Journal Donnerstag, 21. September 2023 – Oktoberfestflucht mit den fränkischen Attraktionen Humboldtweg und Schäufele

Freitag, 22. September 2023 um 8:55

Lang geschlafen, auch ohne Ohrstöpsel und obwohl nachts erst Sirenen heulten, außerdem das Regionalbähnla in jeder Kurve mit Pfiff vor sich warnte.

Kunstduftquellen in der Ferienwohnung so weit wie möglich reduziert. Und so dachte ich: Wenn ich jetzt noch die Badtür konsequent schließe und so oft wie möglich Fenster öffne, könnte es allmählich einfach sauber riechen und nicht mehr wie eine Drogerieabteilung.

Die Vermieterin, die gleich nebenan wohnt, brachte einen Heizlüfter vorbei, weil doch am Freitag das Wetter kalt werden soll – und scheuchte mich mit ihrem Klingeln gerade vom Duschen abgetrocknet in die nächstbeste Kleidung zum Türöffnen. Ich hoffe, die Heizkraft macht das wett.

Ich kam ein wenig später los zu meiner Wanderung, weil Kleidungsverunsicherung. Erst war ich in kurzen Ärmeln startklar, doch in der Wohnung fror ich damit so, dass ich dann doch in meine Jacke schlüpfte. Gleich vor der Haustür lag die Außentemperatur aber deutlich über Wohnungskälte, durchaus T-Shirt-geeignet, also zog ich die Jacke wieder aus und verstaute sie im Rucksack.

Für gestern, den Tag mit dem schönsten Wetter, hatte ich als Wanderung die längste meiner Oktoberfestflucht ausgesucht: den Humboldtweg. Wieder war der GPS-Track besonders hilfreich, zumal ich allen Empfehlungen für Extra-Abstecher folgte. Einmal verlief ich mich trotzdem, weil ich eine Wegmarkierung falsch interpretiert hatte. Ein Routine-Check zehn Minuten nach der Abzweigung erwies meinen Irrtum, ich kehrte um.

Das Wetter superherrlich, die Strecke abwechslungsreich (wenn auch für meinen Geschmack zu viele Straßenabschnitte drin waren). Eine erste Pause machte ich recht früh, da meine Wanderschuhe reichlich Pflanzenfragmente eingesammelt hatten und ich eine Bank für Schuhe-Ausleeren und ein wenig Ausruhen nutzte.

Gestern hatte ich sogar Gesellschaft und begegnete einer anderen Wanderin, außerdem ein paar Radler*innen (einem ausgerechnet beim ein Mal Pinkeln – nicht weit ab vom Weg, weil ich davor anderthalb Stunden lang überhaupt niemanden gesehen hatte).

Ich fühlte mich munter und fit, genoss die Bewegung und die Ausblicke sehr, kam bei Steigungen ins Schwitzen und freute mich über meine Körpertüchtigkeit, die sie mir ermöglichte, sah interessante Gesteine (u.a. Diabas – Geolog*innen haben einfach die besten Wörter), außerdem wieder viele Eichelhäher, aber auch Bussarde, Falken, einen Rotmilan, ein Eichhörnchen mitten im Wald. Und einmal erschreckte ich ein Reheinen Hirschen – und dieser mich, als gefühlt nur einen Meter links von mir im Unterholz ein sehr großes Tier Fluchtgeräusche machte.

Vom Bad Stebener Bahnhof aus Richtung Hölle – ich bin mir sicher, dass jeder, wirklich jeder Witz mit diesem Ortsnamen bereits gemacht ist.

Wetterchen!

Ich verlottere im Alleinurlaub völlig und schminke mich nicht mal.

Abstecher 1: Rundweg zur Schutzhütte Wolfsbauer.

Oben Aussicht.

Unten Hölle. Dann ging’s fast eine Dreiviertel-Stunde auf einem Rad- und Fußweg eine Laster-befahrene Straße entlang.

Und zwar nach Issigau, berühmt für den Typografie-Unfall am Ortseingang (vielleicht) und eine ganz besondere Dorfkirche (sicher).

Abstecher 2: Die Kassettendecke von St. Simon und Judas aus dem 17. Jahrhundert zeigt 66 Bibelszenen.

Blick über Kemlas hinweg wieder auf viel toten Wald.

Abstecher 3: Wiedeturm, leider wegen Vandalismus geschlossen.

Hier machte ich um halb zwei Brotzeit: Ein Apfel, eine Nektarine, wenig Pumpernickel mit Frischkäse – das war gerade recht.

Manche toten Fichten können nicht ganz gefällt werden, weil sie eine Zusatzfunktion als Halterung für Wegmarkierung erfüllen.

Blankenstein, ich befand mich in einer historischen Bergbaugegend.

Den Lohbach entlang nach Lichtenberg hinauf.

Bitteschön: Diabas (es stand ein Schild davor). Ich schmeiß mich immer weg bei den Geologie-Erklärungen auf Wikipedia, die aus lauter Begriffen bestehen, die ich auch erstmal erklärt bräuchte.

Oben: Lichtenberg.

Mit Aussicht.

Der Ort Lichtenberg selbst ist auch sehr schmuck.

Die letzte Stunde der Wanderung ging ich direkt gegen die herbstlich tiefe Sonne und guckte eher auf den Meter Boden vor mir.

Nach Bad Steben kam ich aus einem ungewohnten Winkel zurück.

Wenn schon, denn schon: Abschließender Abstecher zum Humboldthaus.

Das waren dann 25 Kilometer in sechseinhalb Stunden mit einer kleinen und einer großen Pause. Dann doch anstrengend, zumal die Strecke einige knackige Auf- und Abstiege verlangt hatte. Wenn man am Ende einer Wanderung aus Sicherheitsgründen noch fit genug für eine weitere Stunde sein soll – hätte ich das gestern nur mit ordentlichem Zusammennehmen hinbekommen.

Die Haustür öffnete ich wieder in einen Kühlschrank, schlüpfte umgehend in mein Sweatshirt. Und jetzt entfernte ich auch die Duftbombe aus der Kloschüssel, die mittlerweile den Gesamtgeruch dominierte, und sicherte sie in einer Tüte auf der Terrasse (muss ich ja vor Auszug alles re-installieren). Ich kalkuliere durchaus die Möglichkeit ein, dass ich mich lediglich anstelle und eine Prinzessin-auf-der-Erbse-Nase habe, denn schließlich sehe ich doch an der Fernsehwerbung, dass künstliche Wohnungsbeduftung Mainstream ist.

Als Abendessen wünschte ich mir Schäufele, wenn schon Franken (auch wenn ich weiterhin verdorben bin durch das selbst gemachte Schäufele aus fränkischer Freundeshand). Was sich bei der Recherche als gar nicht so einfach herausstellte, das Lokal sollte ja fußläufig sein: Die seriöse Gastronomie hier ist vor allem italienisch, das Wirtshaus, in dem ich vor vier Jahren Schäufele gegessen hatte (so lala), gibt es nicht mehr, viele Gasthäuser öffnen unter Woche nicht. Laut deren Website servierte aber das Restaurant des Hotels Panorama das Gericht, nach einer Stunde Ausruhen spazierte ich dort hin.

Das Schäufele war sogar besonders gut: Zartes, saftiges Fleisch, resch-leichte Kruste (über Beilagen und Sauce reden wir einfach nicht). Dazu gab es ein besonders gutes alkoholfreies Weißbier. Um mich herum wenig Gäste, fast durchwegs Halbpension des Hotels.

Zurück in der Ferienwohnung passte nur noch wenig Schokolade zum Nachtisch rein.

Respekt: Der Heizlüfter tat seinen Job wirklich gut, ich schaltete ihn nur zweimal für wenige Minuten an, das reichte und ich brauchte keine Flauschdecke um die Schultern.

§

Auf instagram gesehen, dass es Rachel Roddys A to Z of Pasta jetzt auch auf Deutsch gibt:
Pasta von Alfabeto bis Ziti.
(Wenn Ulrike Becker die Übersetzung nicht verkackt hat: Empfehlung.)

die Kaltmamsell

17 Kommentare zu „Journal Donnerstag, 21. September 2023 – Oktoberfestflucht mit den fränkischen Attraktionen Humboldtweg und Schäufele“

  1. Neli meint:

    Ich als allergische Asthmatikerin vertrage viele künstliche Geruchsstoffe gar nicht. Viele Deos, Parfüme und duftende Weichspüler vertrage ich nicht, manche lösen sogar einen Asthmaanfall bei mir aus. Leider denken viele Vermieterinnen von Ferienwohnungen einfach nicht nach.

  2. Corsa meint:

    Diese Beduftungen sind wirklich nervend.
    In einem spanischen AirBnB hat es bei mir auch dazu geführt, den WC-Hänger zu entfernen. Letztes Jahr im Ferienhaus in Dänemark reichte es glücklicherweise, nur diese Holzstäbchen aus den Flüssigkeiten zu reduzieren….

  3. Lempel meint:

    Schäufele sind lustigerweise in Oberfranken genauso importiert wie Pizza. Bis vor ein paar Jahren kannte man die hier gar nicht und sie waren auch auf keiner Karte. Schäufele sind ursprünglich aus Mittelfranken und auch dort gab es sie vorrangig nur in Nürnberg und unmittelbarer Umgebung.

  4. Bettina meint:

    Es gibt Menschen, die vertragen einfach keine künstlichen Geruchsstoffe. Meine Vermutung ist ausserdem, dass viele Menschen nur 10 bis 20% von dem Gestank überhaupt mitkriegen.
    Sonst würde das nicht funktionieren.

  5. lihabiboun meint:

    “verlottere im Alleinurlaub völlig und schminke mich nicht mal”… also, bei mir ist das immer das erste Zeichen von einsetzender Erholung, so eine gewisse Wurschtigkeit.
    Künstliche Wohnungsbeduftung ist Mainstream????? //Flüchtet schreiend// vollkommen widerliche Vorstellung!
    Weiter gutes Marschieren.

  6. Juliane meint:

    Auch ich habe einen Horror vor künstlichen Düften im Wohnraum. Einmal waren wir in einer Ferienwohnung über einer Bäckerei. Es roch also im Flur immer herrlich nach frischem Gebäck. Leider nicht so in der FeWo: Duftsteine etc. in verschiedenen Ecken (gesucht-gefunden-verpackt, verschlossen) und extrem weichgespülte Bettwäsche, deren Geruch an allem klebte, was damit in Berührung kam. Es hat uns den Aufenthalt verlitten… Ich verstehe nicht, wie man sowas mögen kann. Doch nur, wenn der Geruchssinn nicht mehr gut funktioniert – und dann bräuchte man es doch nicht mehr… Führ mich grenzt diese “Zwangsbeduftung” an Körperverletzung!
    Dennoch wünsche ich einen frohen Aufenthalt, liebe Kaltmamsell!

  7. Defne meint:

    Ich laufe schon mein ganzen Leben ungeschminkt rum, verlottert kam ich mir bis jetzt nicht vor sondern eher ganz normal.

  8. die Kaltmamsell meint:

    Dann sind Sie möglicherweise gar nicht ich, Defne?

  9. Sandra meint:

    Liegt doch voll im Trend, Stichwort „Deo-Challenge“ https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/deochallenge-warnung-100.html

  10. Sandra meint:

    Ach ja, und zur Schminklosigkeit handhabe ich es gerne wie Sie. Eine Freundin ist allerdings gerade im Urlaub immer wie aus dem Ei gepellt. Sie meinte dazu, als ich sie darauf angesprochen habt, dass sie genau im Urlaub endlich Zeit dafür habe. Ich hingegen will im Urlaub jede Minute für Urlaub nutzen…früher los, statt nochmal 15 Minuten mehr im Bad. Höchstens Mascara drauf und Kajal schnell unters Auge für einen wacheren Blick und fertig!

  11. Thea meint:

    Dann sollten wir Olfaktorsensiblen ab sofort bei jeder Buchung einer Ferienwohnung vorab darauf hinweisen, dass man nur eine Wohnung ohne Beduftung bezieht und bezahlt.

  12. Rainer meint:

    Sieht sehr gut aus das Schäufele, wobei die nahezu quadratische Abmessung etwas irritiert :-)

  13. Ruth Perras meint:

    Mich hat sehr gewundert dass Sie bereit waren in der Ferienwohnung zu frieren. GsD gab es dann den Heizkörper. Ich dachte schon, Sie wollten ganz allein den Klimawandel ändern, da Sie auch oft bei der Arbeit über Kälte erzählen. Mir erscheint es, das deutsche Arbeitgeber sich kein Keit um das wohlfühlen der Angestellten kümmern, ist die Message, die ich aus ihren Arbeitserzählungen ziehe.
    Ich erlebe gern die Wanderungen mit ihnen, vielen Dank!

  14. Halbblut meint:

    Ich verfolge ihre Wanderberichte immer mit großem Interesse und freue mich über die Tiersichtungen. Wobei mich tatsächlich seit einiger Zeit die Frage beschäftigt, wie denn die Zeckensituation ist? Eher viele oder wenige unterwegs aufgesammelt?

  15. Poupou meint:

    Die Beduftung von Ferienwohnungen habe ich auch schon erlebt – mein Verdacht, nachdem die Duftquellen weggeräumt waren: die Vermieter wollen damit einen muffigen Grundgeruch übertünchen, wie er von Schimmel etc herrührt.

  16. Nadine meint:

    Hier glücklicherweise ohne Asthmaanfall, aber auch allergisch & ich könnte da nicht wohnen und schlafen!
    Ich achte tatsächlich bei Buchungen auf sowas wie allergikerfreundlich, wenn es diese Angabe gibt (in meinem liebsten Seminarhotel gibt es das z.B. nicht, aber auch keine Duftstoffe.
    Es ist für mich schon sehr unangenehm neben parfümierten Menschen zu sitzen etc., und ich kann diesen Trend überhaupt nicht verstehen, den Duftstoffe sind grundsätzlich relativ aggressiv (auch zur Haut von normalen Menschen).

  17. Sabine meint:

    Hach, ist das schön da!

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