Journal Dienstag, 4. April 2023 – Großfamilienurlaub 3: Museo del Prado, Fortsetzung Vaters Vergangenheit, Tabacalera

Mittwoch, 5. April 2023 um 9:40

Gestern hatte ich mir den Wecker gestellt, ich hatte für alle Neune Tickets fürs Museo del Prado gekauft.

Zum Frühstück hatten die Frühstücker und Frühstückerinnen wieder Churros und Porras (bestehen nur aus Mehl und Wasser, werden in Pflanzenöl frittiert, sind also immer schon vegan – haut rein, Veganist*innen!), diesmal brachten meine Eltern aus der Churrería/Chocolatería auch einen Liter fertige heiße Schokolade zum Eintunken mit.

Zum Museum spazierten wir durch die erwachende Altstadt von Madrid unter strahlend blauem Himmel.

Spanischer Humor (ich brauchte ein bisschen).

Typoliebe (links stark angeschnitten Neffe 2).

Am Museo del Prado standen wir dank bereits gekaufter Karten nur kurz an und verteilten uns je nach Neigung.

Ich nahm mir erst “El Prado en femenino” for, “The female perspective”.

It draws our attention to the women who commissioned, collected or inspired some of the most important works of art in the Museum’s collection.

As such, the route encourages us to explore new narratives and discover unique and surprising accounts in which women are subjects in their own right: artistic promoters, patrons of the arts, the women who lie behind the Museo del Prado and who made such a vital contribution to the formation of its collections during a specific chronological timespan, from 1451 to 1633, in other words the lifetimes of Isabella the Catholic to Isabel Clara Eugenia.

Markierte Tafeln vor Kunstwerken erklärten die Bedeutung der abgebildeten Frauen oder die Rolle von Frauen bei der Entstehung oder der Erwerbung – jede davon hochspannend. Ich freute mich sehr über diesen Ansatz.

Nach einer Pause mit Café von leche und Wasser nahm ich mir mit Herrn Kaltmamsell Goya vor. Ich hatte gelesen, dass das Museum über die Corona-Schließung alles neu gehängt hatte und war gespannt darauf. Das Ergebnis gefiel mir sehr gut: Goyas Werk ist jetzt in seine Schaffensphasen thematisch zusammengefasst und nutzt architektonische Eigenheiten des Baus. So sind zum Beispiel die heiteren ländlichen Szenen, Vorlagen für Tapisserien, im obersten Stockwerk unter Glasdach mit natürlichem Licht zu sehen. Und die düstersten Bilder aus Goyas letzter Schaffensphase hängen ebenerdig in fensterlosen Räumen.

Was mir ebenfalls gut gefiel: Im Museo del Prado darf nicht fotografiert werden. Ich nehme an, dass das nichts mit Urheberrecht zu tun hat, sondern mit dem Fluss der Besucher*innenströme. In den vergangenen Jahren waren meine Besuche in Kunstmuseen davon geprägt, dass die meisten Menschen mit ihren Handys fotografierten, manche machten sogar nichts anderes, oft in Form von Selfies. Das beeinflusste den Aufenthalt, den Blick und die Bewegungsmöglichkeiten von allen Besuchenden – und nicht unbedingt positiv. Wenn einfach niemand fotografiert, so mein Eindruck, ist die gesamte Atmosphäre entspannter und offener.

Drittes Lob: Die wenigen Zeilen Textinformationen zu den Bildern auf Spanisch und Englisch. Ich lernte aus jeder davon über Kunst, denn die Texte wiesen mich auf Besonderheiten wie Gesichtsausdruck oder Komposition hin, ordneten diese Besonderheiten in Gesamtwerk oder in die Zeit ein, oder sie rissen die Rezeptionsgeschichte an – ohne mir Interpretationen oder Reaktionen vorzugeben. (Allerdings lernte ich daraus auch, dass die Spanier, die fremdsprachige Wörter ja ohne Rücksicht auf Verluste hispanisieren, aus Dürer ernsthaft “Durero” gemacht haben. Brutal.)

Um halb drei trafen wir uns draußen mit allen, der größte Teil ging einen Happen essen: Pinchos, Bierchen, Raciones – in einem Lokal, in dem laut meinem Vater bis in die 1970er die Bank war, bei der seine jugendlichen Ersparnisse lagen.

Danach spazierten wir wieder alle zusammen, und zwar zur Salesianerschule, die mein Vater seinerzeit besucht hatte und die es immer noch (völlig umgebaut) gibt.

Ohne familiären Bezug gingen wir weiter zur Tabacalera – ich hatte die Geschichte des Orts erzählt. Diesmal ergab sich durch Zufall (Spruch in Spanien: “El mundo es un pañuelo.” – Die Welt ist ein Taschentuch.) die Möglichkeit, auch mal reinzuschauen.

Auf den Wändern wurde getanzt, unter anderem eindeutig Jota.

Jetzt teilten wir uns wieder auf, ich spazierte mit Herrn Kaltmamsell in der endlich auch wärmenden Sonne über die Calle de la Ribera de Curtidores (wo sonntags der Flohmarkt Rastro) zur Wohnung zurück.

Tagesgesicht der Fassade.

Das Nachtgesicht, am Morgen fotografiert.

Zum Abendessen zu fast spanischen Zeiten um 21 Uhr überließen wir die vegane Jugend sich selbst und gingen zu sechst ums Eck in eine urige Wirtschaft, die madrilenische und baskische Küche servierte.

Es gab ganz hervorragende Tomaten, aromatisch und mit recht harter, dunkelgrün gestreifter Schale.

Und für mich wie einige andere Kutteln nach Madrider Art, callos a la madrileña. Mit einem Glas jungen basikschen Weißwein Txakoli.

die Kaltmamsell

6 Kommentare zu „Journal Dienstag, 4. April 2023 – Großfamilienurlaub 3: Museo del Prado, Fortsetzung Vaters Vergangenheit, Tabacalera“

  1. TomInMuc meint:

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    Gerne gelesen

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  2. Sabine meint:

    Ich kann mir gut vorstellen, dass es entspannt ist, im Museum mit Fotoverbot zu sein. Mir persönlich macht es aber schlechte Laune, dass der Prado seine puritanische Haltung dazu in alle Welt exportiert und Wachhunde mitschickt, wenn Bilder verliehen werden – also Bilder von lang verstorbenen Künstler:innen, deren Urheberrecht wohl kaum mehr zu schützen ist. Es wirkt auf mich kleinlich – da ist mir die Herangehensweise des Rijksmuseums, Digitalisate in hervorragender Qualität frei zur Verfügung zu stellen, sympathischer.

    Die falsche Sorte Fotos machen natürlich immer nur die anderen – die Selfie-Fans und die, die alle Bilder nur durchs Handy sehen, gehen mir auch auf den Geist. Nicht zu unterschätzen ist aber die Auseinandersetzung mit der Kunst, die durch das Fotografieren und Versenden stattfindet; und wenn das Museen zugänglicher macht, warum nicht?

    Aber der Prado klingt schon toll, neue Hängungen, gute Texte – wahrscheinlich ist das mit den Fotos alles ein Relikt des spanischen Hofzeremoniells. Erfährt man in den Reiseberichten etwas über Herrn Kaltmamsells Anreise und seine Zufriedenheit damit?

  3. FrauZimt meint:

    Hispanisierung: als ich 2016 in Madrid war, lief im Prado gerade eine Hieronymus Bosch-Ausstellung, groß beworben als El Bosco!
    (Danke fürs Mitnehmen, ich schwelge in Erinnerungen!)

  4. Sigrid meint:

    Danke fürs Mitnehmen. Mit Madrid steht jetzt eine weitere Stadt auf meiner Wunschreiseliste. Ich wäre auch an den Reiseerfahrungen von Herrn Kaltmamsell interessiert.

  5. Herr Kaltmamsell meint:

    Keine besonderen Erfahrungen, ich bin nur separat geflogen. Zwei Monate vor Fahrt gab es schon keinerlei Tickets für die Schnellzüge mehr.

  6. Sabine meint:

    Ah, sehr ärgerlich, das ist schon das Problem mit den Zugfernreisen, ist uns sogar bei Rom mit 6 Monaten Vorlauf passiert.

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