeln und zu bauen.”

    Das wiederum glaube ich nicht. Wir machen uns keine Vorstellung, wie billig die reine Produktion von Haushaltsgeräten ist und dass die hauptsächlichen Kosten in der Entwicklung, im Marketing und Verkauf liegen. Würden Geräte vermietet statt verkauft, würden die einfach ausgetauscht, denn die Kosten einer Reparatur stehen leider immer noch in keinem Verhältnis zur Herstellung. Ist doch heute fast überall so: Autowerkstatt? Da werden ganze Baugruppen getauscht, bis der Fehler gefunden wurde. Den sucht keiner mehr bzw. wenn er gefunden wird, wird er nicht repariert. Ersatzteilgruppen austauschen, um Arbeitszeit zu sparen, das ist heute leider das profitablere Modell. Ich bedaure dies auch sehr und kaufe bewusst gebraucht oder eben Produkte, die man noch selbst öffnen/reparieren kann. Lässt sich leider nicht bei allem verwirklichen; als ich einen neuen Duschschlauch kaufen wollte, wurde mir beschieden, der sei nur komplett mit Duschkopf zu erwerben, nicht getrennt …

  4. die Kaltmamsell meint:

    Für mein Rührgerät, Mareike, bekam ich vor ein paar Jahren noch Knethaken als Ersatzteile vom Hersteller: Auch die waren gebrochen. Schaun Sie also ruhig mal im Internet. Auffallenderweise waren die Ersatz-Haken deutlich dicker als die Originalausstattung, ich rechne also damit, dass die eher den (bereits hin und wieder knisternden) Motor überleben.

  5. Susann meint:

    Ich war gestern mit einer Mitmutter mit familiären Wurzeln in der DDR-Bürgerrechtsbewegung unterwegs, die jedesmal bei jeder 3G-Kontrolle freundlich, aber doch, darauf hinwies, dass sie nicht damit einverstanden sei, ständig auf ihren Impfpass hin kontrolliert zu werden. In dieser Familie gibt es reichlich Erfahrungen mit einem übergriffigen Staat, der sich in privateste Belange einmischte – selbstverständlich nur, weil er das Beste für die Bürger/innen wollte -, und diese Frau fühlt sich sehr unangenehm an diese Erfahrungen erinnert, wenn sie einen Impfpass braucht, um ihr Kind in der Musikschule abzuholen.

  6. Friederike meint:

    Hach, die gelbe Krups-Kaffeemühle! Ich kenne sie aus meinem Elternhaus in den 70ern/80ern – oft war es das Geräusch, das mich morgens (nach dem Wecker) so WIRKLICH wach gemacht hat! Was daraus geworden ist, weiß ich nicht.
    Unsere AEG-Spülmaschine wird diesen Monat 20 – noch zeigt sie keine Altersschwäche.

  7. Joël meint:

    Beim Anblick der orangefarbenen Kaffeemühle kam Erinnerungen an das elterliche Haus hoch. Wir hatten EXAKT die gleiche Mühle in der gleichen Farbe! Ich weiß nicht wo sie abgeblieben ist. Meine Mutter hat sie wahrscheinlich irgendwann entsorgt, als der Kaffeevollautomat einzog.

  8. Hauptschulblues meint:

    H. besitzt auch noch Kaffeemühle und Allesschneider von Krups aus den frühen 70ern. In Knallgelb bzw. -orange. Wunderbare Geräte. Und es stimmt, Ersatzteile findet man immer noch im Netz.
    Ach ja, eine alte “Dorette” aus den 50ern dient als Gewürzmühle.

  9. Croco meint:

    Bei uns wohnt eine Waschmaschine von Miele aus dem Jahre 1985. Als vor ein paar Jahren der Thermostat kaputt ging und sie nur noch kochen konnte, dachte ich, dass es nun aus sei zwischen uns beiden. Der Elektriker hat es aber wieder hinbekommen. Die Firma Miele hat wohl immer noch ein Lager für Ersatzteile der alten Modelle.
    Geschult im Zündkerzenwechsel beim VW Käfer 1302, staune ich immer noch, wie reserviert mein heutiger Automotor sich zeigt. Der will nicht, dass ich was finde. Schon die Starterhilfekabel lassen sich kaum anbringen.

    Ich glaube, dass Menschen mitten im Hurrikan sitzen können und denken: “Schön ruhig hier!“ Krisen negieren, das können wir.

  10. Iso meint:

    Ich weiß nicht so recht, welche Schlüsse man jetzt aus dieser Geschichte ziehen soll.

    Ich finde es gut, dass die Mitmutter sich hat impfen lassen und dass sie ihren Impfausweis zeigt.

    Ich alte es für ihr gutes Recht, ihren Unmut über die 2G/3G-Kontrolle kund zu tun. Auch wenn diejenigen, die den Impfausweis anschauen müssen, nichts dran ändern können.

    Traurig finde ich, dass die Frau sich so unwohl fühlt. Obwohl ich das nicht so richtig nachvollziehen kann. Ich hab den Impfausweis auf dem Handy. Das Vorzeigen ist für mich nicht anders als das Vorzeigen von Fahrkarten, Konzerttickets oder dem Pass (am Flughafen).

    Und ich finde es auch wichtig, dass 3G oder 2G kontrolliert wird, damit sich möglichst wenige Menschen mit Corona anstecken. Kinder und einige andere dürfen sich ja (noch) nicht impfen lassen. Andere wollen sich nicht impfen lassen und riskieren nicht nur ihre eigene Gesundheit sondern die Überlastung des Gesundheitssystems und damit auch die Gesundheit Unbeteiligter.

    Und das sehen nach vielen Umfragen und auch nach den letzten Wahlen und dem Abklingen von Protesten offenbar die meisten Menschen so.

  11. Elisabeth meint:

    Das Zurücksetzen auf “niedriges Risiko” ist wirklich eine Erleichterung. Als die CoronaApp mir am letzten Freitagabend eine Warnmeldung mit erhöhtem Risiko schickte, war ich kurz wirklich versucht, sie zu ignorieren: die Begegnung mit einem nachweislich infizierten Kollegen war 9 Tage her, wir trugen stets Masken und ich hatte null Symptome, zwei Schnelltests waren negativ (als Lehrerin teste ich mich vorsichtshalber trotz vollständiger Impfung regelmäßig). Andererseits hätte das ja Sinn und Zweck der App konterkariert, also durfte ich nach Anweisung des ärztlichen Bereitschaftsdiensts am Sonntag zum PCR-Test und musste bis zum Testergebnis zwei Schultage daheim verbringen. Dass sich solche Fälle gerade in Schulen mehren werden, ist leider ein realistisches Szenario.

  12. Katrin meint:

    Oh, sentimental werd! Diese Kaffemühle von Krups hatte meine Oma auch und ich fand die großartig, weil ich sie immer mit dem herrlichen Kaffeegeruch verbinde (sagt die, die keinen Kaffee mag, aber gerne riecht). Leider sind meine Eltern keine Kaffeetrinker, so dass die Mühle nicht in den heimatlichen Haushalt wanderte als meine Oma starb.

  13. Nina meint:

    Hier ganz genau dieselbe Geschichte. Mein von Muttern beim Auszug vererbtes Gerät in diesem speziellen Orange, das es schon gar nicht mehr gibt, ist annähernd 40 Jahre alt und läuft wie eine eins. Meine Mutter musste seitdem schon das 2. kaufen.

  14. Dieter meint:

    “Flauschi” ist mein Wäschetrockner, ein “Siemens Flauschtrockner 310 automatic” von 1984…

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