Himmelblau mit weißen Wolken

Donnerstag, 17. März 2005 um 10:45

Weil’s Herr Dahlmann gerade mit Friseur-Traumen hat.
In meinem Fall waren weder fehlende Schnittkunst, noch gestörtes Stilempfinden schuld – im Gegenteil: Die Friseurin, die ich mit Anfang 20 frequentierte, war ganz ausgezeichnet. Sie schnitt mir alle drei bis vier Monate wunschgemäß den damals modernen ratzekurzen Igelkopf (riesige Ohrgehänge bitte automatisch dazudenken), der sich dank meiner Haarfülle wie ein Bärenfell anfasste.

In diesem Alter hatte ich meine vielfarbige Phase: Ich probierte alle Haarfarben durch, außer Grün. Wirklich schrecklich sah ich in Blond aus: Mein Teint changierte ins Grünliche, ich wirkte wie frisch gespiehen. Am besten stand mir ein dunkles Pflaumenlila. Mein Friseur-Trauma hängt damit zusammen, dass ich wirklich alle Grundfarben außer Grün mal auf dem Kopf hatte.

Es war Sommer und ich vertrat bei der örtlichen Zeitung eine urlaubende Redakteurin. Der tägliche Arbeitsablauf ermöglichte sehr lange Mittagspausen, also nutzte ich eine davon für einen Besuch des mittelschicken Friseursalons (bereits nicht mehr „Evis Salon“, aber noch lange nicht „Haarscharf“, eher so „Top Hair“) auf der anderen Seite der Innenstadt. Zum einen brauchte mein Haar Kürzung, zum anderen wollte ich es mal wieder in Pflaumenlila. Da ich von Natur aus sehr dunkles Haar habe, musste es für eine Farbänderung erst mal entfärbt werden. Dann kam der chemische Schaum für Dunkellila drauf.

Ich hatte die Dauer der Behandlung unterschätzt und wurde schon unruhig, weil ich zurück in die Redaktion musste. Endlich war die Einwirkzeit vorbei, die Friseurin wusch mir den Schaum aus – und holte scharf Luft. Schneller Blick in den Spiegel: Meine Haare waren hellblau. Na ja, nicht ganz hellblau: Dazwischen waren Ei-große ungefärbte Flecken in Hellblond. Der Gesamteindruck: himmelblau mit weißen Wolken. Die Friseurin war aufgelöst, konnte sich das nicht erklären, rief Kolleginnen und Chefin zu Hilfe. Die wussten auch keine Erklärung, außer dass wohl irgendwas mit dem Färbemittel nicht gestimmt hatte. Ich selbst war erst mal zu gar keiner Reaktion fähig.

Half alles nichts, ich musste dringend zurück in die Arbeit. Zu Fuß. Quer durch die Innenstadt samt Fußgängerzone. Und diesmal war es keine Metapher, sondern Realität – kleine Kinder blieben stehen, um mich anzustarren, zeigten mit dem Finger auf mich und krähten: „Mama, guck mal!“ Ich war immer noch katatonisch und tat, als wäre ich gar nicht da.

Außer Atem wieselte ich durch die Milchglastür ins Großraumbüro und zischte nur in alle Richtungen: „Sagt NICHTS!“ Daran hielten sich die Kolleginnen und Kollegen auch halbwegs, nur dass an diesem Nachmittag auffallend viele von ihnen irgendwas von mir oder der Redakteurin neben mir brauchten, das nur ein persönliches Gespräch klären konnte. Zum Glück hatte ich keinen Außentermin und konnte an meinen Geschichten per Telefon recherchieren.

Schon am nächsten Tag war der Ausflug in den coiffeurischen Surrealismus vorbei. (Ich ärgere mich bis heute, dass ich davon kein Foto habe.) Wieder in der Mittagspause bekam die Friseurin die Chance, meine Publikumstauglichkeit zu retten. Die letzte Portion Pflaumenlila hatte sie am Vortag auf meinem Kopf aufgebraucht, es war also kein Nachbessern möglich. Mir wurscht, Hauptsache ich konnte wieder unter die Leute. Wir entschieden uns für ein leuchtendes Rot, mit dem ich mich wieder gelassen im Büro blicken lassen konnte. Wo der bayerische Altredakteur meine neuerliche Wandlung lachend kommentierte: „Wissen’S was, i hob gmoant, des gestern warn Ihre echten Hoa!“

(Mittlerweile habe ich ihn ja gefunden, den besten Friseur von allen.)

die Kaltmamsell

3 Kommentare zu „Himmelblau mit weißen Wolken“

  1. kid37 meint:

    Schlimme Erlebnisse immer fotodokumentieren, das sind nachher die schönsten Erinnerungen. Das ist aber auch eine erstaunliche Wandlung vom bayrischen Weiß-Blau zum Sozen-Rot. Hier in der Nähe befindet sich so ein etwas angegammelt wirkender Salon, der mit dem assoziationsreichen Spruch wirbt. “Die geheime Macht der Frisur”.

    Wenn nichts mehr hilft, gehe ich dorthin.

  2. george dablju meint:

    Ich bin für grün! Denn es frühlingt!

  3. Anke meint:

    Als ich quietschblaue Haare hatte (in meinem Fall waren die aber gewollt), haben mich alle Gäste in der Kneipe, in der ich damals gearbeitet habe, nur noch mit “He, Meerjungfrau” angeredet.

    Seitdem sind die Haare nur noch braun o.ä. gewesen. Ich finde allerdings immer noch, dass meine blauen Äuglein nie wieder so strahlend aussahen. Seufz.

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