Journal Freitag, 14. April 2023 – Langsame Heimkehr, Ewald Arenz, Alte Sorten

Samstag, 15. April 2023 um 9:04

Ausgeschlafen. Draußen war es kalt und grau, es regnete den so nützlichen, aber durch und durch greislichen Landregen.

Plan für den Tag war schon seit Wochen eine Schwimmrunde gewesen. Doch nach Morgenkaffee, Bloggen mit Zusatzrecherchen, zwei Tassen Tee Lapsang Souchong (frischer Wasserfilter) war mir sowas von gar nicht nach Aktivität, dass ich auf Urlaub und Gemütlichkeit umschaltete – ich nahm mir Zeit für innerliche Heimkehr und las erst mal Internet.

In dieser Muße stellten sich Ideen für kleinere Geschäftigkeiten ein, zum Beispiel Sauerteig-Aufrischen für wochenendliches Brotbacken, Bügeln einer noch feuchten, eben gewaschenen Hose, um spätere Bügelprobleme zu vermeiden, außerdem Rezeptrecherche für Samstagabendessen (Empanada).

Herr Kaltmamsell hatte bereits am Donnerstag bei seinen Einkäufen gesehen, dass es im Kaufhof am Marienplatz noch Osterschokolade gab. Als ich um die Mittagszeit zu einer ersten Einkaufsrunde unterm Regenschirm loszog (dicker Janker, Mütze, Handschuhe), steuerte ich also die Süßigkeitenabteilung im Untergeschoß an.

Osterschokoladen-Paradoxon: Wenn es aussieht, als habe man übertrieben, war es genau richtig.

Außerdem ging ich für Mehle zum Hofbräuhausmühlenladen – und fand ihn schier nicht.

Nächster Stopp Eataly für ein großes Stück Grana Padano. Auch dort Preisreduktion von Venchi-Osterschokolade, allerdings nur um 20 und 30 Prozent – beim Kaufhof hatte es die riesigen italienischen Schoko-Ostereier um die Hälfte gegeben.

Unterwegs erreichte mich die Nachricht, dass ich in den Tagen zuvor Kontakt mit Corona-Infizierten gehabt hatte. Beim Ablade-Stopp daheim also erst mal getestet: negativ. Weitere Tests auf die Einkaufsliste gesetzt, ich teste jetzt lieber vorerst täglich.

Die nächste Einkaufsrunde führte ich mich zur Drogerie und in den Vollcorner. Ich brauchte keinen Schirm mehr, freute mich, dass ich doch noch Magnolienblüte erlebte.

Frühstück kurz vor drei Apfel, etwas Joghurt, spanisches Brot mit Nocilla – ich bin zurück im normalen Essrhythmus freier Tage. Das pan candeal hatte sich gut gehalten (über Nacht in Plastiktüte). Wie wenig Wasser der Teig enthält, merkt man auch daran, dass der Laib leicht ist. Was wiederum darauf hinweist, warum dieses traditionelle Brot aus der alten Weizensorte unattraktiv für Großherstellung ist: Moderne Weizensorten wurden darauf gezüchtet, dass ihr Mehl möglichst viel Wasser aufnehmen kann, denn Wasser ist billig, und je höher der Anteil in einem Kilo-Laib Brot, desto höher der Gewinn für die Bäckerei.

Nachmittags las ich Alte Sorten von Ewald Arenz aus und war sehr angetan (siehe unten).

Endlich wieder Yoga, ich begann nochmal das 30-Tage-Programm von 2022 “Move” von Adriene, merkte, wie sehr ich das Dehnen vermisst hatte.

Währenddessen hatte Herr Kaltmamsell das Nachtmahl zubereitet: Vollkorn-Lasagne mit Grünkernschrot-Chili. Ich verwendete die zweiten Hälfte spanische Zwiebel für eine Schüssel Salat, dazu gab es einen feinen Côtes du Rhône Elisabeth Chambellan.

Zum Nachtisch: Süßes Gebäck vom Panadero, Osterschokolade (zu viel, das hat mir der Urlaub leider nicht abgewöhnt).

§

Nach dem anstrengenden und langen Roman über das Ende des Vietnam-Kriegs und seine Grausamkeiten ließ ich mich im Flugzeug von Madrid nach München in Alte Sorten von Ewald Arenz fallen – und war innerhalb weniger Seiten (… Bildschirme? ich las das Bibliotheks-eBook auf meinem Smartphone) in fränkischen Feldern und Weinbergen. Ich lernte zwei Frauen kennen, die sich zufällig begegnen, aus deren personaler Perspektive abwechselnd erzählt wird. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Sicht der 17-jährigen Sally, die am Anfang der Geschichte offensichtlich von irgendwo ausgebüchst ist, wohin sie auf keinen Fall zurück will. Sie gerät an die Landwirtin Liss, und es wird schnell klar, dass diese Frau mittleren Alters eine mindestens ebenso sperrige Persönlichkeit ist. Die Erzählkunst und die einer gelungenen Informationsvermittlung entfalten sich aus diesem Set-up: Die beiden Hauptfiguren reden nicht viel, sind verschlossen und kämpfen mit sich – wir erfahren vor allem äußere Handlung und Eindrücke, immer wieder der Verarbeitung der Protagonistinnen gegenübergestellt. Es ist Anfang September, und die ländliche Umgebung liefert Unmengen Farben, Gerüche, sonstige Sinneswahrnehmungen. Besonders gefielen mir die wenigen Dialoge, die glaubwürdig einfangen, wie die beiden Frauen in solch einer Situation miteinander umgehen. Auch schön: Es wird mal nicht das Klischee bedient, dass Leute aus der Stadt, gerade besonders schlaue Leute, sich in landwirtschaftlichen Dingen besonders blöd anstellen.

Die Überraschungen in der Handlung resultieren aus der Sprunghaftigkeit der beiden Frauen und waren für mich durch und durch nachvollziehbar, das versöhnliche Ende entgeht allzu großer Harmonie durch genug offene Fäden. Leseempfehlung – und Erleichterung, dass der Roman der Einsortierung in “Jugendbuch”/young adult fiction entgangen ist, obwohl eine 17-Jährige im Mittelpunkt steht.

die Kaltmamsell

8 Kommentare zu „Journal Freitag, 14. April 2023 – Langsame Heimkehr, Ewald Arenz, Alte Sorten

  1. kn meint:

    Alte Sorten mochte ich auch sehr und habe vor ein paar Wochen vom gleichen Autor noch Der Große Sommer nachgelegt. Auch sehr gerne gelesen.

  2. marthe meint:

    Wunderbar hier mitlesen und mitgucken zu können! Das bezieht sich ganz besonders auf Ihren Reisebericht.
    Ewald Arenz kenne ich gar nicht, bin nun aufmerksam geworden, weil
    ein Titel von ihm mir kürzlich auffiel. “Sperrige Persönlichkeit”, das gefällt mir sehr gut.
    Wie kam er auf Ihre Leseliste?

  3. die Kaltmamsell meint:

    Hatte vor vier Jahren bei Erscheinen mehrfach Begeisterung auf meinen Online-Plattformen mitbekommen, marthe, klang interessant.

  4. Sanne meint:

    Ja, @kn, den „Großen Sommer“ hörte ich als Hörbuch, sehr fesselnd und berührend!
    Und vielen Dank, @kaltmamsell, für die ausführlichen und inspirierenden Reiseberichte aus Spanien!

  5. Friederike meint:

    „Alte Sorten“ hat mich im Herbst in meiner Reha begleitet. Ich hatte es geschenkt bekommen und war sehr berührt davon (von der Geschenk-Geste und vom Buch.) Den „großen Sommer“ kenne ich noch nicht, danke für den Hinweis!
    Ansonsten wünsche ich weiter negative Tests und der infizierten Verwandtschaft baldige Besserung!

  6. lihabiboun meint:

    “Alte Sorten” fand ich superklasse, hab es mehrfach weiterempfohlen, versöhnt einen mit “Pädagogik” …..

  7. Lena meint:

    Danke für‘s Mitnehmen auf die Reise und den Buchtipp. Habe ich gleich in der hiesigen Onleihe vorbestellt.

  8. marthe meint:

    Danke für Ihr Antwort auf meine neugierige Frage.

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