Journal Donnerstag, 26. Oktober 2023 – Das Vermustern von Erinnerungen

Freitag, 27. Oktober 2023 um 6:29

Ich hätte mir eine halbe Stunde späteres Wecken gegönnt, wachte allerdings nur wenig nach meiner üblichen Zeit auf, unausgeschlafen. In die Arbeit brach ich dennoch eine halbe Stunde später als sonst auf, weil ich mir noch die Zeit fürs Verbloggen des Theaterbesuchs nahm.

Draußen erwischte mich nach 100 Metern der Regen, den ich in der schrägen Morgensonne nicht hatte kommen sehen, ich erreichte das Büro ordentlich durchgefeuchtet. Aber es war ja mild, ich trocknete schnell wieder.

Emsiger Vormittag, zu Mittag ging ich unterm Regenschirm raus auf einen Cappuccino bei Nachbars, dann auf den Westend-Markt, dort kaufte ich Äpfel (die vergangene Woche probierte Sorte Nicoter) und Käse.

Mittagessen zurück am Schreibtisch: Nicoter-Apfel (der mir so gut schmeckte, dass ich am liebsten weitere gegessen hätte, doch es musste ja auch andere Brotzeit weg), Pumpernickel mit Butter, Granatapfelkerne.

Der Nachmittag war dann ruhiger, ich kam zur geplanten Zeit aus dem Gebäude, denn ich war mit Herrn Kaltmamsell zum Einkaufen verabredet. Beim Radeln zum Gericht hatte ich nämlich in der Blutenburgstraße einen Laden namens Donosti gesehen; Online-Recherche hatte meinen Verdacht bestätigt, dass dort auch Baskisches angeboten wird (San Sebastián heißt auf Baskisch Donostia). Und tatsächlich gab es in dem kleinen Geschäft nicht nur einen Txakoli (dieser junge Weißwein, der uns letztes Jahr in San Sebastián so gut geschmeckt hatte), sondern drei verschiedene, die Ladenbesitzerin wusste zu jedem etwas zu erzählen. Nahmen wir alle zum Probieren mit. Außerdem aus dem Anbaugebiet Madrid einen Rotwein sowie Café torrefacto – das war sehr wahrscheinlich nicht der letzte Einkauf dort.

Mit der U-Bahn nach Hause, dort Häuslichkeiten. Zum Nachtmahl machte ich den Ernteanteil-Salat mit einer Knoblauch-Zitronen-Vinaigrette an, ein paar letzte Tomaten aus Ernteanteil kamen auch rein (die Tomatenpflanzen in den Gewächshäusern haben laut Newsletter Kartoffeldruck mittlerweile den Winterkulturen Feldsalat und Asiasalat Platz gemacht). Außerdem gab es Käse, unter anderem einen Crowdfarming-Manchego, der in Olivenöl eingelegt war – wir waren beide nicht sicher, ob das eine gute Idee ist, denn er schmeckte seifig. Zum Nachtisch Süßigkeiten.

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Dann mache ich doch nochmal einen Anlauf bei meiner ehemaligen Hausärztin, die seit 2022 nur noch privat bezahlt behandelt und deren Personal mir meine Patientenakte nur als Papierkopie und das nur gegen Geld geben wollte.
“Urteil des EuGH
Erste Kopie der Patientenakte ist kostenlos”.

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Katatonik ist nach Berlin gereist und erinnert sich an vergangene Berlin-Aufenthalte:
“Wechselseitiges Auftauchen, erinnert (oder auch nicht)”.

M. tauchte zu Silvester in Wien auf, es war ja nicht so, dass ich nur in Berlin auftauchte; es gab vielmehr eine Kultur des wechselseitigen Auftauchens.

Dass das eine Kultur war, ein Muster – das ergibt doch eigentlich erst die Erinnerung daran. Und war einer zur Ereigniszeit vielleicht gar nicht bewusst?

Ich stelle hiermit die These vom Vermustern bei Erinnerungen auf, abgeleitet im weitesten Sinn aus Gestaltpsychologie (von der man gar nicht mehr viel hört, wie mag’s ihr gehen? war das nur eine Mode?), nach der die menschliche Wahrnehmung Muster und Sinn sucht. Rückblickend formen wir aus Einzelbegebenheiten, eigentlich aus der Erinnerung daran (was zwei verschiedene Dinge sind) eine Gewohnheit, ein Muster. Symptome sind beim Erzählen: “Bei uns wurde immer”, “Zu Weihnachten haben wir bei uns” (und es hatte immer Schnee), “In meiner Kindheit wurde” – wobei ich mehr als einmal herausfand, dass es sich belegbar lediglich um zwei oder drei Mal handelte.
(Und ich erinnere mich an das Gelächter an der Festtafel, als ein 17-jähriges Familienmitglied anhub: “In meiner Kindheit haben wir immer…”)

die Kaltmamsell

2 Kommentare zu „Journal Donnerstag, 26. Oktober 2023 – Das Vermustern von Erinnerungen“

  1. Peter Ringeisen meint:

    Zum Vermustern von Erinnerungen: Bei mir tragen die jeweils angefertigten Fotos erheblich zu diesem Prozess bei. Was ich nicht fotografiert habe (oder was sich in den elternlichen Fotoalben nicht findet –> Kindheit), ist viel eher vergessen.
    Diese Foto-Fixierung wiederum trägt dazu bei, die Vergangenheit in freundlicherem Licht zu sehen, als sie es vielleicht verdient, denn man neigt eher dazu, “Schönes” zu fotografieren als Unangenehmes.

  2. marthe meint:

    “Nicoter” wird in dem verlinkten Artikel bei Wikipedia ja ausführlich besprochen. Da habe ich gleich auch “Berlepsch” und “Topaz” gesucht und gelesen, daß Topaz mitnichten eine Weiterzüchtung des Berlepsch ist, wie mir ein Apfelbauer vermitteln wollte. Da habe ich hier, vor ein paar Tagen also Unsinn weitergegeben.

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