Als wär die Tante Jolesch noch am Leben

Sonntag, 2. November 2003 um 9:06

Beim Lesen der nächtlichen Kommentare im Blog der Meisterköchin wurde mir ganz schrecklich gerührt. Ich fühlte mich in eine Zeit zurückversetzt, die ich nie erlebt habe, die ich nur vom Lesen der Tante Jolesch von Friedrich Torberg kenne. Auf diesem Weg aber in und auswendig sowie bis ins Detail.

Ich behaupte, dass die Menschen, die dieses Buch gelesen haben, ein unsichtbares Band verbindet. Einer sagt zum Beispiel “Grießen musst du, grießen…”, des anderen Augen leuchten auf, und er denkt an den roten Krasa. Das verbindet über gesellschaftliche und altersbedingte Grenzen hinweg.

Als Vielleserin reagiere ich ja auf die Frage nach meinem “Lieblingsbuch” hilflos. Aber die Tante Jolesch lese ich immer wieder, gerne auch im Wechsel mit Die Erben der Tante Jolesch. Es war ein Urlaub bei meiner Tante in Italien, als ich die Tante Jolesch zum ersten Mal las. Ich werde wohl elf oder zwölf Jahre alt gewesen sein, und das Buch hatte meine Mutter sich auf einen Lesetipp in der Brigitte hin gekauft. Meine Mutter! Die sonst zwar ständig beteuerte, wie gerne sie lese, dass sie aber leider, leider nicht die Zeit dazu finde. (Wir echten Leser wissen natürlich, dass wir eher in einem verrottenden Zimmer wohnen und einen knurrenden Magen erdulden, als uns vom Lesen abhalten zu lassen.) Und so richtig selbst gekauft hat diese Frau in ihrem Leben vermutlich nicht mehr als 30 Bücher. Es haben sich wohl Kalliope und Klio zusammengetan und diesen Zufall bewirkt, der mir die Tante Jolesch in die sandigen Finger gespült hat.

Diese Epoche und ihre Kultur haben mich seither nicht mehr losgelassen. Klar habe ich im Anschluss alles von Friedrich Torberg gelesen, was ich vor die Augen kriegen konnte. Musste aber feststellen, dass er als Romanautor – wie soll ich es freundlich formulieren – hinter seinen Sachtexten und Briefen (hin-rei-ßend!) weit zurück blieb.

Sollte ich also nach einem Buch gefragt werden, das ich jedem, absolut jedem empfehlen kann, so ist das Die Tante Jolesch, oder der Untergang des Abendlands in Anekdoten. Und wem das nicht gefällt, den, fürchte ich, mag ich nicht.

die Kaltmamsell

7 Kommentare zu „Als wär die Tante Jolesch noch am Leben“

  1. Don Alphonso meint:

    Jaja. Was ein Mann schöner ist als ein Aff ist ein Luxus.

  2. die Kaltmamsell meint:

    Kind, stell dich grad hin, dass der Doktor sieht, wie schief dass du bist!

  3. Don Alphonso meint:

    Jaja, die Erbschleicher der Erben der Tante Jolesch – dabei gibt es noch Provinzstädte, wo der Apfelstrudel gerade jetzt schmeckt wie zu kuk Zeiten, mit milchig vollgesaugten Rosinen. ;-)

  4. Zeitgenossen meint:

    Dank Deiner Zuwendung bin ich Herrn Stern verliebt. "Die Zahl der von mir angebrunzten Kaffeesieder ist Legion."

  5. Zeitgenossen meint:

    Dann hab ich einen link für Dich, via ich habs vergessen, resp. kann ich das schöner machen als so:
    http://www.taz.de/pt/2003/11/01/a0285.nf/text.ges,1

  6. die Kaltmamsell meint:

    "Sie ostjüdische Missgeburt! Welches Ghetto hat SIE ausgespien?!"

  7. die Kaltmamsell meint:

    @Zeitgenossen: Zu Ihrem Josefine Mutzenbacher-Link fällt mir natürlich noch die Hure ein, die sich mit Fassungslosigkeit im Gesicht im Kaffeehaus niederließ: "Ich hab jetz an Masochisten – der schlagt z’ruck!"

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